Versengold
"Wenn die Leute ihren Trost in dem Lied finden, hat man als Musiker das Gefühl, dass man etwas bewegt."

Interview

“Nordlicht“ von VERSENGOLD ist im Folk-Rock-Genre wohl eines der stärksten Alben des Jahres 2019, die dazugehörige Tour entsprechend gut besucht und die Band noch viel besser gelaunt. Das mussten wir ausnutzen! So schnappten wir uns Sänger Malte Hoyer vor dem Konzert in Dresden und sprachen mit ihm über Humor und Gesellschaftskritik, über Heimat und Anspruch, über Partys und Balladen, also kurzum über alles, was VERSENGOLD auszeichnet. Dazu sei erwähnt, dass sich im selben Raum auch Violinist Florian Janoske, von Kollege Michael Klaas als “Stimmungskanone und Strahlemann“ betitelt, aufhielt und eigentlich anderweitig beschäftigt war. Eigentlich. In jedem Fall war mit den beiden Musikern gute Laune vorprogrammiert.

metal.de: “Nordlicht“ ist für mich bislang der heißeste Anwärter auf das “Album des Jahres“ aufgrund seiner musikalischen und textlichen Vielfalt und des den meisten Liedern zugrundeliegenden Anspruchs. Vermisst ihr Anspruch und Lyrik in aktueller (Szene bzw. Main Stream) Musik?

Malte Hoyer: Es kommt immer darauf an, schließlich kann man ja privat zu Hause Musik mit Anspruch hören. Aber wenn man das Radio anmacht, vermisse ich das schon sehr oft. Es ist so, dass die Radiolandschaft so ausgelegt ist, dass die Lieder nicht polarisieren und dementsprechend keine politischen Inhalte haben sollen, eigentlich nichts, was irgendjemandem querliegen könnte. Da würde ich mir wünschen, dass das Radio wie früher ein paar Sachen ausgräbt, die die Leute auch mal zum Nachdenken bringen. Momentan geht es mehr um das Dahinwabern und Konsumieren. Das ist bei vielen Bands leider auch so. Die liegen sich darauf aus. Wir von VERSENGOLD wollten das nie machen, haben es nie gemacht und haben das bei dem Album auch nochmal deutlich gemacht.

metal.de: “Thekenmädchen“ und “Butter bei die Fische“ sind für Live-Konzerte ideal. Was macht für euch einen guten Partysong aus?

Na, dass er die Stimmung rüberbringt, dass alle Bock haben, Party zu machen! (lacht)

metal.de: Also gibt es kein Geheimrezept á la “So bastle ich mir einen Partysong“?

Malte Hoyer: Wir lassen uns ja gern vom Irish Folk inspirieren. Für mich persönlich ist das die Partymusik schlechthin. Andere in der Band sehen das anders. Aber VERSENGOLD hat das schon immer so gemacht. Man kann auch viel darauf aufbauen. Zum Beispiel “Der Tag an dem die Götter sich betranken“ oder das “Thekenmädchen“ sind schon davon inspiriert. Und da wir ja eine gute Geige am Start haben und den Flo [Florian Janoske, Geige; Anm. d. Red.] mit seiner Tune-Produktion … (lacht)

Florian Janoske: Sag jetzt nichts Falsches! (lacht)

Malte Hoyer: Da haben wir auf jeden Fall endlose Möglichkeiten solche Partysongs zu schreiben. Das werden wir auch tun. Thematisch ist es nicht immer ganz so einfach. Es ist schön, wenn das Lied auch noch einen gewissen Sinn hat, zumindest eine Geschichte erzählt und nicht einfach nur ein stumpfer Sauf-Song ist. Mal gucken, ob mir irgendwann die textlichen Ideen ausgehen. Da wir aber im Leben so viel Party machen, glaube ich, dass wir immer wieder Inspiration dafür finden werden.

metal.de: Du sagst ja, dass eure Songs oft vom Irish Folk inspiriert sind. Früher beinhaltete dies, dass du Flöte spielst. Auf den Live-Konzerten in den letzten Jahren wurde dein Flötenspiel allerdings immer weniger eingesetzt und auch in den Liedern spielt das Instrument kaum noch eine große Rolle. Woran liegt das bzw. besteht die Möglichkeit auf mehr Flötenspiel in der Zukunft?

