Mantar
Das Schlimmste kommt noch

Interview

Vollkommen überraschend kündigten MANTAR im Mai ein Coveralbum an. Knapp einen Monat später ist das gute Stück namens „Grungetown Hooligans II“ auch schon da. Darauf frönen Frontmann Hanno Klänhardt und Schlagzeuger Erinc Sakarya ihren frühesten musikalischen Einflüssen. Das heißt vor allem: Jede Menge Grunge und Alternative Rock aus den 90ern. Klänhardt berichtet wie immer gut gelaunt von den Arbeiten an der Platte, der neuen Arbeitsweise der Band und die Zukunfftsaussichten von MANTAR.

Hey Hanno, hoffe bei dir ist alles in bester Ordnung. Die Ankündigung von „Grungetown Hooligans II“ kam ziemlich überraschend. Wie zur Hölle seid ihr denn auf diesen aberwitzigen Titel gekommen?

Hanno: Alles ok soweit. Ich meine, soweit es in Zeiten wie diesen eben ok sein kann. Ansonsten schwer beschäftigt wie immer. Da wir absolute Profis sind, haben wir Version eins ausversehen beim Recorden gelöscht. Deshalb die zwei. Außerdem passte die zwei zum ansonsten auch sehr beschissenem Arbeitstitel, den wir dann offensichtlich, aus Ermangelung an Alternativen, beibehalten haben.

Ich freue mich, dass wir als Band ein Standing erreicht haben, bei dem wir mit sowas durchkommen. Erwartet also nur noch das Schlimmste von uns. Aber im Ernst, wir haben lange überlegt, aber irgendwie war es albern, sich für ein Coveralbum voll die Platte zu machen, wie man das denn nun besonders geil nennen könnte. Sind ja nicht mal unsere eigenen Songs. Mittlerweile finde ich den Titel ziemlich geil und ich denke, die Zeit wird uns recht geben, haha.

Und wie ist das ziemlich trashige Artwork entstanden? Das steht in seiner Ästhetik ja schon im starken Kontrast zu euren vorherigen Platten.

Hanno: Ja, macht ja auch Sinn, denn die Platte klingt ja nicht wirklich wie unser eigenes Material. Das Bild zeigt ’nen Kumpel von mir mit Hassi und ’ner Wumme vor ’nem Assi-Hochhaus bei uns in Bremen. Erklärt sich doch von selbst, oder?

Ich fand das Bild einfach so geil und wollte es immer schon mal verwenden. Habe es vor zehn Jahren selber mit einer Wegwerfanalogkamera geschossen, die ich dann für Wochen auf die Heizung gelegt hatte, damit das Material noch asozialer wird und die Quali deutlich abnimmt. Paar Jahre später habe ich dann die Filme wiedergefunden und entwickelt. Die ganze Bilderserie ist geil. Irgendwann mache ich damit eine Ausstellung, um mich auch neben der Musik wichtig zu machen. Ich bin sehr stolz auf das Bild.

MANTAR machen es nur einmal

Können wir in Zukunft mit einem nachgereichten ersten oder einem dritten Teil von „Grungetown Hooligans“ rechnen? Oder war das eine einmalige Sache?

Hanno: Diese Bands und diese Epoche werden wir sicher nicht noch einmal anfassen. Wir haben dazu alles gesagt und sind sehr zufrieden. Ob wir aber noch anderen für uns einflussreichen Musikrichtungen Tribut zollen, steht in den Sternen. Mal sehen. Spaß hat es auch jeden Fall gemacht. Da weiß man wenigstens schon vorher, dass die Songs geil sind, haha. Aber wir haben auch Bock auf unser eigenes neues Material, an dem ich bereits etwas feile.

Wie schwer ist euch denn die Songauswahl für die Cover gefallen? Gab es viele Diskussion zwischen dir und Erinc?

Hanno: Wir haben jeder Vorschläge gemacht und dann haben wir uns gemeinsam daran ausprobiert. Um genau zu sein, war Erinc es, der diese Art von Musik überhaupt erst in mein Leben gebracht hat. Ich kannte als Teenager nicht eine einzige von diesen Bands, bevor ich mit Erinc rumhing. Aber natürlich haben wir über die Jahre jeder individuellen Geschmack entwickelt und somit unterschiedliche Bands vorgeschlagen. Dann wurden die Songs probiert und die besten wurden dann aufgenommen. Manches klappe gut, manches weniger gut. Das merkt man wie immer erst bei ausprobieren.

