Hit or Shit?
The Butcher Sisters – Das Weisse Album

Special

“Das Weiße Album” = Shit

Im Laufe des Lebens von Musikredakteur:innen gibt es Alben, die wünschte man nie gehört zu haben. Manche sind einfach nur so erschreckend belang- und lieblos, dass es lediglich schade um die investierte Zeit ist. Manche hingegen tun richtig weh, sodass die Spätfolgen noch Tage später für die eigenen, schmerzenden Ohren oder das geplagte soziale Umfeld, das diese Traumaerfahrung auffangen musste, spürbar sind. THE BUTCHER SISTERS, das sei ausdrücklich betont, sind “the worst of both worlds” und verdienen sich zusätzlich die zweifelhafte Adelung, das schlimmste Album veröffentlicht zu haben, dass ich persönlich in fünf Jahren Tätigkeit bei metal.de hören musste. Buchfuckingstäblich!

Warum sollten THE BUTCHER SISTERS unsere Zielgruppe sein?

“Da muss es doch schlimmere Platten gegeben haben”, werden sich jetzt einige denken. Und auch, wenn Dauer-Faves der Redaktion wie CREMATORY oder BILWIS die Messlatte erschreckend niedrig anlegten, ist dieses effekthascherische, vermutlich ausschließlich für die Gen-Z produzierte Häuflein musikalisches Elend ein einziger Berg akustischer Mist, der in jeder Hinsicht so sehr in unser Magazin gehört wie Rezepte für Wurstwasser-Cocktails zur Festivalsaison oder Homestories über die ONKELZ – also gar nicht. Die Band behauptet, Beatdown mit Deutschrap und Pop zu verbinden. Beatdown hätte ja durchaus eine Existenzberechtigung in unserem Magazin – die paar alibimäßig eingestreuten E-Gitarren machen aber nicht automatisch ein metal.de-relevantes Album aus, sonst würden wir ja auch Alben von PUR und Wolfgang Petry rezensieren.

Dabei sei kurz angemerkt, was sich im insgesamt sicher ein wenig anders anhört: Hier schreibt kein konservativer True-Metaller und der Autor dieser Zeilen hat auch kein prinzipielles Problem mit aktuellem Deutschrap, insofern er ohne Autotune auskommt und inhaltliche Relevanz hat. Das liefert ein gutes Stichwort, denn THE BUTCHER SISTERS operieren so ausgiebig mit Autotune, dass es manchmal gar an auditive Verbrecher wie GIGI D’AGOSTINO erinnert. Spätestens der inflationäre Gebrauch dieser Software macht “Das Weiße Album” nahezu unhörbar. Da nicht nur inhaltliche Relevanz fehlt, sondern die schlachtenden Schwestern eher das Gegenteil selbiger fabrizieren und dabei noch nicht mal witzig sind, lädt die Platte sogar zu richtigen Wutanfällen ein – platt glorifizierter Alkoholkonsum sollte im Jahre 2025 ein selbstauferlegtes No-Go sein.

Nur akzeptabel, wenn es die erste Musik überhaupt wäre …

Unterm Strich haben wir ein Album, das wenige Gitarren und fast gar kein echtes Schlagzeug enthält. Dazu ist fast jeder Vocal-Moment durch zig weitere Unkenntlichkeits- und Retuschier-Effekte gejagt und von außerordentlicher inhaltlicher Banalität geprägt. Zur gesamt-synthetischen Erscheinung und dem inhaltlichen Unfug passen auch die überflüssigen Features mit Klamauk-Nervensägen wie ALLIGATOAH oder EQUILIBRIUM. Sorry, aber das hier hat in allen Bereichen nicht mehr Niveau als Ballermann- und Apres-Ski-Musik. 1 Punkt für zwei okay performte, wenngleich nicht atemberaubende Gitarrensoli, die zeigen, dass irgendjemand aus der Truppe grundsätzlich zu mehr in der Lage ist, als den sonst zur Schau gestellten, primitiven Ein-Ton-Riffs aus der Nu-Metal- und Djent-Resterampe.

von Johannes Werner

“Das Weiße Album” = Naja, als Hit möchte ich es nun auch nicht nennen, aber Shit? Neeeee…

