Mayhem
Punks Not Dead

Interview

Unlängst haben die Fahnenträger des norwegischen Black Metal von MAYHEM mit “Atavistic Black Disorder / Kommando” ein Lebenszeichen in Form einer EP gegeben, die mit Coverversionen diverser Punk-Songs gespickt ist. Alleine das wäre Grund genug gewesen, mit Sänger Attila Csihar über die Auswahl der Tracks zu plaudern. Nebenbei ist mit “Daemon” ein Post-Pandemie-Album auf dem Markt, das immer noch brandaktuell ist, aber dennoch kaum öffentlich aufgeführt werden konnte.

Während im Hintergrund Kinder lachten, konnte man während des Telefongesprächs mit Attila Csihar durchaus den Eindruck gewinnen, er verbrächte gerade einen gemütlichen Nachmittag auf einem Spielplatz mit den Familie. Aber auch sonst stellte sich der Mann aus Ungarn als offener, sympathischer und unerwartet bescheidener Gesprächspartner heraus.

Hallo Attila, wie geht´s Dir?

Gut, danke. Ich bin gerade aus Norwegen nach Ungarn zurückgekehrt und musste ein paar Tage in Quarantäne verbringen. Aber so ist das aktuell ja fast überall.

Lass uns über die neue MAYHEM-EP sprechen… Wieso habt Ihr sie ausgerechnet jetzt veröffentlicht? Kann sie als Überbrückung zwischen dem letzten und dem nächsten Album verstanden werden oder steht sie für sich?

Also geplant war die EP jedenfalls nicht. Eigentlich wollten wir auf Tour gehen (lacht). Aber wir hatten halt das Material und wollten den Fans wenigstens irgendetwas präsentieren. Drei Songs stammen noch von den Sessions zu “Daemon”. Die Punksongs haben wir gecovert, weil wir noch freie Studiozeit hatten, was ich cool finde.

Du bist bekanntlich in der Punk-Szene aufgewachsen. War es also Deine Idee, diese Songs aufzunehmen?

Das stimmt zwar, aber ehrlich gesagt war ich nicht einmal vor Ort, als die Aufnahmen entstanden. Also stammt die Idee auch nicht von mir. Es ist ja nicht wie früher, als man sich für eine Session in ein und demselben Studio aufgehalten hat. Die Aufnahmen haben sich über mehrere Etappen an unterschiedlichen Orten erstreckt. Und als die Drums aufgenommen wurden, war ich nicht dabei. Aber ich denke die Jungs hatten ein paar Drinks (lacht) und dachten wohl, es sei eine gute Idee ein paar Extra-Tracks aufzunehmen. Natürlich war ich ein bisschen irritiert, weil mich niemand anrief (lacht)… Aber das coole ist, dass alle Songs von Bands stammen, die wir alle lieben.

Welche musikalischen Einflüsse außer Metal und Punk habt Ihr denn noch?

Ich glaube, wir haben alle unsere eigenen Einflüsse, wenngleich Metal oder Extreme Metal natürlich die Basis ist. Punk war für mich sehr wichtig als ich ein Jugendlicher war. Angefangen hatte es mit Heavy Metal, später interessierte ich mich für extremere Sachen. Ich entdeckte dann Bands wie SLAYER oder deutschen Thrash von DESTRUCTION und SODOM oder auch CELTIC FROST und BATHORY… Andererseits kannte ich  viele Leute aus verschiedenen Szenen und kam dadurch zum Hardcore-Punk oder zu elektrischen Sachen wie Industrial. Aber auch experimentelles Zeug und Psychobilly hatte haben mich beeinflusst. Ich mag auch folkloristische Musik, zum Beispiel aus Indien mit Tablas. Das ist schon viel. Aber ich schätze, ich wurde weniger von Blues und Jazz beeinflusst. Wenn Du mich fragst, welchen Blues ich gerne höre, würde ich sagen: AC/DC (lacht). Natürlich liebe ich MUDDY WATERS und all diese Sachen, klar. Aber irgendwie ist das an mir vorbeigezogen.

Wie Du schon erwähnt hast, stammen die drei Original-Songs von den Aufnahmen zum aktuellen Studioalbum “Daemon”. Für mich klingen sie sehr aktuell und modern…

Cool!

…Ist das die Marschrichtung für die kommenden MAYHEM-Alben?

Puh… Alles ist möglich. Ich meine, wenn man sich die MAYHEM-Diskografie ansieht, gab es ja immer sehr unterschiedliche Konzepte. Mal sehen, sobald wir mit den Aufnahmen beginnen, kommen wir der Antwort auf diese Frage näher (lacht). Allerdings hatten wir auch schon neue Ideen, die sind während der Pandemie allerdings leider wieder verschwunden. Aber ich hoffe, dass sie zurückkommen. Andererseits haben wir mit “Daemon” immer noch ein neues Album auf dem Markt, nur konnten wir es noch gar nicht richtig promoten.

Was hälst Du davon, dass Maniac und Messiah (Ehemalige Sänger der Band, Anm. d. Red.) Gastauftritte auf  “Atavistic Black Disorder / Kommando” hatten?

