Rudra
Rudra

Interview

Metal aus Singapur? Ja, den gibt es. Zwar selten, aber es gibt ihn. Bestes Bespiel: RUDRA mit ihrem mittlerweile vierten Album "Brahmavidya: Primordial I". Und wie es ihre exotische Herkunft nahe legt, ballern einem die Südostasiaten nicht alleine lupenreinen Death/Black/Thrash um die Ohren, sondern garnieren ihr höchst aggressives Geprügel mit außergewöhnlichen Einflüssen aus dem Vedischen wie asiatischen Rhythmen, Mantras und fernöstlichen Gesängen und Percussion-Parts. Neugierig geworden? Dann lauscht den Worten von Sänger/Bassist Kathir.

RudraHey! Glückwunsch zu Eurem neuen Album. Wie sind die Reaktionen bisher?

Danke. Bisher sind sie sehr gut. Sogar besser, als wir erwartet hätten.

Was hattet Ihr für Erwartungen an „Brahmavidya: Primordial I“? Bekommt Ihr überhaupt größeres Feedback aus den USA oder Europa?

Wenn man auf einer so kleinen Insel wie Singapur feststeckt, ist das einzige, was man hofft, endlich diese geographische Benachteiligung hinter sich lassen und die eigene Musik einem größeren Publikum zugänglich machen zu können. Das war schon immer die größte Herausforderung für Bands aus unserer Ecke. Unsere neue Platte ist unser mittlerweile viertes Lebenszeichen. Wir treiben schon seit 14 Jahren unser Unwesen. Natürlich hoffen wir, daß es jetzt endlich besser läuft als mit den Vorgängern. Und bis jetzt tut es das. Die Reaktionen aus den USA sind äußerst viel versprechend. Und durch unseren verbesserten Vertrieb in Europa hoffen wir, daß viele Leute von „Brahmavidya: Primordial I“ Notiz nehmen werden.

Bitte erkläre doch mal den kryptischen Albumtitel.

„Brahmavidya“ ist ein Wort aus dem Sanskrit, das zusammen gesetzt wurde aus den Bestandteilen „Brahma“ und „Vidya“. „Brahma“ steht für das Unendliche, „Vidya“ für das Wissen. Es geht also um das Wissen über das Unendliche. „Primordial I“ bedeutet, daß das eigene Ich ursprünglich und ebenfalls unendlich ist. Viele Kritiker haben das „I“ fälschlicherweise für die Zahl 1 gehalten. Das Hauptthema der Platte ist also die Entdeckung des eigenen Ichs als etwas Unendliches.

Obwohl Eure Musik nicht viel mit Ägypten und seinen Mythen zu tun hat, erinnert sie mich manchmal an NILE. Sind sie einer Eurer Huapteinflüsse?

Nicht wirklich. Aber wir respektieren sie sehr dafür, daß sie sich mit der Kultur Ägyptens beschäftigen. Wir befassen uns aber mir der Kultur des vedischen Volkes und des Alten Indiens. Eine Gemeinsamkeit von NILE und uns ist jedoch, daß wir beide unser Debüt im Jahre 1998 veröffentlichten, mit dem Unterschied, daß NILE auf einem wesentlich größeren Label waren. Es wäre cool, wenn irgendwann mal RUDRA, NILE, ORPHANED LAND und MELECHESH zusammen touren könnten. Es scheint, als würden wir alle für dieselbe Idee stehen.

Neben MELECHECH hätte ich jetzt noch ältere GOD DETHRONED als einen Eurer Haupteinflüsse genannt. Ja oder nein?

Nein. GOD DETHRONED auf keinen Fall. MELECHESH mag ich zwar, würde sie aber nicht als maßgeblichen Einfluß bezeichnen. Da passen schon eher Bands wie SLAYER, DEATH, KREATOR, BATHORY, frühe SEPULTURA und viele klassisch-indische Musiker wie Ravi Shankar, L. Subramaniam und Jai Uttal.

Euren Bandname RUDRA habt Ihr von einem vedischen Gott entliehen, der quasi der Vorgänger der indischen Gottheit Shiva war und als Gott der Stürme galt. Warum habt Ihr gerade diesen Namen ausgewählt?

Rudra ist laut vedischer Texte der wilde, ungezügelte Part von Shiva. Und wir spielen extremen Metal gepaart mit vedischer Philosophie, was Rudra zum perfekten Name für eine Band wie uns macht. Rudra ist nicht nur der Gott der Stürme, sondern hat überdies hinaus noch viele weitere philosophische Aspekte und Bedeutungen.

In Eurer Musik tauchen viele Einflüsse aus dem Vedischen auf wie Sanskrit-Mantras, Gesänge und traditionelle, asiatische Percussion-Parts. Was könnt Ihr durch diese Elemente ausdrücken, was mit dem ordinären Death oder Thrash Metal nicht möglich ist?

Wir machen das, weil es noch niemand vor uns getan hat. Heutzutage sind die Definitionen des Death oder Thrash Metal in Stein gemeißelt. Traditionelle Instrumente sind jedoch in ihrem Klang sehr einzigartig im Vergleich zur Gitarre. Jene kann z.B. nie klingen wie ein Piano oder eine Flöte. Somit wäre unsere Kreativität limitiert gewesen, wenn wir auf diese traditionellen Elemente verzichtet hätten. Aber wir bringen eine neue Dimension in den Metal hinein. In den letzten Jahren sind seine Grenzen immer nur durch das Einbringen ungewöhnlicher Elemente gesprengt worden. Und hat der Metal dadurch seine Integrität verloren? Nein, hat er nicht.

