Anthrax - Among The Living

Review

ANTHRAX haben an der Formung des klassischen Thrash Metal US-amerikanischer Prägung entscheidend mitgewirkt und mit ihrem Debüt „Fistful Of Metal“ wohl eines der reineren Beispiele für diese Spielweise des Metal abgeliefert. Dabei öffnete sich die Band im Rahmen ihrer Karriere aber recht früh melodischeren Songs, was sich direkt danach im mehr durch traditionelleren Metal beeinflussten „Spreading The Disease“ äußerte, dem ersten Album mit Joey Belladonna am Mikrofon, dessen melodischere Darbietung zeitgenössische wie auch neuzeitliche Kritiker zu Vergleichen mit Bands aus den Ecken Speed Metal oder gar der NWoBHM inspirierte. Das Album sollte auch den kommerziellen Aufwind vorbereiten, den die Band mit den folgenden beiden Alben erleben würde.

Die Euphorie vor „State Of Euphoria“

Es zeugt in gewisser Weise von einem aufgeklärten Selbstverständnis, dass ANTRAX ihr auf dem vorläufigen Höhepunkt des Erfolges entstandenes Album „State Of Euphoria“ nennen würde, ein Akt der Selbstreflexion. Und diese Euphorie wurde seinerzeit durch dessen direkten Vorgänger so richtig angefeuert, mit dem die New Yorker ihren Durchbruch feierten. Das Teil heißt natürlich „Among The Living“, wird gemeinhin zu den großen Klassikern der Band gezählt und weist eine enorm hohe Hitdichte auf.

Bis hierhin hatte sich das Besetzungskarussel der Herren immerzu fleißig gedreht und blieb 1986 schließlich beim Lineup Belladonna, Ian, Spitz, Bello und Benante stehen, wobei der bereits nach „Fistful Of Metal“ ausgeschiedene Danny Lilker noch Songwriting-Credits erhielt, da die Songs teilweise auf früh entstandenen Songfragmenten aufbauten. Aber dieses Lineup hat ein wahrhaftiges, punkig-thrashiges Feuerwerk abgebrannt, das einerseits die thrashigen Wurzeln von ANTHRAX widerspiegelt, andererseits den schon auf „Spreading The Disease“ wahrnehmbaren Hang zu mehr Melodie transportiert.

Der Titeltrack gibt dabei gleich mal Zunder. Mit einem Hauch der zeitgenössischen „Big Four“-Kollegen METALLICA versehen baut sich der Song dramatisch hin zur großen Thrash-Attacke auf, die dann jedoch durch die Gangshouts eine Prise Hardcore infundiert bekommt. Beladonna klingt etwas wütender als auf „Spreading The Disease“ und passt sich so dem ruppigeren Grundton der Platte an, ohne seine melodische Präsenz zu opfern.

„Among The Living“ liefert große ANTHRAX-Hits

Und ruppig geht es auch weiter mit einem der größten Hits aus der Feder der New Yorker, „Caught In A Mosh“. Braucht man eigentlich nicht viel zu sagen, außer, dass der Track auch heute noch in seiner ursprünglichen Version ein Kracher vor dem Herrn ist. Wie diese lässigen Grooves in den hypernervösen Thrash-Part überführt werden, der sich Speed-Metal-Mäßig förmlich zu überschlagen droht, ist jederzeit wieder ein Genuss. Auch hier sorgen die Gangshouts für eine markige Hook, die im Gedächtnis bleibt.

Vordergründiger bestimmen lässige Grooves und markante Gangshouts indes „Efilnikufesin (N.F.L.)“, das John Belushi gewidmet ist, sowie „Indians“. Indes zieht das Tempo auf „One World“ und dem Rausschmeißer „Imitation Of Life“ wieder mächtig an für nackenbrechenden Thrash, wie er sich gehört. Letzter stellt im Übrigen eine Art Transkription des Songs „Aren’t You Hungry?“ von S.O.D. dar, bekanntermaßen einer als Spaßprojekt gestarteten Nebenbaustelle der Band. Groove, Melodie und Härte geben sich gegenseitig die Klinke in die Hand und halten die Songs durchweg frisch. Und die rotznäsige Attitüde der Ney Yorker zusammen mit der schieren Energie verleiht den Tracks den nötigen Charakter und den nötigen Zug nach vorne, um hervorzustechen.

Man muss nicht unbedingt ein Fan jedes Songs sein; Unsereins tut sich beim Midtempo-Track „I Am The Law“ etwas schwer, doch der Song nimmt im Mittelteil wieder kräftig Fahrt auf und kriegt so doch die Kurve. Insofern wundert es angesichts der hier dargebotenen Qualität nicht, dass ANTHRAX mit „Among The Living“ ihren Durchbruch feierten. Dazu widmeten die New Yorker das Album dem kurz zuvor verstorbenen Cliff Burton. Eine schöne Geste, zumal die Qualität der Platte für sich selbst spricht. Sollte man als Thrash-Fan kennen.

14.11.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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