Dark Fortress
"Ich kann nicht mehr!"

Interview

Trotz großer Trauer um den Verlust einer originellen und stilprägenden deutschen Black-Metal-Band freuten wir uns über die Gelegenheit, DARK FORTRESS ausführlich zu ihrem Abschied und den Gründen dafür auszufragen und schnappten uns auf der “The Cosmic End”-Tour Gitarrist, Produzent und Hauptsongwriter Victor “V. Santura” Bullok. Erfahrt alles, was uns der herzliche Bayer über die Auflösung, das Verhältnis zu gegenwärtigen und ehemaligen Mitgliedern und erwähnenswerten Episoden der DARK-FORTRESS-Geschichte zu sagen hat.

Zu Beginn möchte ich dich fragen, wie diese Tour, eure Abschieds-Tour, die schon ein paar Dates dauert [das Interview fand am drittletzten Tag der Tour statt – Anm. d. Red.], läuft: Sind schon Abschiedsgefühle im Spiel oder lasst ihr das erst mal beiseite und konzentriert euch auf die Konzerte?

Ich glaube, eher zweiteres. Ich weiß nicht, ob ich das jetzt während der Tour schon realisiert habe, dass es das letzte Mal ist. Eigentlich ist es emotional noch gar nicht bei mir angekommen. Die Tour läuft auch gut. Es hält sich die Waage zwischen “es ist geil” und “ich bin auch froh, wenn es vorbei ist”, weil ich zum Beispiel nicht so gut im Nightliner schlafen kann.

Um noch mal exakt auf deine Frage zurückzukommen: Die Tour läuft recht gut. Manchmal spielt man vielleicht in Clubs, wo man nicht ganz so glücklich ist mit der Situation, aber die letzten drei Shows waren zum Beispiel fantastisch. München hat das Potenzial, nochmal richtig geil zu werden. Wir spielen im Backstage, die Halle wird ausverkauft sein und hoffentlich ein würdiger Abschluss.

Zudem für euch gewissermaßen ein Heimspiel.

Ja, schon. Wir waren vor zwei Tagen noch in Rotterdam, was gewissermaßen auch ein Heimspiel ist, weil unser Sänger seit 1994 dort lebt, ebenso wie unser ehemaliger Schlagzeuger Seraph. Es ist ein komisches Gefühl, wenn er selbst im Publikum ist. Ich mache mit ihm Musik seit seinem vierzehnten Geburtstag – DAS war ein emotionaler Moment.

Für ihn bestimmt auch. Er sieht die Band spielen, der er 21 Jahre lang angehörte.

Er kommt auch noch mal nach München und wird dort einen Song mit uns spielen.

DARK FORTRESS: Organisations-Hölle

Die Nachricht eures Abschieds war für mich ein bisschen ambivalent, weil man einerseits gemerkt hat, dass es in den letzten Jahren …

… weniger wurde.

Wenn du es so sagst – ja. Ihr habt immer betont, wie schwierig es ist, die Band zu organisieren, weil ihr in drei verschiedenen Ländern wohnt. Mehrere Mitglieder von DARK FORTRESS sind Freelancer. Andererseits seid ihr eine der erfolgreichsten und bekanntesten Black-Metal-Bands aus Deutschland; alle Alben liefen recht gut; ihr hattet einen Deal bei einem Label mit einem großen Netzwerk – was waren denn die konkreten Gründe?

Wie du gerade angedeutet hast: Das Logistische und das Organisatorische wurden irgendwann immer schwieriger. Eine Band, die über halb Europa verteilt ist und auf internationalem Niveau tourt, ohne Management zu machen, ist nicht nachhaltig. Der ganze Organisationsstress ist meist an mir hängen geblieben und auch im Vorfeld dieser Tour musste ich teilweise etwas abkotzen.

Keine Lust mehr. Ich kann nicht mehr. Das hat nichts mit der Musik zu tun oder damit, dass wir uns nicht mehr verstehen würden. Ich liebe nach wie vor diese Songs und spiel die nach wie vor auch gern. Aufgrund der Distanz hat es einfach angefangen, auseinander zu bröckeln. Wir hatten lange ein stabiles Line-up. Abgesehen von unserem Sängerwechsel 2007/2008 war die Besetzung sehr stabil. Dann stieg unser Keyboarder [Paymon – Anm. d. Red.] aus und damit waren nur noch drei von uns übrig.

Als wir das letzte Album “Spectres From The Old World”, auf das ich immer noch sehr stolz bin, geschrieben haben, hatte ich ein ganz klares Bauchgefühl, dass es das letzte Mal ist, dass wir mit dieser Gruppe an Leuten an einem solchen Album arbeiten würden. So haben wir dann beschlossen, es ist vielleicht besser aufzuhören, solange man noch wirklich was zu sagen hat, statt aufzuhören, wenn es bergab geht. Wir wollten in Würde abtreten, während wir noch ‘ne richtig geile Band sind [lacht].

