Endseeker -
"The Harvest" Listening Session

Special

ENDSEEKER können es kaum erwarten. Das bereits vorab veröffentlichte Video sowie Cover-Artwork können nur eines bedeuten: Die Hamburger Death Metaler, die, um genauer zu sein, im schwedischen Death Metal ihre Wohlfühlzone gefunden haben, releasen am 13. September 2019 ihr neues Album. Der Name „The Harvest“. Die heutige Mission: Listening Session.

Während draußen noch gemütlich die Feierabendsonne vor sich her glimmt, geht es für uns hinab in den Keller. ENDSEEKER haben eingeladen und wir sind dem Ruf gefolgt, welcher die Treppenstufen hinabsteigend, aus den Chameleon Recording Studios in Hamburg schallt.

In gemütlich, lockerer Runde bekommen wir am 29.05.2019 also schon vorab eine exklusive Kostprobe von „The Harvest“. Die Stimmung könnte nicht besser sein, als uns die Jungs im Aufenthaltsraum des Studios begrüßen. Und so gibt es bei einer Willkommens-Kaltschorle die ersten Äußerungen zum neuen Album aufzufangen. ENDSEEKER sind vor einigen Stunden final mit der Platte fertig geworden. Freude über das neue „Baby“ deutlich erkennbar. Freude darüber, „The Harvest“ endlich auf die Menschen los zulassen.

Kurz darauf im Studio 3 sitzend, erläutern uns Jury Kowalczyk (Gitarre) und Lenny Osterhus (Gesang) einleitend wie spannend und gleichzeitig entspannt die Arbeiten am neuen Album waren. Die Band, die sich bereits seit vielen Jahren kennt, seit unzähligen  Jahren befreundet ist, sei im Prozess noch weiter zusammengewachsen. Im Verlauf der Listening Session übernehmen Jury und Lenny den Part der Geschichtenerzähler und erläutern allen Anwesenden die Story/Idee, sowie die musikalischen Hintergründe eines jeden Songs.

1. PARASITE

Mit dem Durchladegeräusch einer Waffe setzt der erste Song ein Ausrufezeichen. Setzt unvermittelt an zu einem gewaltig, rollenden Drumming. Stampfend und pumpend, gepaart mit düsteren Gitarrenriffs. Ein Gefühl durchdringender Beklemmung vermittelnd, wechselt der Gesang zwischen rotzigen und bis ins Mark gehende Growls. „Parasite“ fordert heraus. Lädt voll durch, bis alles in einem Drumminggewitter abrupt zum Ende kommt.

Die Inspiration zum Song stammt aus der Tierwelt. Genauer vom Tiefseeanglerfisch. Das Männchen dieser Gattung legt während des Geschlechtsaktes ein parasitäres Verhalten an den Tag. Vollständige Aufgabe seiner selbst nur für den Akt. Übertragen in die humanitäre Welt ist dieses vergleichbar mit dem Kampf gegen entweder ureigene „Parasitem“ im Kopf, denen man ausgesetzt wird, sich hingibt oder denen, die uns begegnen können.

2. PULSE

Ein Aufschrei. Tiefes, trolliges Growling. Der Pulsschlag setzt ein. Das jagende Drumplay puscht die Blutwallung nach oben. Die Bestie erwacht. Der sich im Song immer wiederholende Satz „Your Perfection“, fast wie ein Anker, an dem die Lyrics fest vertaut sind. Abgerundet wird das Ganze mit einem entspannteren Mittelteil, der mit rockigen Nuancen glänzt. Die Vocals leidend und eingängig zugleich. Die Message spannt einen Bogen zum ersten Album „Flesh Hammer Prophecy“, eine unbewusste, textliche Verbindung zum damaligen Titeltrack. Mit groovig-rockigen Elementen mausert sich „Pulse“ binnen kurzer Zeit zum Anspieltip.

Hier steht die Geschichte eines kreativen Kopfes, welcher eine tödliche Kreatur zur Zerstörung der Welt erschafft, im Vordergrund. Die Death Metal-Interpretation Frankensteins.