Hier in Europa wissen wir leider nicht viel über die Metalszene in Eurer Heimat und Südostasien generell. Erzähl mal ein wenig.

Unsere Szene ist sehr aktiv, aber auch sehr klein. Es gibt in etwa 50 Bands auf unserer kleinen Insel, auf der ca. 4 Mio. Menschen wohnen. Die meisten dieser Formationen spielen Melodic Death oder Black Metal. Die südostasiatische Szene generell war vor zehn Jahren äußerst aktiv. Aber das Erstarken des fundamentalistischen Islam in dieser Region hat diesen Prozeß beendet. Diverse Regierungen haben begonnen, Metal-Bands auf ihre Schwarzen Listen zu setzen. Bei uns in Singapur, einem multikulturellen, nicht kirchlichen Land, haben wir jedoch weniger Probleme in diese Richtung.

Welche Bands sind die bekanntesten aus Eurer Region?

Es gibt IMPIETY und das war es auch schon.

Zurück zu den von Dir schon angesprochenen Problemen, die Metaller in Euren Breitengraden zuweilen haben. Im Januar gab es Schlagzeilen, daß ein Metalfan auf einem illegalen Black Metal-Konzert in Kuala Lumpur gefangen genommen worden ist. Ist es wirklich so schlimm, daß Metaller in Euren Breitengraden fast schon Staatsfeinde sind?

Unser Nachbar Malaysia ist entgegen Singapurs ein islamisches Land. Aus diesem Grunde stehen Metalkonzerte in diesem Land immer mehr unter Beschuß. Die Gründe für diese Festnahmen möchte ich jetzt hier nicht kommentieren. Manchmal ist es wirklich lächerlich. Wenn man das Übel, was der Metal der Welt angetan hat, gegen das Übel, was Religionen heraufbeschworen haben, aufwiegt, wird deutlich, daß einzig die Religion einen bösen Fluch für die Menschheit darstellt. Religionen, die Frieden und Harmonie proklamieren, bewirken das genaue Gegenteil. Und genau diese Fanatiker zeigen mit ihrem Finger auf Metalheads und werfen ihnen vor, böse zu sein. Wer zum Teufel möchte religiös sein, wenn sich die sogenannten Heiligen seit Anbeginn wie Tiere benehmen? Die Religion sieht den Metal einzig aus einem Grund als Gefahr an: Er erzieht zu selbstständigem Denken.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Wie bist Du eigentlich mit dem Metal in Berührung gekommen?

Das geht zurück in meine Schulzeit. Anfangs hörten wir Glam Metal-Bands wie MÖTLEY CRUE, GUNS N‘ ROSES und DEF LEPPARD. Doch eines Tages entdeckte ich SLAYER und DEATH. Ich entschied mich im nächsten Moment, eine Band wie DEATH, SLAYER, BATHORY, KREATOR und SEPULTURA zu gründen. Irgendwann wollten wir jedoch originell klingen und nicht einfach stur die Formationen, die uns inspirierten, kopieren. Das war die Geburt von RUDRA.

Ist es eigentlich schwer für Euch an Alben und Merch heranzukommen?

Nein, es gibt ein paar wenige Shops, die Dir jede Metal-CD besorgen können. Sogar europäische Undergroundveröffentlichungen stellen weniger ein Problem dar. Und falls mal alle Stricke reißen, gibt es immer noch ebay oder regionale Online-Shops wie demonzend.com, die uns die Suche erleichtern.

Von der Metalmusik zu leben, dürfte in Singapur aber unmöglich sein, oder?

Ja, das auf jeden Fall. Singapur ist sehr teuer, was es unmöglich macht, von der Musik alleine zu leben. Besonders dann, wenn man Underground Metal spielt. Jeder von uns hat einen Fulltime-Job. Ich bin Techniker in einem IT/Engineering-Unternehmen.

Wie oft kommen Bands zu Euch, um Konzerte zu geben?

Kürzlich waren MAYHEM da. In Indonesien und Malaysia dürfen sie nicht auftreten. Aber hier in Singapur ist es ihnen erlaubt, auf die Bühne zu gehen. Daneben waren auch schon DARK FUNERAL, METALLICA oder die SCORPIONS bei uns zu Gast.

Warst Du jemals in Europa oder den USA für einen eigenen Gig?

Bis jetzt noch nicht. Aber wir planen eine Tour an der US-Ostküste entlang. Es werden ca. 15 Dates werden.

Wie stehen die Chancen, Euch in der nahen Zukunft bei uns zu sehen?

Es kann schon sein, daß wir demnächst mal am Start sind. Wir würden gerne ein paar Festivals in Europa spielen. Wir warten nur noch auf Einladungen.

Was ist Dein größter, bis dato unerfüllter Musiktraum?

Die Möglichkeit zu haben, mit einem kompletten, indischen Klassikensemble eine Platte aufzunehmen, ohne daß der Metal seine Extremität einbüßt. Das wäre der Hammer!

Was bedeutet Dir der Metal?

Metal ist für mich eine seriöse Note im irdischen Leben. Er ermöglicht einem eine eigene Meinung und alternative Sichtweisen auf das Leben. Durch den Metal kann ich ausdrücken, was ich fühle und denke.

Vielen Dank für diese aufschlußreichen Worte.

Ebenfalls vielen Dank! Es ist uns eine Ehre, daß Ihr uns in Eurem Magazin ein wenig Platz überlaßt. Wir wissen das zu schätzen. Und ein großer Dank an alle unsere Fans, Ihr seid wahrlich unsterblich!

29.05.2006

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