Zudem hatte ich jahrelang zu selten das Gefühl, beim Live-Spielen Spaß zu haben. Wenn du immer nur Einzelshows spielst, passiert in der Band teilweise ein halbes Jahr lang nichts und du musst wieder den Motor von vorn anschmeißen, kannst aber wegen der Logistik nur zwei Mal proben und musst auf die Bühne. Auf dieser Tour hingegen kann ich es genießen, weil wir gerade eine gut eingeölte Maschine sind. Bei meiner anderen Band TRIPTYKON hingegen haben wir zum Beispiel ein Management, das uns die Organisation abnimmt. Da kann ich einfach nur Musiker sein.

Wie ist das für euren anderen Gitarristen Asvargr als letztes verbliebenes Gründungsmitglied?

Auch sehr ambivalent, glaube ich. Er hat die Band gegründet, als er 16 war und sie war ein sehr großer Teil seines Lebens – wahrscheinlich müsstest du ihn selbst fragen.

Du hast gerade angesprochen, dass euer ehemaliger Drummer Seraph in München einen Song mit euch spielen wird. Wären noch Gastspiele anderer ehemaliger Mitglieder denkbar gewesen?

Es ist super schade, dass unser alter Keyboarder Paymon aus beruflichen Gründen verhindert ist. Aber deswegen hilft jetzt Linus Klausenitzer, den man eigentlich als Bass-Virtuosen kennt, am Keyboard aus. Unerwartet, aber er sitzt ja eh schon im Tourbus als Live-Bassist von THE SPIRIT [lacht]. Zudem sind wir seit 2004 zusammen in NONEUCLID, er hat es angeboten und es ist sehr cool, dass er das macht.

Ebenso ist es großartig, mit Hannes Grossmann, mit dem ich ja schon bei TRIPTYKON spiele, zusammen bei DARK FORTRESS zu spielen. Und mit Michael Zech hilft am Bass ein Musiker aus, mit dem ich schon viele gemeinsame Produktionen gemacht habe. Das Line-up, was wir gerade haben, ist super geil.

Alle Session-Musiker waren jetzt keine riesige Überraschung, weil sie schon mal mit irgendjemandem von euch in einer anderen Band zusammen gespielt haben.

Genau. Wenn man jemanden braucht, fragt man halt Freunde. Deswegen fühlt es sich auch jetzt noch wie eine richtige Band an.

DARK FORTRESS: A Band of Brothers

Du hast es gerade schon angesprochen: An dir blieb nicht nur die Organisation hängen, sondern auch das meiste Songwriting und die Produktionen hast du … [Victor unterbricht mich, leitet dann aber von selbst in meine eigentliche Frage über]

Naja gut, das Songwriting habe ich nicht so als Belastung emfpunden. Ich bin ja auch kein Gründungsmitglied. Ein Album, “Tales From Eternal Dusk” ist noch ohne unsere Beteiligung entstanden. Danach sind erst Seraph, unser Bassist Draug und ich dazugestoßen. Auf “Profane Genocidal Creations” war ich noch nicht Hauptsongwriter, das ging erst mit “Stab Wounds” los. Aber Asvargr hat zum Beispiel auch immer Songs beigesteuert, ebenso hatten Seraph und unser zweiter Sänger Morean Ideen. Das Produzieren habe ich ebenfalls nicht als Belastung empfunden, denn es gab ja auch einen Grund dafür, dass das mein Berufswunsch war. So konnte ich dafür sorgen, dass die Platten so klingen, wie wir das wollten. Aber ich habe halt einfach keinen Bock auf Business [lacht].

Man hat euch aber in erster Linie als Band aus Freunden wahrgenommen …

[Energisch] Ja, ja!

… deswegen war es vermutlich nie eine Option, ein Mitglied gleich zu ersetzen, nur weil es beispielsweise in die Niederlande gezogen ist.

Genau so ist es. Wir hätten vielleicht erfolgreicher sein können, wenn wir in so einem Fall Bandmitglieder ersetzt hätten. Das wollten wir aber nicht tun. Wir haben uns gegenüber eine gewisse Loyalität. Wir haben früh angefangen, das zusammen machen und wollten als Gruppe zusammen bleiben.

Gemessen an den Sängern, kann man die Bandgeschichte in zwei Kapitel unterteilen. Die Phase mit Azathoth bis 2007, die vier Alben abwarf und mit Morean, die ebenfalls vier Alben produzierte. Was hat sich deiner Meinung nach damals am meisten mit Moreans Einstieg verändert?

Rein vom instrumentalen Songwriting her hatte es keinen wahnsinnig großen Effekt. Natürlich ist ein Sänger das Gesicht der Band. Azathoth war ein fantastischer Sänger, ein guter Frontman, er hat tolle Texte geschrieben, vor allem auf “Séance” gefallen sie mir sehr gut – aber es war zwischenmenschlich schwieriger. Es gab Reibereien, die letztlich dazu geführt haben, dass wir uns getrennt haben. Als er raus war, haben wir bestimmt zehn Jahre nicht miteinander geredet, aber mittlerweile haben wir unseren Frieden geschlossen und das ist auch gut so.