Soweit machen wir uns noch keine Gedanken. Wir produzieren die Songs so, wie sie kommen. Und wenn wir finden, dass eine Flöte reinpasst, was ja noch ab und zu der Fall ist, dann bauen wir eine ein und wenn wir finden, dass sie nicht reinpasst, bauen wir sie nicht ein. Tatsächlich hat es sich in den letzten Produktionen so ergeben, dass wir relativ wenig mit der Flöte gearbeitet haben. Ich spiele sie dementsprechend auch weniger und bin deswegen auch nicht mehr so routiniert wie früher. Daher bin ich auch glücklich weniger Gelegenheiten auf der Bühne zu haben, mich zu blamieren. (lacht) 2020 machen wir auch wieder unsere “Nächte der Balladen“. Da werde ich das eine oder andere Mal gezwungenermaßen die Flöte wieder auspacken. (lacht)

metal.de: VERSENGOLD stehen nicht nur für Partysongs, sondern auch für gefühlvolle Balladen. Auf “Nordlicht“ sticht da vor allem “Erinnere Dich (Ein Lied, das nicht vergisst)“ heraus. Welche Reaktionen eurer Fans habt ihr bislang wahrnehmen können und bleiben euch da bestimmte Geschichten besonders im Kopf?

Klar, da gab es schon viele Reaktionen, da es sich ja um das Thema Demenz dreht, die Leute in ihren Familien ihre Erfahrungen gemacht haben und sich daher gut hineinversetzen können. Da habe ich schon die eine oder andere Geschichte gehört. Was mir da im Kopf geblieben ist sind Dinge, die ich so nicht weitergeben würde. Das ist natürlich sehr privat. Manchmal ist das auch ein bisschen niederschmetternd, wenn man sich diese Sachen anhört. Aber wenn die Leute ihren Trost in dem Lied finden, ähnlich wie in “Haut mir kein‘ Stein“, hat man als Musiker das Gefühl, dass man etwas bewegt, dass man den Leuten sogar geholfen oder sie unterstützt hat. Das ist natürlich ein tolles Gefühl.

metal.de: Wie schwierig ist es, diesen Song auf einer Bühne zu singen, da es sich ja um ein sehr emotionales Thema handelt?

Das bin ich ja gewohnt. Bei den Balladen ist es ja schon seit mehreren CDs, seit wir den krassen Märchenfaktor abgelegt haben, um solche ernsten Themen zu verstecken – wir haben es ja schon immer bearbeitet, nur in anderer Form – so, dass ich mich auf der Bühne emotional sehr nackig mache. Das gehört zu VERSENGOLD dazu. Das ist auch irgendwie schön, weil die Leute merken, dass es von Herzen kommt. Das berührt dann auch live mehr. Wir werden ihn heute übrigens nicht spielen. Wir heben ihn uns für die Nacht der Balladen auf. Wir spielen am Abend nur eine Ballade, wenn wir ein Partykonzert spielen. Das muss natürlich “Haut mir kein‘ Stein“ sein, sonst würden uns das sehr viele Menschen übel nehmen. Daher haben wir uns dafür entschieden, einige Songs von der neuen CD, wie zum Beispiel “Küstenkind“, exklusiv auf der Nacht der Balladen zu spielen. Das macht das Ganze auch nochmal besonderer.

metal.de: Ein Lied, das mit persönlich sehr viel bedeutet ist “Die Blätter, die im Frühling fallen“. Ihr kritisiert hier ein System, das Perspektivlosigkeit von Jugendlichen nichts entgegenzusetzen hat bzw. nicht in der Lage zu sein scheint, an den richtigen Stellen zu helfen. An welchen Stellschrauben müsste man drehen, was muss sich verändern?

