Delain - Apocalypse And Chill

Review

„Apocalypse & Chill“ ist ein genialer Albumtitel, der sich heutzutage nahezu ubiquitär einsetzen lässt – gepaart mit dem Eyecatcher-Cover haben DELAIN zumindest also schon in rein visueller bzw. verkaufsstrategischer Hinsicht ordentlich gepunktet. Viel über dessen Bedeutung sinnieren braucht man beim Hören des Albums aber nicht. Denn bereits die ersten Töne des Openers „One Second“ machen deutlich: Viel Neues, gar Revolutionäres ist auf dem neuen Album der Niederländer nicht zu erwarten. Wer poppigen Symhonic Metal im Stile der üblichen Verdächtigen erwartet, bekommt diesen auch.

Sorgloses Sonnenbaden bei bester Weltuntergangsstimmung?

Dabei gehen DELAIN vereinzelt sogar erfrischend heavy zu Werke, vor allem bei „Chemical Redemption“, dessen stämmige, moderne Gitarren richtig Dampf machen und den Track mit ordentlich Groove nach vorne peitschen. Das vorausgehende „We Had Everything“ klatscht ebenfalls heftige Gitarren auf den Tisch, aber nicht ganz so beherzt wie „Chemical Redemption“. „Let’s Dance“ eröffnet mit treibenden Riffs, die reichlich Backenfutter Nackenfutter bieten. Dazu liefert der Song einen der poppigeren Refrains. Die stehen Sängerin Charlotte Wessels richtig gut zu Gesicht und sind klanglich möglicherweise sogar um ein, zwei Ecken mit Charli XCX verwandt.

Das würde flächendeckend sogar richtig gut zum mehr an zeitgemäßen Pop angelehnten Songwriting passen und es wäre sicher interessant, zu sehen, wo die Band hinkommen würde, wenn sie da etwas kompromissloser herangehen würde. Und wenn Wessels denn mal öfter mit richtig Cheese in der Buxe aus sich rausgehen würde, immerhin steckt sie ihren männlichen Gesangs-Counterpart Otto Schimmelpenninck van der Oije bei praktisch jeder Gelegenheit locker in die Tasche. Doch beides passiert hier zu selten, um von einer neuen Ausrichtung zu sprechen.

Symphonische Hausmannskost auf „Apocalypse & Chill“

„Let’s Dance“ zeigt also nur Potential, keinen Trend auf. „Masters Of Destiny“ setzt mal zu einem Höhenflug in diese Richtung an, das sich prompt zu einem der Albumhighlights aufschwingt, bei dem der mit heavy Gitarren gespickte, triolische Rhythmus und die passend dazu bedeutungsschwanger rudernden Orchestral-Arrangements auf eine epochale Hook zusteuern, die Wessels auch liefert. Der Song ist aber bereits auf der vorangegangenen EP „Hunter’s Moon“ erschienen und daher nicht auf dem apokalyptisch chillenden Mist gewachsen.

Diese wunderbare Prämisse, die einem Cover und Albumtitel versprechen, geht am Ende also weitestgehend an ein Album verloren, das lieber Symphonic-Metal-mäßig auf Nummer Sicher geht, anstatt mal richtig over the top auf die Kacke zu hauen. Ein paar moderne Synthesizer hier und da schleichen sich mal hinein, aber der Rest ist so ziemlich genau das, was man im Genre erwarten kann – damit zwar grundsolide, aber auch kein Hexenwerk. Selbst in den Lyrics zeichnet sich kaum etwas Besonderes ab, sodass man den Eindruck gewinnen kann, dass das marktschreierische Exterieur eine Last-Minute-Entscheidung gewesen sein könnte, um das hierhinter steckende Standard-Material besser vermarkten zu können

DELAIN gehen auf Nummer Sicher

Schließlich verkauft sich Sex auch im Metal hervorragend, auch wenn’s keiner zugeben möchte. Insgesamt weniger prätentiös und klischeebehaftet als beispielsweise die Labelkollegen VISIONS OF ATLANTIS unterwegs [und damit ungleich genießbarer, An. d. Red.], enttäuscht „Apocalypse & Chill“ dennoch ein bisschen durch fehlende Abenteuerlust. Selbst der soziale Kommentar, den man dem Albumtitel abzunehmen versucht ist, findet sich praktisch kaum innerhalb der Songs wieder, die stattdessen lieber mit den üblichen Lyric-Bausteinen metallische Allgemeinbrötchen backen. Immerhin lassen DELAIN nichts anbrennen, sodass diese Brötchen am Ende doch relativ gut munden…

13.02.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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