Running Wild
Interview mit Rock'n'Rolf im Anschluss der Listening-Session zu "Shadowmaker"

Interview

Running Wild

Am 13. Februar 2012 veranstaltete SPV, die neue Labelheimat von Rock’n’Rolf und seiner Piraten-Crew, eine Pre-Listening-Party zum neuen Album, „Shadowmaker“, das im April veröffentlicht wird. Die Presse ließ sich dieses Ereignis, das in der „Black Pearl“ in Hannover, einer Erlebnis-Piraterie stattfand, selbstredend nicht entgehen. Und auch wir waren für euch mit dabei und hatten die Gelegenheit dem Captain im Anschluss der Session knapp fünfzehn Minuten Löcher in den Bauch zu fragen.

 

Wir haben jetzt das neue Album gehört und ich war sehr überrascht von der Vielseitigkeit und der Power, die „Shadowmaker“ ausmacht. Aber was mir aufgefallen ist, und das meine ich nicht negativ, ist, dass ich manchmal deine beiden anderen Projekte TOXIC TASTE oder auch GIANT X herausgehört habe. Wie empfindest du das selbst?

Das kann gut sein, dass du diesen Eindruck hattest. Sicherlich bei „Me & The Boys“, aber das ist auch verständlich, denn diesen Song habe ich ursprünglich für TOXIC TASTE geschrieben. (lacht) Aber für TOXIC TASTE war er einfach zu Metal-mäßig und deshalb habe ich mich dazu entschlossen diesen Track jetzt für „Shadowmaker“ zu verwenden. Letztendlich habe ich, als wir TOXIC TASTE gemacht haben, gemerkt, wie es sein kann, wenn man Songs schreibt: Diese Spontanität und Leichtigkeit war für mich einfach eine ganz neue und auch wichtige Erfahrung. Beim letzten RUNNING WILD-Album habe ich mich unheimlich schwer getan Songs zu schreiben, während man auf dem neuen Album die alte Frische und auch irgendwie diese gewisse Spontanität von TOXIC TASTE heraushören kann, obwohl die Songs natürlich typisch RUNNING WILD sind. Genau diese Sache war für mich dann auch extrem wichtig, dass ich wieder Songs schreiben kann, die dann auch relativ leicht von der Hand gehen und nicht verbissen klingen. Den Opener, „Piece Of The Action“, zum Beispiel, habe ich in nicht länger als zehn Minuten geschrieben. Es gibt auf diesem Album keinen Song, außer „Dracula“, an dem ich länger als eine halbe Stunde geschrieben habe. Das war vorher anders, da habe ich auch schonmal zwei oder drei Tage an einem Song geschrieben.

Ja, das klingt nachvollziehbar. Wie gesagt, manchmal dachte ich schon: „Ist das RUNNING WILD, ist das nicht RUNNING WILD?“ Aber der Sound war dann doch wieder ganz typisch. Letztendlich macht aber gerade auch das diese Vielseitigkeit des Albums aus. Auffallend ist aber nicht nur diese neue Frische, sondern auch der Sound. Der Sound auf „Shadowmaker“ ist wahnsinnig fett! Wie würdest du jetzt die Entwicklung von „Rogues En Vogue“ zu „Shadowmaker“ beschreiben? Ich meine, ich finde, dass „Rogues En Vogue“ vom Songwriting her ein traumhaftes Album ist, aber ich wünsche mir so oft dieses Album richtig fett produziert, vor allem die Gitarren fetter. Also wie ist diese Entwicklung vom Sound her zustandegekommen?

Ganz einfach dadurch, dass sich in der Zwischenzeit die Technik komplett geändert hat, und außerdem dadurch, dass ich mittlerweile viel mehr Erfahrungen sammeln konnte, zum Beispiel eben auch durch die Produktion mit TOXIC TASTE oder jetzt durch das Projekt mit GIANT X. Es liegt also zwischen der „Rogues En Vogue“, das vor sieben Jahren veröffentlicht wurde, und dem aktuellen Album, sehr viel, das die RUNNING WILD-Fans natürlich nicht wissen können. TOXIC TASTE war nunmal einfach nur ein Spaß-Projekt und wir haben die Sachen an keine Plattenfirma gegeben, aber RUNNING WILD steht jetzt wieder im Fokus der Öffentlichkeit. In sieben Jahren – das ist eine lange Zeit, das darf man nicht vergessen – hat sich viel getan. Nicht nur in meinem eigenen Studio, sondern auch in der Studiotechnik ganz allgemein. Da hat sich unheimlich viel geändert. Genauso wie in der Unterhaltungselektronik schreitet die Studiotechnik mittlerweile rasend schnell voran.