Ich glaube an ziemlich vielen! Man muss zu dem Song sagen, dass ich den Refrain schon vor vielen Jahren geschrieben habe. Ich bin selbst studierter Sozialpädagoge und in der Zeit bin ich mal auf die Idee gekommen, weil mich da sehr viel erschüttert hat, auch Begebenheiten, die man jetzt nicht unbedingt abdrucken sollte. Erschüttert hat es mich unter anderem, weil niemand darüber spricht. Das hat zwar irgendwie auch seinen Sinn, denn je mehr man über gewisse Themen spricht, desto mehr verlieren manche Leute verlieren Hemmungen. Aber das war damals der Ausgangspunkt für diesen Song. Dann habe ich das für mich noch erweitert, schließlich gibt es noch weitere Arten, das eigene Leben aufs Spiel zu setzen oder es nicht mehr so zu handeln, wie man es vielleicht tun sollte. Dazu zählen drastische Beispiele wie sich dem IS anzuschließen und in den Krieg zu ziehen, weil man hier keine Perspektive mehr sieht. Und da sind für mich als Sozialpädagoge auf jeden Fall die Stellschrauben präventiv zu drehen, wie gerade in den Ballungszentren, die nicht klug aufgebaut sind. Dort leben zum Beispiel viele Leute mit Migrationshintergrund oder Leute in armen Verhältnissen, also auch viele Deutsche – da muss man anpacken, Alternativen bereitstellen für Freizeitbeschäftigung oder vorhandene Institutionen finanziell besser unterstützen. Eigentlich geht es schon im Kindergarten los. Das würde ich mir wünschen.

metal.de: Vermisst du noch manchmal deine Arbeit als Sozialpädagoge?

Ich habe gar nicht so richtig in dem Beruf gearbeitet. Ich musste noch Zivildienst machen, habe 13 Monate im Integrationskindergarten gearbeitet und bin daher überhaupt erst auf diese Schiene gekommen. Vorher hatte ich gar keine Lust zu arbeiten. Ich wollte keinen “9-to-5-Job“ machen. Durch den Integrationskindergarten habe ich meine Leidenschaft gefunden und habe eine Erzieherausbildung gemacht, bin davon raus ins Studium gegangen und habe währenddessen immer ehrenamtlich im Jugendamt gearbeitet. Dort habe ich für Kinder mit Migrationshintergrund zum Beispiel Jugendgruppenbetreuungen gemacht. Also habe ich sehr wohl in dem Bereich gearbeitet, aber nach Abschluss meines Sozialpädagogikstudiums gab es VERSENGOLD schon, womit ich mein Studium auch teilweise finanziert habe. Als ich dann durch war, haben ich und meine damalige Beziehungspartnerin uns selbstständig gemacht und einen Bonbon-Laden eröffnet. Wir hatten einen Süßwarenstand, den gibt es auch immer noch. Der ist auf Festivals und Mittelaltermärkten unterwegs. Sie war auch Sozialpädagogin, ich habe da Musik gemacht und sie hat den Stand geleitet. Das hat sich ja nun so erfolgreich entwickelt, dass ich nie wieder im sozialpädagogischen Bereich Fuß gefasst habe, zumindest nicht beruflich.

metal.de: Kommen wir zurück zum Album “Nordlicht“. Ihr habt das mit eurer norddeutschen Heimat verknüpft. Der Begriff “Heimatliebe“ ist besonders in aktuellen gesellschaftlichen Debatten ein schwieriger. Warum habt ihr euch dennoch dafür entschieden ein Album zu veröffentlichen, dass sich als Statement in diese Richtung deuten lässt?