Ein Guter Coversong muss ja nicht nur vom Prinzip her geil sein, sondern muss ja auch Spielraum bieten, den Song selber neu zu interpretieren. Nichts ist langweiliger als anderer Bands Songs einfach nachzuspielen. Das war nicht unser Ziel. Wenn man sich die Originale anhört, stellt man fest, dass wir die teilweise schon sehr durch den MANTAR-Schredder gedreht haben, jedoch nie den Respekt vor dem Künstler oder den Kern der Songs verloren haben. Darum sollte es gehen finde ich. Eigentlich sollten es auch nur vier Songs werden, aber als wir erst mal dabei waren, flutschte es recht gut.

L7 sind als einzige Band mit gleich zwei Songs vertreten, „The Bomb“ und „Can I Run“. Was macht diese Band so besonders für euch, dass ein Track nicht genug war?

Hanno: L7 waren eine der ersten rein weiblichen Bands, die ich kennenlernte und haben mich enorm beeindruckt. Die Power, die Aggression. Auch die Stimmen, ebenfalls von vielen andere female fronted Bands, fand ich immer geil. Einfach weil teilweise noch extremer. Und bei L7 ist es eben so, dass ich als mich als Teenager ganz besonders in diese Band verliebt hatte und ich mit 16 bestimmt ein Jahr lang nichts anderes anhörte als jeden Tag nur „Hungry For Stink“. Unglaubliche Platte. Völlig abgefuckt.

Jedenfalls viel es uns somit schwer uns nur für einen Song zu entscheiden, von einer Band, die so viele Hits hat. Zumal ja auch beim Aufnehmen nie klar ist, ob das Endergebnis so wird, wie erhofft. Und um sicher zu gehen, dass wir nachher auf jeden Fall mit mindestens einem Song von L7 dastehen, haben wir halt lieber direkt zwei aufgenommen.

Wie war denn eure Herangehensweise bei den Arrangements der einzelnen Stücke? Als Duo seid ihr musikalisch ja doch etwas limitierter als die Bands, die ihr covert.

Hanno: Das war schon ein wichtiger Punkt: Zu Verstehen, was wir überhaupt mit Bordmitteln umsetzen konnten. Allerdings waren wir diesmal etwas entspannter als bei unserem eigenen Material. Wir haben da natürlich beide ein gutes Ohr für, zu sehen, was wir umsetzen können und was nicht. Somit konzentrieren wir uns natürlich vor allem auf Songs, die eine eher einfache Struktur und Kernriffs haben. So funktionieren MANTAR selber ja auch. Und ich denke, das tut den meisten Bands gut.

MANTAR wagen Neues

Beim Hören hatte ich das Gefühl, dass ihr deutlich mehr Overdubs als auf euren bisherigen Alben eingesetzt habt. Wäre das in Zukunft auch für neue MANTAR-Songs vorstellbar?

Hanno: Ja, um ehrlich zu sein, hat mir das Spaß gemacht. Ich habe den Großteil des Album bei mir zu Hause im Wohnzimmer aufgenommen und das Herumprobieren und das Experimentieren im Studio, quasi das Produzieren macht mir eigentlich am meisten Spaß am Musikmachen. Natürlich gibt es gewisse Grenzen, da wir ja nur zu Zweit sind. Allerdings verspüre ich nicht mehr so sehr wie früher den Druck, den Leuten beweisen zu müssen, dass wir auf der Bühne mindestens so krass anbieten wie auf Platte.

Es wird nach wie vor kein Bass eingesetzt, aber ein paar mehr Spielereien haben wir uns diesmal schon erlaubt. Allein das Gitarrensolo bei „Can I Run“ gehört zu meinen Lieblingsmomenten der Platte. Episch. Mehr 90er geht eigentlich nicht. Ich glaube, ich möchte mich etwas davon lösen, mich im Studio zu hart zu limitieren.

Wir haben drei gute Platten gemacht, ich glaube die Leute wissen, dass wir uns live nicht zu verstecken brauchen. Den Gedanken, dass man Stücke im Studio und Live unterschiedlich umsetzt, finde ich darüber hinaus ebenfalls spannend. Man wird sehen. Ganz egal wie man es macht, eine gute Produktion sollte immer geschmackvoll bleiben und nie überladen.

Mit Ausnahme der Drums hast du „Grungetown Hooligans II“ komplett bei dir zu Hause aufgenommen. Was sind aus deiner Sicht die Vor- und Nachteile dieser Arbeitsweise? Habt ihr im Vorfeld überlegt, alles im Studio aufzunehmen?

Hanno: Nein. Ich wollte diese Produktion gezielt als Testballon nutzen, um zu sehen, wie gut ich komplett in Eigenregie produzieren kann und bin mit dem Ergebnis wirklich mehr als zufrieden. Ich finde wirklich, dass die Platte fantastisch klingt. Der Gitarrensound ist meiner Meinung nach der Beste, den wir je hatten. Ich bin da aber auch ziemlich nerdig. Ich baue meine eigenen Gitarrenboxen, habe unzählige Amps, Mikrofon und probiere halt auch viel rum.

