Israel, Iran, Irak, Afghanistan...
Black Metal im Nahen und Mittleren Osten

Special

Black Metal hat sich als Genre im Verlauf der vergangenen Jahre zu einem globalen musikalischen Phänomen entwickelt, welches seinen Nährboden für neue und faszinierende Projekte und Bands selbst in den entlegensten Regionen der Erde findet. Während die tief in den Ursprüngen der Musik verwurzelte Kritik an Gesellschaft und Religion in vielen Ländern der westlichen Welt nur noch selten auf Gegenwind stößt und weitestgehend als selbstverständlicher Teil der Subkultur wahrgenommen wird, unterscheidet sich die Einstellung diesbezüglich in Nationen mit strengeren religiösen Glaubensvorstellungen und -richtlinien sowie gänzlich anderer kulturell geprägter Weltanschauung gravierend.

So sind auch einige Länder im Nahen und Mittleren Osten seit über eintausend Jahren so sehr mit dem islamischen Glauben verwoben, dass eine religionskritische künstlerische Ausrichtung heutzutage kaum vorstellbar erscheint. Nichtsdestotrotz hat sich auch in besagten Staaten ein musikalischer Aktivismus im Zeichen der Antihaltung ausgebreitet, teils in Form solide aufgestellter regionaler Szenen, oder aber in nur vereinzelt vorzufindenden Ausnahme-Bands. In den folgenden Kapiteln sollen ein paar der interessantesten Vertreter des Black Metals aus dem Nahen und Mittleren Osten vorgestellt werden. Das Hauptaugenmerk liegt dabei primär auf Künstlern, denen noch nicht die internationale Aufmerksamkeit zuteil geworden ist, die beispielsweise der aus Israel stammende Ashmedi mit seiner Band MELECHESH bei Nuclear Blast genießen kann.

Melechesh

Naher Osten

Die geographische Bezeichnung „Naher Osten“ fasst als Sammelbegriff die arabischen Staaten Vorderasiens und Israel zusammen. Von den insgesamt 13 vertretenen Nationen entfallen, ähnlich wie es später bei der Auflistung der Bands aus dem Mittleren Osten der Fall sein wird, einzelne Länder aufgrund der Abstinenz einer regionalen Metal-Szene oder überwiegend inaktiver und mittlerweile aufgelöster Bands.

Kuwait: LASHER

Die einzig derzeit umtriebige Black-Metal-Band aus Kuwait trägt den Namen LASHER. Mit „Futile Endeavours To Transcend The Bestial Vessel“ veröffentlichte das Projekt, über dessen Besetzung und Zahl involvierter Musiker der Mantel des Schweigens liegt, das erste und bisher einzige Album der Kuwaiter/des Kuwaiters. Zwar treibt das Werk aus dem Jahr 2020 keine unerwarteten Stilblüten, weiß jedoch durch solides Songwriting und eine kurzweilige Mischung aus traditionellem und melodischem Black Metal der zweiten Welle zu überzeugen.

Saudi Arabien: ALNAMROOD

Ebenfalls recht dünn besetzt sieht es mit der Szene in Saudi Arabien aus. ALNAMROOD, was direkt übersetzt so viel wie „Der Nichtgläubige“ bedeutet, wählten mit ihrer antireligiösen und anarchistischen Einstellung den Weg des größten Widerstands: die Verleumdung einer höheren göttlichen Gewalt wird in Saudi Arabien nach wie vor verfolgt und mit Gefängnis und Folter bestraft. Entsprechend agieren die involvierten Musiker aus dem Dunkel heraus und lassen ihre Tonträger über das kanadische Label Shaytan Productions vertreiben. ALNAMROOD verbinden teils thrashigen Black Metal mit traditionellen Instrumenten und Melodien, die der arabischen Tonleiter folgen. Als Einstieg in die mittlerweile recht umfangreiche Diskografie bietet sich das aktuelle Album „Wala’at“ aus dem vergangenen Jahr an, frühere Werke brechen im direkten Vergleich noch deutlich stärker mit den westlichen Hörgewohnheiten.

Alnamrood – „Wala’at“

 

 

Israel: DIM AURA

Während Israel mit MELECHESH ein in der internationalen Szene durchaus etabliertes Schlachtschiff an den Start bringen kann, handelt es sich dabei keineswegs um den einzigen erwähnenswerten Vertreter angeschwärzter Tonkunst innerhalb des Landes. DIM AURA bewiesen 2013 erstmalig ihr musikalisches Können auf dem Debütalbum „The Negation Of Existence“, welches sechs Jahre später mit „The Triumphant Age Of Death“ noch getoppt werden konnte. Das Quartett spielt unverblümten, reinen Black Metal der norwegischen Schule und wartet mit packendem, eingängigem Riffing auf. Der Vorgänger unterscheidet sich von der puristischen Herangehensweise des aktuellen Werks geringfügig durch etwas dominantere Elemente aus Thrash und Speed Metal, ein Antesten sind beide Veröffentlichungen wert.

Dim Aura

 

 

Bahrain: NARJAHANAM (نار جهنم )

NARJAHANAM, zu Deutsch „Höllenfeuer“, unterscheiden sich nahezu gänzlich von allen zuvor benannten Bands. Ausschlaggebend hierfür ist die Kombination von vereinzelten Black-Metal-Versatzstücken mit walzendem Death Metal und orientalisch anmutender Keyboard-Untermalung. Das aktuellere der beiden bisher erschienen Alben, „Wa Ma Khufiya Kana A’atam“, darf durchaus als Geheimtipp für Freunde fett produzierten, exotischen Todesstahls bezeichnet werden. Die bisweilen cineastischen Klanglandschaften in Kombination mit folkloristischen Einschüben verleihen dem Projekt der beiden involvierten Musiker Mardus und Busac ein hohes Maß an Wiedererkennungswert.