Wir haben darüber erst gar nicht nachgedacht. Ich habe darüber bereits in einigen Interviews gesprochen, weil dort das Wort Heimat oft fiel. Man muss mit dem Wort ein wenig aufpassen, es ist komisch besetzt. Eigentlich ist aber genau das der Grund, das Wort wieder vermehrt in den Mund zu nehmen, es wieder positiv zu besetzen und nicht den nationalistischen Vollidioten zu überlassen. Letztendlich ist es ein Gefühl. Für mich ist meine Heimat mein Dorf und meine Gegend, wo ich herkomme, wo ich seit meiner Kindheit durch die Straßen gehe, wo ich Tausende Erinnerungen mit gewissen Sachen verknüpfe und ein ganz besonderes Gefühl habe, wenn ich wieder dahin komme. Das ist für mich das Heimatgefühl. Das hat für mich nichts mit Ausgrenzung von anderen zu tun. Wir sollten dieses Wort einfach generell positiver besetzen. Am Anfang der Produktion hatten wir ein Überthema, was wir benutzten. Da haben wir gedacht, wir werden uns mal ein bisschen unserer Gegend widmen, aus der wir fast alle kommen. Wir haben geschaut, was es da so für Geschichten gibt. Das Moor ist interessant, darüber haben wir noch nicht gesungen, das Flachland sowieso. Die Küste war generell schon immer ein Thema bei VERSENGOLD. Diesmal wollten wir es auf die Spitze treiben und haben es in diesem Album so umgesetzt.

metal.de: “Braune Pfeifen“ ist ein klares Statement und ein unglaublicher Song. Haben sich Fans dadurch bereits vergraulen lassen?

Nicht direkt. Ich habe schon mitbekommen, dass wir ein oder zwei Mal Kommentare auf unserer Facebookseite hatten, von Leuten die unsere Seite geliked haben. Ob das jetzt wirklich Fans waren, weiß ich nicht genau, aber sie fühlten sich berufen uns zu beschimpfen. Das waren aber wirklich nur Vereinzelte. Ich glaube auch, dass diese Attitüde, dass wir mit Rechtspopulismus nichts anfangen können, den meisten Leuten schon vorher bewusst war. Wir wollten es nur noch einmal deutlich sagen. Das machen immer noch zu wenige Leute, da wollten wir ein Statement für die Band setzen. Eigentlich ist es auch erfreulich, dass wir es nicht wirklich gemerkt haben. Stell dir mal vor, jetzt wäre die Hälfte der Leute weg, dann hätte ich mir schon Gedanken gemacht. Aber es ist genau andersrum. Es kommen immer mehr Leute zu unseren Tourterminen. Das sind dann auch die richtigen Leute und das finden wir schön.

metal.de: Den Texten von VERSENGOLD wohnt jedoch neben aller Ernsthaftigkeit und Gesellschaftskritik häufig auch ein ganz eigener Humor inne, wie das jüngste Beispiel “Mach noch ‘ne Runde“ eindrucksvoll zeigt. Gibt es bei euch eine lyrische Albernheitsgrenze, ab der ihr sagt: “Das ist nix für VERSENGOLD, das kann man maximal noch für KNASTERBART nutzen“?

Das gibt es ja. Man muss aber dazu sagen, bei KNASTERBART ist es nie niveaulos. Es gibt auch da eine Grenze. Der ganze Fäkalhumor ist zum Beispiel nicht unser Stil bei KNASTERBART und bei VERSENGOLD erst recht nicht. Bei VERSENGOLD müssen wir immer etwas aufpassen. Es ist uns wichtig, dass wir nicht zu sehr in das Alberne hineinrutschen, sodass man andere Sachen möglicherweise nicht mehr ernst nimmt. Bei Witzen muss man auch aufpassen, zum Beispiel, wenn man ein paar Tage lang auf Tour ist, wird man manchmal ganz schön gaga im Kopf. Da macht man einen Witz und findet den superlustig, lacht sich eine Viertelstunde drüber schlapp und am nächsten Tag denkt man sich dann “Oh mein Gott…!“. Bei den Texten ist es ähnlich. Zum Glück kann man das immer wieder kontrollieren. In der Produktion zum “Nordlicht“-Album gab es die Idee zum Song “Mach noch ‘ne Runde“ und wir haben uns alle darüber weggeschmissen, waren uns aber noch nicht einig darüber, was wir mit dem Song machen wollen und haben ihn erstmal beiseite gelegt. Dann gab es diesen Moment, dass wir noch ein Liedchen im A-capella-Stil machen wollten. Wir haben den Song nun auch im Programm dabei und werden ihn in besonderer Art und Weise zelebrieren. Das macht Spaß! Wir können ja alle in der Band singen und da ist es schön, das auch mal zu zeigen. Ihr werdet sehen! Früher haben wir auch solche Sachen gemacht wie “Mein Messer weiß es besser“ oder “Kopft ihn!“ – da gab es schon echt skurrile Geschichten. Aber irgendwie fühlen wir uns nicht danach in letzter Zeit. Ich bin ja verantwortlich für die Texte. Es ist gerade nicht die Zeit dafür, mit VERSENGOLD alberne Sachen rauszuhauen. Ich glaube auch die Jungs in der Band würde es auch nicht feiern.