Auch knapp anderthalb Monate nach Veröffentlichung und einigen weiteren Hördurchgängen seit der eingehenden Prüfung des Werks im Januar-Soundcheck muss ich für mich feststellen: Also so schlecht, wie der geschätzte Johannes „Das Weiße Album“ bewertet hat, kann ich es nicht finden. Daher setze ich seinem jugendlichen Furor etwas Altersmilde entgegen – wobei ich dem hochgeschätzten Kollegen erstmal zustimmen muss:

Die musikalische Nähe des Dargebotenen zu einfachst-banalen Schlager- und Ballermann-Kompositionen tut bisweilen schon ziemlich weh. Und auch der hochstrapazierte Einsatz von elektronischen Spielereien geht arg an die Nervgrenze. Erschwerend kommt hinzu, dass der überaus gewöhnungsbedürftige Humor schon ziemlich genau treffen muss, damit „Das Weiße Album“ gefällt. Zündet dieser Humor nämlich nicht, so bleibt leider tatsächlich wenig musikalische Substanz zurück, die in die Bresche springen könnte – aber die wird zum Transport der „Botschaft“ vielleicht auch gar nicht benötigt. Hop oder Top ist also die Devise: Man kann Nudeln halt machen warm, man kann Nudeln machen kalt. Kenn‘ ich! Und ein paar Memes auch, bitteschön!

Also witzig ist „Das Weiße Album“ ja schon

Dass der chaotische, aber völlig authentische Humor von THE BUTCHER SISTERS viel mehr hergibt als der gezwungene Blödelhumor von J.B.O. oder der ewig kalauernde Witz eines Bülent Ceylan mag zudem rein subjektiv sein, aber genau das macht den Reiz der Platte aus: „Bauchtasche“ oder „Barsch“ bewegen sich schon so nah am South-Park-Humor, dass sogar einem lebenserfahrenen Metaller wie mir das Herz aufgeht und er sich wieder jung fühlen kann.  „Schmeiß‘ die Guppies durch den Club“? I got that reference. Und da ich auch eine Review zu MAMBO KURT oder den Joey-De-Maio-Spoken-Words bei metal.de unterstützen würde, liegt „Das Weiße Album“ gar nicht so abseitig.

Bei den beiden vorgenannten vermeintlichen Humor-Institutionen mit prominenten Festivalspielzeiten kann ich mich jedenfalls nicht erinnern, wann die das letzte Mal derart positive Reaktionen bei mir ausgelöst haben, da kam noch nicht mal ein Schmunzeln, eher Betroffenheit. Aber so ist das halt mit der Komik: Manche kannste packen, auch wenn es noch so stumpf ist, manche halt nicht. Und sogar THE BUTCHER SISTERS kalauern sich manchmal auch echt ins Abseits – höre (nicht): „Aperol“ oder das wirklich schmerzhafte „Drachentöter“-Duett mit EQUILIBRIUM.

Der Soundtrack für die besoffene Strandparty – das ist doch auch schonmal was

Das „Das weiße Album“ zu einem wahren Meisterwerk oder kommenden Klassiker zu verklären fällt mir somit auch nicht ein, eher mit einem kleinen Hit(chen) haben wir es zu tun. Letztlich wollen THE BUTCHER SISTERS eben doch nur spielen, reichlich albern und infantil, aber das liegt nun mal in der Natur der Sache – und auch Kollege Kleeman hat passend festgestellt: Live wird das wahrscheinlich ziemlich gut zünden, größere Festivalslots und Spielstätten zeichnen sich ab.

Wem also ELECTRIC CALLBOY zu glatt sind und HGICH.T zu elektronisch, der findet bei THE BUTCHER SISTERS einen unterhaltsamen Soundtrack für die Sommer-Sonne-Balkon-Party oder den lästigen Aufräum-Vorgang nach einer solchen Sause, Kicher-Garantie inklusive. Nicht mehr, aber auch nicht weniger – und damit immerhin eine verdiente Wertung im gesunden Mittelfeld. Trotzdem darauf jetzt erstmal eine Runde MANTAR, für das seelische Gleichgewicht.

von Sven Lattemann

03.03.2025
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