Für mich bietet diese Arbeitsweise nur Vorteile, weil sie mir eben am meisten Spaß macht und ich so die besten Ergebnisse erziele. Was natürlich in keinster Weise heißen soll, dass ich unsere anderen Platten vom Sound her nicht genauso geil finde. Jede hat halt einen eigenen Charakter und das ist auch wichtig. ich glaube aber, das ich vorerst nur noch so produzieren werde. So habe ich auch angefangen. Alles schön punkig, mit ’nem Vier-Spur Recorder im Kinderzimmer. Fühlte sich teilweise ähnlich an. Ich habe das sehr vermisst.

Werden die Songs von „Grungetown Hooligans II“ zukünftig auch den Weg in euer Liveset finden?

Hanno: Ich weiß nicht. Wir haben die Coverplatte schon sehr projektbezogen betrachtet und ich weiß nicht, ob wir deshalb die Songs zwangsläufig auch live spielen müssen. Das sind für mich zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Ich mach mir da keinen Stress.

Die Platte erscheint über euer frisch gegründetes Label Mantarecordings. Wie kam es dazu? Wart ihr bei Nuclear Blast unzufrieden?

Hanno: Das hatte mit Nuclear Blast nichts zu tun. Wir waren nicht unzufrieden mit ihnen, sie haben für die letzten beiden Platten sehr gute Arbeit geleistet. Es ist vielmehr so, dass unser Vertrag auslief und wir einfach noch nicht so genau wissen, wohin unsere Reise geht, somit dachten wir das eine VÖ wie die Coverplatte, die ja in erster Linie ein Liebhaberprojekt für Erinc und mich ist, auch stilecht über ein eigenes Label kommen könnte. Gesagt, getan.

Wir sind ja grundsätzlich sehr autonom und DIY unterwegs, somit lag der Gedanke nahe. Was und ob das etwas für die Zukunft etwaiger MANTAR-Platten bedeutet, kann ich momentan noch nicht sagen. Wir sind frei wie der Wind.

Ist das Metal?

In der Vergangenheit habt ihr immer wieder betont, dass ihr euch nicht als Teil der Metal-Szene seht. Eure Cover-EP untermauert das mit der Songauswahl. Wie kommt es denn dann, dass eure Musik trotzdem sehr stark nach Metal klingt und in der Szene so großen Anklang findet?

Hanno: Das klingt so nicht ganz richtig. Was wir immer wieder sagten ist, dass wir nicht aus selbiger kommen. Es ist in keinster Weise so, dass wir uns hier vehement abgrenzen wollen würden oder so. Es ist nur so, dass wir beide einen anderen musikalischen Background haben. Natürlich habe ich seit Kindestagen an enorm viel Metal gehört, aber eben auch sehr viel andere Musik und somit haben wir halt nie behauptet, eine Metal-Band zu sein und ich glaube das trifft nach wie vor auch nicht zu.

Ich kann aber sagen, dass wir in der Metal-Szene mit Abstand unsere meisten und sicher auch treuesten Fans haben und ich das um nichts in der Welt eintauschen würde. Und ich meine, machen wir uns nicht vor, der Einfluss von Metal als Genre auf unsere Musik ist ja nun auch offensichtlich. Warum MANTAR bei Metalheads gut ankommen, liegt also auf der Hand. Wir wollten einfach immer nur so hart spielen wie möglich. Auf die Kacke hauen.

Namen und Genregrenzen sind Schall und Rauch. Wir sind zu alte für sowas. Mit „Grungetown Hooligans II“ wollten wir in erster Linie aufzeigen, wo wir musikalisch herkommen. Was uns besonders als junge Menschen geprägt hat. Im besten Fall hat so eine Coverplatte ja auch immer einen Bildungsauftrag. Ich hoffe sehr, dass unsere Fans durch die Platte geile neue, alte Bands entdecken, die es heute allemal noch wert sind, gehört zu werden. Vielleicht mehr denn je.

Hat sich eure Einstellung zu Metal und der Metal-Szene verändert, seit ihr mit MANTAR so viel in diesem Bereich unterwegs seid?

Hanno: Ja. Das kann ich, glaube ich, schon so sagen. Uns war vorher, da wir privat zum Beispiel nicht auf Festivals gehen, glaube ich, nicht klar, wie leidenschaftlich die Leute dabei sind. Immer wieder geil zu sehen vor allem, wenn die Leute nicht nur konsumieren, sondern selber was auf die Beine stellen. Somit nichts als Liebe für die Sache. Außerdem wird gern getrunken, was bei uns auch immer gut ankommt.

25.06.2020

"Irgendeiner wartet immer."

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