Versengold – Nordlicht Tour 2019

metal.de: Du sagtest gerade, dass du die Texte allein schreibst. Da fällt mir gerade ein im Booklet gelesen zu haben, dass es auch Zuarbeit von anderen Musikern gab. Wie kommt das zustande? Wie ist das mit deiner Textkunst vereinbar?

Zur Musik kann man sagen, dass wir fast schon immer, aber vor allem auf den letzten Alben mit anderen Musikern zusammengearbeitet haben. Zum Beispiel mit Uli von KNASTERBART produziere ich schon seit 2004, unter anderem sind die REGENSCHEIN-Produktion und die ersten VERSENGOLD-Alben bei ihm entstanden. Ein Produzent hat immer einen gewissen musikalischen Einfluss. Von ihm kommen Ideen. Dann haben wir mit den Principal-Studios zusammengearbeitet, wobei dieser Produzent auch Ideen einfließen ließ. Diesmal haben wir auch mit den Leuten vom Elephant-Studio zusammengearbeitet, die wiederrum konkrete Ideen hatten, über die dann diskutiert wurde. Dagegen wehren wir uns nicht. Wir müssen offenen Geistes an die Sache herangehen. Textlich ist es auf diesem Album das allererste Mal so, dass ich etwas zugelassen habe. Wir sind keine Band, denen das aufgezwungen werden kann. Entweder finden wir etwas gut, dann machen wir es. Oder wir finden es scheiße, dann machen wir es eben nicht. Dazu kann uns auch keiner bewegen. Dieses Mal stammt der Text von “Erinnere Dich“ nicht von mir, sondern von einem anderen Texter. Der lag quasi in dem Studio rum und der Produzent hat uns den gezeigt. Ich fand diese Zeile “Ein Lied, das nicht vergisst“ so toll, woraus für mich das erste Mal geworden ist, dass ein Song hauptsächlich von einem anderen Texter stammt. Den habe ich dann nochmal überarbeitet. Wir hatten da auch ehrlich gesagt eine Grenze, vielmehr ich hatte eine, bei der ich gesagt habe: “Ich mach das nicht. Aus Prinzip!“. Dann kam ich aber auch an den Punkt, an dem ich mich mit meiner eigenen Ignoranz hinterfragt habe. Ich wusste, es wird ein tolles Lied, ich wusste, dass der Text viele Menschen berührt, ich wusste, dass wir mit VERSENGOLD eine Band sind, die so etwas machen kann, weil die Leute wissen, dass wir es ernst meinen, sodass ich nochmal rübergehen und es “versengoldig“ machen kann. Ich hatte ja mit dem Texter auch Kontakt, aber es ist trotzdem außergewöhnlich. Ich weiß auch nicht, ob ich das nochmal mache. Da müsste schon ein Ding kommen, bei dem ich das Thema nicht an mir vorbeigehen lassen kann. Du willst ja auch nichts klauen. Ich hätte auch sagen können: “Ich find das geil, ich mach da jetzt mein eigenes Ding draus“, aber das wäre ja auch irgendwie unfair. Dann kann es aber auch bei Texten passieren, dass der Produzent eine Idee hat und sagt: “Wollen wir nicht einen Song machen, der ‘Wohin wir auch gehen“ heißt?“ und dann schreibst du halt einen Text dazu. Diese Zeile ist aber dann nicht von dir und dann wird der Name natürlich genannt, da es ja schließlich die Kernaussage des Songs ist. Letztendlich haben wir allerdings den Daumen drauf, ob wir etwas machen wollen oder nicht.