3. CURE

Der absolut rockigste Song des Samplers, bleibt im soliden Midtempo-Bereich positioniert. Mit einem erdigeren Sound aufgefüllt mit groovigeren Oldschoolfacetten spielen ENDSEEKER diesmal etwas abseits vom Wegesrand. Gitarrist Ben ist diesmal im Duett mit Sänger Lenny zuhören, welches im Zusammenspiel mit einem drückenden Gitarrenriffing und vereinzelten Sprechpassagen, die alles aufbrechen „Cure“ zu einem interessanten Track macht, der sicherlich wahre Tragweite durch mehrmaliges Hören entfaltet. Gutes Live-Potenzial.

„The Cure“ spielt thematisch mit den Gedanken der ausgelaugten Gesellschafft, der Überladung eines Menschen mit Reizen, Stress und Negativität. Spielt mit dem Gedanken einer Therapie durch Eigenfleischkonsum, vergleichbar mit der Eigenurintherapie. Eine fleischliche Selbstheilung, die die Menschheit wieder glücklich macht.

4. Spiritual Euphoria

Hier kommen wir in den Genuss bewegter Bilder. Das Video, zum Song, welches sich zum Zeitpunkt der Listening Session, noch in der Entstehungsphase befindet, und an dem nach Angaben der Band in den nächsten Tagen noch gearbeitet wird, reduziert sich auf thematisch auf die Darstellung des Bösen, der Sehnsucht nach dem Bösen und das damit einhergehende Wandeln durch die sprichwörtliche Hölle. Damit hätten wir den ultimativen klassischen Black Metal-Song des Albums ausfindig gemacht. Düster und eindringlich intoniert Sänger Lenny die Lyrics. Auf eine perfektionistisch durchdringende Art liefert diese Komposition Abwechslung mit horrorfilmartige Sequenzen, die zupacken und nicht loslassen. Eine musikalische Verkörperung des Bösen.

5. Whores Of  War

Der Song, startet mit einem langgezogenen Gitarrenintro. Wir bleiben im Midtempo und umhüllen bitterböse Texte mit groovigen, fast schon leichtfüßigen Melodien. Die hier verstärkt eingesetzten, cleanen Vocals bringen ein weiteres Kontrastmittel ins Spiel. Spaßmachende Melodik trifft auf abgrundtief fiese Lyrics. Gegensätze ziehen sich an und „Whores Of War“ entwickelt sich damit zum positiven Brecher.

Textlich versteift sich das Thema auf die heutige in den Vordergrund gerückte Wertigkeit von Ruhm, Reichtum und Macht ohne Rücksicht auf das Leben, die Gefühle, oder die Meinung anderer Lebewesen.

6. The Harvest

Die Sichel setzt an. Zack. Köpfe rollen. Der Titeltrack, übersetzt die Ernte, pflügt mit Drums im Nähmaschinenmodus und niederprasselndem Stakkato-Gesang alles nieder. Der Klang einer durchgezogen Sichel markiert hierbei kleine Breaks. Pause. Luft holen. Weiter. Chorale Shoutings pushen die bedrohliche Stimmung. Ein vertontes Katz-und Mausspiel mit brutalen Growls. Lyrisch ein direktes Treffen mit dem Tod. Denn egal wer, wie erntet, der Tod erntet am Ende des Tages am effektivsten. „The Harvest“  drückt das Pedal ordentlich durch, drückt die musikalische Sichel fest an die rhythmisch, pumpende Hauptschlagader.

Endseeker – The Harvest – Album Cover Artwork

7. Epitome Of Decadence

Schwere, massive Gitarrenwände bilden das Gerüst. Halten alles zusammen, was erneut mit perfider Durchdringlichkeit mit Kontrasten spielt. Der Gesang, der sich mit gespuckten Wortpassagen und verzweifelten Tönen alles aus dem Körper brüllt, bietet sich einen stetigen Schlagabtausch mit der Rhythmusfraktion. Die Gitarren, hier deutlich zum Kampf aufgelegt, bäumen sich immer wieder rotzig auf. Die Komposition liegt schwerer im Magen als seine Vorgänger. Ein Track, der die Dekadenz der Wohlstandsgesellschaft anprangert, ein Track der im gesamten sehr mächtig ausfällt. Dessen Verdauung Zeit beansprucht und diese auch bekommen sollte.