Ich finde es großartig. Beide sind Freunde von mir. Zwar sehen wir uns nicht allzu oft, aber wenn das passiert, dann ist es immer ein cooles und respektvolles Miteinander. Die beiden Jungs sind großartige Sänger und haben einen tollen Job gemacht. Maniac hat mich mit seiner Version von “In Defense Of Our Future” förmlich weggeblasen. Das hätte ich niemals besser hinbekommen. Ich bin mit Jello Biafra befreundet und er hatte einen starken Einfluss als ich jung war. Das erste Mal traf ich ihn während der ersten MAYHEM-Tour durch die Staaten in San Francisco. Seitdem sind wir immer in Kontakt geblieben. Ich war so happy, dass wir einen DEAD-KENNEDYS-Song coverten und Maniac hat ihn einfach auf den Punkt gebracht. Und Billy (Messiah, Anm. d. Red.)… Ich finde seine Stimme passt ziemlich gut auf dieses RAMONES-Lied ( “Commando”). Ich muss sagen, die Songs sind sogar besser geworden, als ich erwartet hatte.

Nachdem Euch das Covern offensichtlich Spaß macht… Wird es künftig mehr davon aus dem Hause MAYHEM geben? Oder gar eine weitere EP mit Cover-Songs?

Ich bin mir nicht mehr sicher… Aber ich glaube wir haben noch ein paar Stücke von BATHORY und MORBID aufgenommen. Vielleicht veröffentlichen wir das irgendwann mal… Ich hätte schon Lust, zumal die Leute sowas ja auch mögen. Während der Pandemie war mir so langweilig, dass ich mittels Homerecording eine Menge Covers aufgenommen habe.

Werden es einige der Songs auch auf die Setlist schaffen oder sind sie nicht für den Live-Betrieb gedacht?

Doch, wir wollen das schon live spielen. Aber wir konnten halt einfach nicht proben. Ich war jetzt ungefähr zehn Tage in Norwegen, aber aufgrund der Quarantäneregelung hatten wir kaum die Möglichkeit neue Songs zu üben. Aber ich möchte auf jeden Fall wenigstens eins der Cover-Stücke auch live spielen. Vielleicht können wir auch durchwechseln. Vorausgesetzt, es wird jemals wieder eine Tour geben. Wir haben für nächstes Jahr eine Menge Live-Dates geplant und ich hoffe es kommt nicht der nächste Bullshit auf uns zu…

Ihr hattet kaum die Möglichkeit “Daemon” zu promoten, weil gerade mal ein paar Konzerte der Europa-Tour stattfinden konnten, bevor Corona kam. Wie fühlt sich das an?

Ja, wir waren in Europa und ein bisschen in der Türkei, Israel und Russland. Als wir dann in den USA angekommen waren und die Generalproben für die anstehende Tour in einem Club in Chicago hinter uns gebracht hatten, wurden alle Termine abgesagt. Das war schon komisch, denn wir hatten alles dabei, von der Technik bis hin zum Merchandise. Für uns war das natürlich schlimm, denn wir hatten gerade erst angefangen mit “Daemon” im Gepäck zu touren. Alle Festivals und Termine in Südamerika, Japan und Australien mussten wir dann leider auch streichen. Einerseits ist es schon okay, wenn man in Europa und Nordamerika touren kann, aber es gibt eben so viele Menschen in anderen Ländern oder auf anderen Kontinenten, die auch wichtig für uns sind. Es kommt halt darauf an, ob es Fortschritte bei den Impfungen gibt, denn ich hoffe immer noch, dass wir die ausgefallenen Termine dort nachholen können.

Dann ist da noch die Tatsache, dass “Daemon” zwar noch neu und frisch ist, sich aber überhaupt nicht mehr so anfühlt. Wir wissen immer noch nicht, wie die Leute darauf reagieren werden und das ist ziemlich unangenehm.

Habt Ihr in diesem Zusammenhang nie darüber nachgedacht, ein Streaming-Konzert anzubieten? Immerhin hätten viele Menschen auf der ganzen Welt damit die Chance, die neuen Songs live zu erleben…

Nee… Ich glaube einfach nicht, dass dieses Format zu dieser Musik passt. Dafür muss man sich eigentlich nachmittags schon mit seinen Freunden treffen, ein paar Drinks nehmen und sich einfach auf die Vibes einlassen und den vollen Sound haben. Dann verbringt man einen halben Tag damit, mit diesem Live-Erlebnis… Verglichen damit, sitzt man während einem Streaming-Gig eingesperrt mit seinem Bier in der Hand vor dem Fernseher. Für andere Genres wie Elektro- und DJ-Zeug mag das Format gut passen und ich habe mit meinen Solo-Sachen auch eine Online-Show gespielt. Aber mit MAYHEM kann ich mir das einfach nicht vorstellen.

Den Flow und die Interaktion zwischen der Band und dem Publikum bekommt man auf dem Smartphone einfach nicht hin. Wie auch immer…

Was hast Du in letzter Zeit sonst noch so getrieben?

Wir haben für die Berliner Volksbühne eine Art Ritual aufgeführt, das in einem Krematorium während des letzten Jahrhunderts spielt. Ansonsten habe ich an neuem TORMENTOR-Material gearbeitet und einfach versucht weiterzumachen.

Die letzten Worte gehören Dir. Was möchtest Du der Welt noch sagen?

Ich hoffe, dass alle da draußen durchhalten. Und das wir uns bald auf Tour wiedersehen.

26.07.2021

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