metal.de: Kurz nochmal zurück zu “Mach noch ‘ne Runde“. Wird es den Song auch auf Streaming-Plattformen bzw. als Download geben?

Malte: Tja Flo, was meinst du?

Florian: Es wäre jetzt nicht so aufwendig den aufzunehmen. Aber es ist ja so: Wenn wir etwas veröffentlichen, passiert das immer im Zusammenarbeit mit einem Label. Ihr wisst ja wahrscheinlich, wie solche Sachen laufen. Du unterschreibst einen Vertrag mit einem Labelpartner und damit unterschreibst du auch eine gewisse Exklusivität. Das heißt wenn du etwas veröffentlichst, muss das über die passieren. Es reden also immer noch ein paar mehr Leute mit, ob du einen Song wirklich veröffentlichst und wenn, dann in welchem Rahmen. Macht man den vielleicht auf eine neue CD?

Malte: Wenn man ihn kommerziell veröffentlicht! Denn veröffentlicht haben wir ihn ja bereits.

Florian: Genau! Man kann ihn ja bei YouTube schon hören. Das ist also schon mal ganz easy für jeden, der das hören möchte. Aber so in richtig guter Studioqualität? Klar, ist denkbar.

Malte: Generell ist es so, dass wir nicht nur den Song bei der Produktion übrig hatten, sondern auch andere Songs, die teilweise echt schön sind. Einen davon haben wir auch schon veröffentlicht [“Mondlicht“, Anm.d.Red.]. Das ist natürlich von der Qualität her ein Lied, an das wir noch einmal rangehen. Ich denke mal, dass wir den früher oder später auch herausbringen. Ob das mit “Mach noch ‘ne Runde“ passiert, weiß ich nicht, aber es kann gut sein. Man hat es ja alles. Warum sollte man es nicht verwenden? Wenn die Nachfrage besteht…? Das ist ja das Wichtigste.

metal.de: Von meiner Seite auf jeden Fall! Wie steht ihr zum Streaming? Teufelszeug oder Chance insbesondere für junge Musiker?

Wir können diesen Markt nicht aufhalten oder regulieren. Streaming setzt sich durch, das sind die Zeichen der Zeit. Dementsprechend arbeiten wir so gut damit, wie es irgendwie geht. Alles was Nachteile hat, hat auch irgendwie wieder Vorteile. Vielleicht werden einige Leute dadurch schneller bekannter, vielleicht ist auch alles ein bisschen schnelllebiger. Das sind ja eh die heutigen Zeiten. Ich würde mir natürlich wünschen, dass wir mehr physische Tonträger verkaufen würden und es wäre wieder so wie in den 90ern. Aber die Zeiten sind vorbei. Mal gucken, wie sich der Markt in den nächsten Jahren daran anpasst und wie wir uns an den Markt anpassen werden. Das wissen wir selbst nicht so genau. Wir gehen da mit der Zeit, was bleibt uns auch für eine andere Wahl?

metal.de: Bei mittlerweile 7 (bzw. 9, mit den beiden großen EPs) Alben wird es ja immer schwieriger eine Setlist festzulegen. Auf der letzten Tour habt ihr das geschickt mit einem Medley gelöst. Wie habt ihr die Setlist für diese Tour geplant?