Morean kenne ich tatsächlich schon, seit ich neun Jahre alt und er ein Teeanager war. Er war ein Freund meiner älteren Schwester. Er ist einer meiner besten Freunde und ein wahnsinnig guter Musiker. Es ist sehr, sehr geil, mit ihm zusammenzuarbeiten. Er ist ja eigentlich klassischer Komponist und ein super Gitarrist und hat ein ganz eigenes Musikverständnis. Auch als Persönlichkeit ist er eher ein Gitarrist als ein Lead-Sänger [lacht]. Ein Super-Frontmann mit einer tollen Ausstrahlung, der ebenfalls fantastische Texte schreibt.

Dadurch, dass Morean auch auf Azathoths großartigem GRÀB-Album mitwirkte, hatte ich eh angenommen, dass sich die Wogen etwas geglättet hätten.

Ja, genau. Das fand ich übrigens auch sehr cool.

Ihr wart nun insgesamt 29 Jahre aktiv. Ich weiß, die Frage ist ein bisschen platt, aber welche denkwürdigen Highlights und Anekdoten fallen dir dazu spontan ein?

Puh …! Also ein erstes Highlight war natürlich unser erster Plattenvertrag. Unser Drummer war noch am Gymnasium, ich war gerade raus. Wir haben uns mit Champagner, Kaviar und Lachs auf die Bühne der Aula gesetzt und das entsprechend zelebriert. Keiner hat was gesagt [lacht]. Total überzogen, aber witzig.

„Wir haben unseren Plattenvertrag mit Champagner, Kaviar und Lachs in der Schulaula zelebriert.“

Auch unser Vertrag mit Century Media war ein Meilenstein. Bei der Show gestern waren Philipp und Melanie von Century Media da, Melanie war dort von Beginn unsere A&R. Ohne Philipp, der jetzt dort quasi Chef ist, wären wir nie bei Century Media gelandet. Denn eine denkwürdige Anekdote ist auch, wie wir von Black Attakk, einem Label, das zurecht nicht den besten Ruf hat, weggekommen sind. Sorry, Karsten, wenn du das liest. Wir sind aus dem Vertrag rausgekommen, weil er die Optionsverlängerung eine Woche zu spät gezogen hatte. Er war Century Media noch wochenlang eine Unterschrift schuldig, bis unser alter Sänger und ich zu seinem Büro gefahren sind. Wir haben es jedenfalls geschafft, die Unterschrift zu bekommen, sonst wäre alles anders gekommen.

Die Tour, die wir 2009 mit SATYRICON und SHINING gemacht haben, war sehr intensiv. Mit SHINING haben wir uns sehr gut verstanden, muss man vielleicht auch, wenn man Support von SATYRICON ist. Wobei unser Keyboarder dann später auch bei SATYRICON gelandet ist.

Gibt es etwas, das ihr mit DARK FORTRESS gern noch erlebt hättet?

Ja, eine US-Tour hätte ich gerne noch gespielt. Wenigstens haben wir beim California Deathfest und dem Maryland Deathfest 2022 doch noch in den Staaten gespielt. Ich finde es ebenso tragisch, dass wir nie in Lateinamerika gespielt haben. Ich bin mir sicher, dass es da super funktioniert hätte. Wir haben laut Statistik die meisten Follower in Mexico City. Das ist wirklich schade.

Manches bereue ich. Als wir bei Century Media unterschrieben haben, kamen viele geile Anfragen rein, die wir ausschlagen mussten. Wenn du immer nur absagst, kommt dann irgendwann auch nichts mehr rein. Ich bin immer noch der Meinung, mit der Band und mit den Songs wäre mehr drin gewesen. Ich bin aber auch dankbar, dass ich mit TRIPTYKON inzwischen auf dem Level Musik machen kann, das ich mir immer erträumt habe.

Meine letzte Frage wäre: Könntest du dir, in welcher Konstellation auch immer, vorstellen, mit einem der anderen nochmal gemeinsam Musik zu machen?

Es wäre extrem schade, wenn ich nie wieder etwas mit Morean machen könnte. Auch mit Seraph könnte ich mir das vorstellen. Mit Hannes spiele ich ja sowieso bei TRIPTYKON zusammen. Mit unserem langjährigen Bassisten Draug bin ich noch sehr gut befreundet, aber ich glaube, der ist ausgestiegen, weil er einfach nicht mehr in einer Band sein will. Aber es wäre schon … ein bisschen komisch, wenn ich nie wieder etwas mit Morean gemeinsam machen würde [lacht].

Vielen Dank!

Quelle: V. Santura
12.06.2023

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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