Mardus und Busac

 

 

Irak: MULLA/CYAXARES

Das Duo MULLA hat allein seit der Gründung im vergangenen Jahr zwei Langrillen und eine EP vorzuweisen. Die Veröffentlichungen lassen sich klar dem Raw Black Metal zuordnen, wobei die nahöstlichen Einflüsse nie gänzlich zwischen Blast-Beat-Gewitter und verzerrten Gitarrenwänden verloren gehen. Textlich wird oft der direkte Bezug zum Islam hergestellt, eine kritische Haltung gegenüber dem Glauben lässt sich jedoch genauso wenig ausmachen, wie eine bekehrende Verherrlichung dessen. Der arabischen Inhalte zum Trotz, ist die Herkunft der Band nicht unumstritten. Ausschlaggebende Faktoren hierfür sind die teils laienhaft übersetzten Texte, sowie sich widersprechende Aussagen seitens der Musiker.

Mulla – „مَوْلَى „

 

 

Wem die vagen Hintergrundinformationen zu MULLA dubios erscheinen, der findet in dem nachweislich irakischen Einmann-Projekt CYAXARES gebührenden Ersatz. Raw Black Metal sollte hier jedoch nicht erwartet werden, das musikalische Schaffen von Mir Shamal Hama-faraj schlägt eher in die selbe Kerbe wie NARJAHANAM und entwickelte sich nach dem Debüt „Whores Of Babylon“ zunehmend in Richtung Death Metal mit recht modernem Einschlag.

Cyaxares- „Shahnameh“

Mittlerer Osten

Mit der Bezeichnung „Mittlerer Osten“, vereinzelt auch Mittlerer Orient genannt, bezieht man sich im Deutschen auf die asiatischen Länder zwischen dem westlich dazu gelegenen Nahen Osten und dem Fernen Osten. Potenzielle linguistische Differenzen könnten im Austausch mit Personen englisch- und arabischsprachiger Abstammung auftreten, hier bezieht sich erstgenannte geographische Begrifflichkeit auf die Nationen des Nahen Ostens und umgekehrt. Die acht hier zugehörenden Länder bieten eine kleine, aber dennoch vielfältige Auswahl erwähnenswerter Bands aus dem Black-Metal-Sektor.

Iran: AKVAN (اكوان)

Das iranische Einmann-Projekt AKVAN wartet mit einer unverwechselbaren Mischung aus traditioneller Instrumentierung (zum Beispiel diversen Langhalslauten, wie Tar und Setar) und rauem Black Metal auf. Trotz einer Vielzahl vorangegangener Demos und Eps, schaffte es Mastermind Dominus Vizaresa erst zwei Jahre nach Projektbeginn im Untergrund mit dem Debütalbum „Forgotten Glory“ auf sein musikalisches Schaffen aufmerksam zu machen. Mit „Two Centuries Of Silence“ und der jüngst veröffentlichten EP „City Of Blood“ fand AKVAN schließlich auch bei dem ein oder anderen Label Gehör, sodass der physischen Erstauflage nichts mehr im Weg stand. Die Texte befassen sich mit iranischer Geschichte, persischer Mythologie und religiösen Themen. Die hier zum Teil aufkommende Begrifflichkeit „Arier“ bezieht sich ausnahmslos auf den historisch korrekten Kontext und bezeichnet dementsprechend die im Iran lebenden Menschen. Vizaresa spricht sich explizit gegen Rassismus und Nationalsozialismus aus.

Akvan – „City Of Blood“

 

 

Afghanistan: ALMACH

ALMACH ist eines von insgesamt drei aus Afghanistan stammenden Projekten mit direktem Bezug zur Metal-Szene. Die Musik wird rein instrumental dargeboten und baut auf atmosphärische Keyboard-Kulissen, wodurch das Klanggewand von ALMACH hin und wieder einer orientalischen Version von SUMMONING gleichkommt. Die beiden bisher veröffentlichten Alben „Battle Of Tours“ und „Dream Elegy“ bewegen sich auf einem qualitativ gleichbleibenden Niveau und dürften das Herz eines jeden Atmospheric-Black-Metal-Fanatikers höher schlagen lassen. Ähnlich wie bei MULLA, ist die Beweislage bezüglich der geographischen Einordnung von ALMACH nicht vollends geklärt. Grundsätzlich gibt es, abgesehen von der bisherigen Diskografie, kaum Informationen über die Band und es bleibt abzuwarten, ob zukünftig weitere Details ans Tageslicht treten werden.

Almach – „Dream Elegy“

 

 

Indien: LESATH

Indien weist eine relativ hohe Zahl an Metal-Bands auf. Jene, welche sich den Schwarzstahl auf die Fahnen geschrieben haben, bewegen sich zu großen Teilen allerdings noch auf Demo-Ebene. Eine überaus hörenswerte Langrille lieferte in diesem Jahr der in Neu-Delhi beheimatete Multiinstrumentalist Lesath mit seinem gleichnamigen Projekt ab. Mit diesem hat er sich ganz dem Atmospheric Black Metal verschrieben, doch auch postige Einflüsse lassen sich nicht von der Hand weisen. Hin und wieder mutet das aktuelle Album „Heavenless“ wie eine rohe, unpolierte Version des zumeist europäischen Blackgaze an. Die Kombination besagter Stilrichtungen dürfte primär bei Freunden des moderneren Black Metals Anklang finden, Puristen können nichtsdestotrotz dank der hier und da aufblitzenden aggressiven Passagen ebenfalls ein Ohr riskieren.

Lesath – „Sacred Ashes“

 

Quelle: Bandcamp, Metallum, Alnamrood Interview Noizr, Wikipedia
03.08.2021
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