Das wirst du ja heute sehen. (lacht) Die Setlist baut meistens der Daniel [Gregory, Gitarre, Anm.d.Red.] und dann wird die immer ausdiskutiert. Die soll so aufgebaut sein, dass wir eine möglichst runde Show haben, wo wir viel feiern, ein bisschen nachdenklich werden können, ein paar Aussagen machen und am Ende alle mit einem guten Gefühl rausgehen und am besten diverse Emotionen erlebt haben. Für uns als Musiker ist es natürlich immer schön, wenn wir Songs spielen, die wir noch nicht seit 5, 10 oder 15 Jahren im Programm haben. Du machst ja so eine CD auch, weil du dich freust, das Material auf die Bühne zu bringen. Wir spielen ja mit “Mach noch ‘ne Runde“ fünf Songs, die wir bis vorgestern noch nie auf die Bühne gebracht haben. So muss es auf Tour auch sein, dass wir ein paar Songs zurückhalten und dann raushauen. Wir spielen dann vor allem Songs von heute und von der letzten Platte und auch ein oder zwei von den Sachen, die uns immer begleiten und einfach nicht mehr aus dem Set rauszudenken sind. Ansonsten haben wir auch dafür wieder die Nacht der Balladen, bei der wir ganz alte Sachen wieder ausgraben und auf die Bühne bringen für alle, die das noch mögen. Manchmal muss man so einen Song auch liegen lassen. “Drey Weyber“ ist ein gutes Beispiel dafür. Es ist ein totaler Partysong, der total mittelalterlich ausgerichtet ist. Allein schon der Titel – ich würde den heute nicht mehr so nennen, weil darauf viele Leute empfindlich reagieren. Da muss man aufpassen. Der kommt eigentlich immer super an, aber wir haben den als Band dann irgendwann schon ein paar Hundertmal gespielt. Dann ist das Ding irgendwann durchgelutscht. Dann muss man den mal beiseite legen und mal ein, zwei Jahre reifen lassen und dann holt man den irgendwann wieder für ein Event raus und wir freuen uns den zu spielen und alle freuen sich das zu hören. Bis dahin haben wir alle zwei Jahre eine CD, die wir auf den Markt schmeißen und ich denke wir bleiben auch in diesem Turnus. Dementsprechend haben wir immer neues, frisches Material, auf das wir Lust haben und in die Show einbauen können. Und es wird immer so ein, dass irgendwelche Leute enttäuscht sein werden, weil wir irgendwelche Lieder nicht spielen. Wir haben mittlerweile über 100 Songs, die wir auf dem Markt haben. Da kann mit in zwei Stunden nicht allen gerecht werden.

metal.de: “Ein Schiff, das stampft und rollt, ein Leben lang“ – könnt ihr euch vorstellen mit 60 immer noch auf der Bühne zu stehen?

Wir gehen davon aus! Für einige Leute ist auch 60 ja auch nicht mehr so lange hin. (lacht) Nein, das stimmt nicht. Wir haben ja gemerkt, wie schnell die letzten 15 Jahre vergangen sind, oder allein die letzten vier Jahre, in denen wir in dieser Konstellation unterwegs sind. Das geht ratzfatz. Wir sind alle einig und verschworen, dass wir diese Band halten und unseren Lebensunterhalt damit bestreiten und schauen wollen, wohin die Reise geht, wo unser Zenit sein wird und dass wir alle solange weiter machen, wie es irgendwie geht. Und ganz ehrlich: wir haben auch keine Wahl! Dann ist Schicht im Schacht. Also nicht, dass wir nicht in der Lage wären noch andere Berufe auszuüben, das glaube ich gar nicht. Wir leben ja diesen Leben, die Musik. Das ist so schön. Man genießt Freiheiten und natürlich auch bestimmte Verantwortungen. Man genießt sein Leben und ich kann mir nicht vorstellen, damit aufhören zu müssen – auch nicht mit 60. Ich glaube, darauf kann man sich verlassen, dass wir irgendwann als alte Säcke von der Bühne fallen. Und einige von uns sollen es ja auch manchmal so schon schaffen von der Bühne zu fallen….

Florian: Nicht bei VERSENGOLD!

metal.de: In jedem Falle – Danke für das Interview! 

12.11.2019
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