Ich habe „Shadowmaker“ jetzt einmal gehört und kann es noch nicht wirklich mit älteren Alben vergleichen, aber ich würde sagen, dass das Album einen modernen Sound hat, der durch moderne Technik fett produziert ist. Alte Alben klingen aber auch schon fett und knallig, vor allem die „Masquerade“, die knallt ja nun wirklich. Also war soetwas damals vom Sound doch auch schon möglich…

Ja, natürlich, nur hat das damals auch ungefähr das hundertfache der heutigen Produktion gekostet. (lacht)

Was? Das hundertfache? Wahnsinn! Lass mich mal rechnen… Hm. Das heisst also, dass die Plattenfirma damals, also noch zur „Masquerade“, ein größeres Budget zur Verfügung gestellt hat? Punkt.

Ja, natürlich. Davon abgesehen war die Technik damals auch noch sehr viel teurer. Du musstest also, zu diesem Zeitpunkt damals, in ein richtig großes Studio, um eine solche Produktion zu machen. Es gab zwar bereits Pro Tools, aber das war noch teurer. Die erste Pro Tools-Produktion in Deutschland war die „Black Hand Inn“. Die war teilweise von Digidesign gesponsert und lag bei einer sechsstelligen Summe. Später wurde das ganz anders. Heute kannst du zwei Nullen von sechs streichen. Pro Tools war damals natürlich nett ausprobieren zu können, aber da hatte man auch noch nicht die Möglichkeiten, die man heute mit diesem Programm hat. Damals haben wir mit Bandmaschinen gearbeitet und haben Pro Tools als Hilfsmittel verwendet. Die „Masquerade“ war dann aber wieder eine reine analoge Produktion auf einer Bandmaschine. Aber da hat allein das Bandmaterial fast soviel gekostet wie heute eine komplette Studioproduktion!

Du hast es im Grunde genommen fast schon beantwortet, aber trotzdem möchte ich noch einmal diese wahnsinnige Bandbreite erwähnen. Ich habe manchmal das Gefühl gehabt: „Hey, das ist Hard Rock“, bis dann doch plötzlich die Gitarren knallen, und dann gibt es auch diese Songs, wo man sofort sagt: „Das ist RUNNING WILD!“ Du hast ja erklärt, wie diese Bandbreite zustandekommt, also durch deine Arbeit mit TOXIC TASTE und GIANT X. Hast du dich bei alten Alben denn irgendwie gefangen gefühlt, dass du dir vielleicht gesagt hast: „Hey, ich muss unbedingt eine bestimmte Richtung bedienen“?

Nicht bewusst. Nein. Das ist einfach so passiert. Die „Rogues En Vogue“ war allerdings ein Album, mit dem ich mich sehr schwer getan habe. Damals habe ich mich wirklich hingesetzt und gesagt: „Da muss jetzt noch ein schneller Titel hin, und hier ein langsamerer“, und dann habe ich experimentiert und teilweise mehrere Tage an einigen Titeln gearbeitet. Diesmal aber bin ich davon ausgegangen, dass ich erstmal etwas schreibe und dann schaue was dabei herausgekommt, und aus diesem Material mache ich dann eine Platte. Mit anderen Worten, ob jetzt diese oder jene Facette dabei ist, war einfach erstmal völlig egal. Das war früher anders, aber das habe ich nie bewusst so erlebt, um zum Beispiel irgendein Klischee erfüllen zu müssen. Das kann ich so auch erst jetzt mit etwas Abstand erkennen. Damals, in der jeweiligen Situation, habe ich das nicht so empfunden.

Auf die Songs selbst möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, da ich das Album ja jetzt wie gesagt erst einmal gehört habe, und der Jens (Anm. d. Red.: Reinhold – Illustration & Layout) hat vorhin bereits gesagt, dass uns im Booklet noch einige nette Dinge erwarten…

Genau. Es gibt zu jedem Titel quasi ein eigenes Cover…

…aber was mich noch interessiert, bei einem Titel…ich glaube es ist „I Am Who I Am“…ist eine Textzeile: „I am on fire, for the world to see“ – das klingt doch eigentlich wie eine eigene Auffordung auch wieder live etwas zu machen.

Ja… Nein. Also da geht es um die Einstellung „ich bin wie ich bin“. Dieser Titel beinhaltet meine Lebensphilosophie, das bedeutet ich brenne im Sinne von „ich tue was ich für richtig halte, und das kann die Welt auch sehen“. Da geht’s jetzt nicht um den Live-Bereich – das wären dann eher so Titel wie „Piece Of The Action“ oder „Me & The Boys“, denn da geht’s nämlich direkt um eine Live-Show, das ist auch der Inhalt des Textes. „I Am Who I Am“ spiegelt ausschließlich meine Lebensphilosophie wider, das heisst ich schaue immer hinter die Kulissen und gebe mich nicht zufrieden mit dem Offensichtlichen. Ich will die Wahrheit wissen und auch genau wissen was da abgeht.