8. Immortalized

Es stampft, es pumpt. Ein treibender Grundbeat vermischt sich mit schwarzmetallischer Melodik, die immer wieder durch helle Gitarrentöne durchzogen wird. Verzweifelte Schreie, das Wort „Immortalized“ wiederholend. Fronter Lenny variiert in der Stimmlage zwischen abartig fiesen Growlings und Shoutingparts. Sich dem zu entziehen, fast unmöglich. Der Song, der in seinen Gedanken mit der menschlichen Unsterblichkeit spielt, spielt gleichzeitig Kettensäge und fräst alles nieder.

9. Vicious Devourer

Nochmal Anlauf und Gas. „Vicious Devourer“ hat Feuer im Arsch. Mit gewaltigen Drummings und einer gehörigen Portion melodischer Raffinesse einer der buntesten und gewagtesten Songs der Platte. ENDSEEKER holen zum finalen Rundumschlag aus. Bieten von choralen Shouts bis zu, sich böse, anschleichendes Gegrunze das gesamte Portfolio der Band an. Von Sekunde zu Sekunde baut sich der Song immer weiter und größer auf. Am Ende wird dem Ganzen leicht auslaufend die Luft genommen. Angenehme Tempodrosselung, bevor es mit einem finalen Aufschrei zu Ende geht.

Der Blick auf die heutige Konsumwelt, die Hand die einen stetig füttert kurz bevor diese Hand einen selbst auffrisst, „Vicious Devourer“ ist lyrisch sozialkritisch, musikalisch ein definitiv gut gewählter Abschluss.

10. Symphony Of Destruction (Bonus Track)

MEGADEATH meets ENDSEEKER. Die Hamburger haben sich diesmal bewusst gegen einen Coverversion eines Death Metal-Songs entschieden. Relativ schnell konnte sich auf MEGADEATH’s Klassiker „Symphony Of Destruction“ geeignet werden. Um den Solopart von Marty Friedman gerecht zu werden, bekam die Band tatkräftige Unterstützung aus dem Hause GRAVE durch Gitarrist Mika Lagrèn. ENDSEEKER setzen damit einem Meisterwerk ihren eigenen Stempel auf. Interessant anzuhören.

Endseeker – Photo Credit: Toni B.Gunner

 

ENDSEEKER: Es ist Erntezeit

„The Harvest“ gräbt sich thematisch unter der Nutzung naturwissenschaftlicher Beispiele durch die schlechten Seiten der Gesellschaft. Machtspiele, Konsumverhalten, Wohlstandsdramen. Spinnt den Gedanken, was der Mensch wohl noch in der Lage zu sein vermag, weiter und lässt über allem die ewig präsente Figur des Todes schweben. Damit ist der Nachfolger von „Flesh Hammer Prophecy“ sicherlich keine leichte Kost.

ENDSEEKER sind im Swedish Death Metal zu Hause und das bleiben sie auch mit diesem Release. Ihre Einflüsse klar erkennbar und dennoch nicht innerhalb dieses Musters gefangen. Sie erlauben sich weitaus mehr über die Grenzen zu treten. Zeigen sich dabei absolut abwechslungsreich. Fiese Walzen und eingängige Passagen: Mit einem guten Feingefühl für das Komposing und der nicht vorhandenen Angst auch mal etwas mehr Melodik und Groove durchsickern zu lassen, öffnen sich die Jungs einem weiteren Spektrum, ohne das es dabei krampfig oder aufgesetzt wirkt.

Brutales Fingerspitzengefühl

Der erste Hördurchlauf hinterlässt ein gutes Gefühl. „The Harvest“ hinterlässt ein gutes Gefühl. Auch wenn dieses angesichts der führenden Thematik auf der Platte etwas merkwürdig klingen mag. Dennoch, der Erstkontakt ist erfolgreich geglückt. Um alle Facetten, alle brutalen Seiten der Veröffentlichung greifen oder begreifen zu können braucht es allerdings Zeit und einige Durchläufe mehr. Man kann also auf „The Harvest“ sehr gespannt sein.

Quelle: Endseeker
01.07.2019

It`s all about the he said, she said bullshit.

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