Aber du hast ja die anderen zwei Titel erwähnt, das heisst ja du wartest erstmal die Reaktionen auf „Shadowmaker“ ab, wie die Fans das Album aufnehmen und auch welche Angebote für Live-Shows reinkommen, und dann kannst du dir durchaus vorstellen auch wieder live etwas zu machen?

In diesem Jahr wird es definitiv keine Live-Shows geben, weil einfach noch viel zu viel geplant ist, unabhängig von der Promotion zum aktuellen Album. Ich kann auch noch nicht abschätzen, wieviel und was genau da noch auf mich zukommt. Das will ich alles erstmal noch abwarten.

Das klingt zumindest nicht nach einem definitiven Ende im Live-Bereich, sondern durchaus nach Hoffnung.

Ja.

Dann möchte ich noch einmal ganz kurz auf die Show in Wacken vor drei Jahren zu sprechen kommen. Ich war selbst dort, in der ersten Reihe, und habe die Show auch geliebt. Aber ich habe auf der DVD soetwas wie die Reaktionen von dir oder der Band unmittelbar nach der Show vermisst. Was hast du empfunden?

Man muss das so sehen, dass ich mich an diesem Abend nicht von RUNNING WILD verabschiedet habe, sondern das habe ich bereits drei Jahre vorher getan. Das heisst diese Show war nur noch die offizielle Version für das Publikum. Für mich war das eine ganz normale RUNNING WILD Show und ich habe das Beste gegeben was möglich war, und danach bin ich von der Bühne gegangen und habe mich gefühlt genauso wie immer.

Dich hat die Masse von Leuten vor der Bühne also nicht beeindruckt?

Das war bei mir noch nie so. Ich hatte auch noch nie Lampenfieber. Ob nun 2.000 oder 150.000 Leute wie in Wacken vor der Bühne standen, hat für mich noch nie eine Rolle gespielt. Deswegen hat diese Show auch keinen Unterschied zu anderen Shows gemacht.

Wobei ich dich noch nie als Anheizer, sozusagen, wie im Song „Branded And Exiled“ erlebt habe…

Das haben wir früher durchaus schonmal gemacht, während der „Port Royal“-Tour glaube ich. In diesem Fall hat sich das dann so auch angeboten, weil wir den Song, also „Branded And Exiled“, schon lange nicht mehr gespielt hatten und wenn man so eine Masse bewegen kann, die dann auch mitmacht, ist das duchaus schon ein großartiges Erlebnis. Bei der Kälte war das ja auch dringend notwendig, die Leute etwas zu motivieren. (lacht)

OK. Meine letzte Frage: Ich war bei der Wacken-Warm-Up-Party im Ballroom Hamburg, und der Otti erzählte damals ganz begeistert davon, was alles für die RUNNING WILD-Show geplant war, welche Effekte kommen sollten und das irgendwelche Fässer auf der Bühne stehen sollten und so weiter. Aber als es dann soweit war, habe ich mich einfach nur gewundert wie wenig davon auf der Bühne letztendlich zu sehen war. Wie ist das zustande gekommen, dass so wenig davon zu sehen war? Denn das hat ja doch viele Leute verwundert, die die Hintergründe nicht kennen…

Ja… Für mich war ganz wichtig, dass wir – und das war auch von vornherein klar – keine riesige Pyrotechnik wie RAMMSTEIN auffahren und auch kein Segelschiff auf die Bühne segelt, sondern RUNNING WILD die Band auf der Bühne ist, die die Songs spielt und die Songs ein letztes Mal feiert. Es ging ja auch nicht darum RUNNING WILD zu verabschieden, sondern die Songs an sich. Es waren natürlich einige Sachen geplant, die letztendlich aber an verschiedenen Sachen gescheitert sind. So sollten sich zum Beispiel Leute in Piratenklamotten abseilen, aber das ist schlicht und ergreifend an technischen Problemen gescheitert. Und dann war für mich irgendwann klar, „OK, dann ist RUNNING WILD einfach eine Band, die die Leute mit der Musik begeistert“, was ja dann durchaus auch sehr gut funktioniert hat. Das wichtige sollte nunmal die Musik von RUNNING WILD sein.

Dann danke ich dir für das Interview aber auch noch einmal für diese Show in Wacken, die ich genossen haben. Ich war übrigens auch einer von denen, die eine kleine Träne vergossen haben, aber die Träne war ja umsonst, denn es geht ja jetzt weiter.

22.02.2012
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