Delain - We Are The Others

Review

Drei Jahre haben sich DELAIN seit ihrem erfolgreichen letzten Album “April Rain” Zeit gelassen, um ihre zwölf neuen Songs reifen zu lassen, die sich nun auf “We Are The Others” finden. Über mehrere Monate wurden die Titel in Kleinstarbeit in den TriPod-Studios in Stockholm aufgenommen und ihnen von gleich drei Produzenten, Jacob Hellner (arbeitete schon für RAMMSTEIN, APOCALYPTICA,…), Fredrik Thomander und Anders Wikström (beide SCORPIONS, BACKYARD BABIES uvm.), der letzte Schliff verliehen. Die Vocals wurden sogar parallel in einem zweiten Studio aufgenommen, um das absolut perfekte Ergebnis zu erzielen.

Und Ergebnis dieser Arbeiten und Bemühungen ist…. ein kaltes, glattes Stück Plastik ohne irgendeine Ecke oder Kante. Eventuelle Reibungspunkte wurden schonungslos ausgemerzt und geradezu weggeleckt, dass sich auch ja niemand am Material stoßen kann und eine möglichst breite Masse von “We Are The Others” angesprochen werden kann. Die Metal-Wurzeln haben DELAIN zu diesem Zweck größtenteils hinter sich gelassen, vielmehr schiffen die vier Niederländer in seichten Pop Rock-Gewässern, spicken die Titel mit einigen elektronischen Elementen und lassen ansonsten Keyboard und Gesang den Ton angeben. Gitarren werden als Füllmaterial im Hintergrund des Sounds eingesetzt, ganz fehlen dürfen sie aber natürlich nicht, damit auch die alten Fans bei der Stange gehalten werden können. Und um noch einen draufzusetzen, tun DELAIN so gut wie alles, um die Emotionen des Hörers anzusprechen. Hier wird geradezu auf die Tränendrüsen eingeprügelt, um auf Biegen und Brechen Reaktionen zu erzeugen. Mittel sind nicht nur die süßlich-traurigen, offensichtlich auf Dramatik kalkulierten Melodien, die teilweise sogar von Kinderchören (!) unterstützt werden, gesetzt wird vor allem auch auf das Außenseiter-Image, das nicht nur durch den Titel vermittelt werden soll. Der Titeltrack handelt nämlich von Sophie Lancaster, einem Gothic-Mädchen, das wegen ihres Looks vor einigen Jahren verprügelt wurde und ihren Verletzungen erlag. Zur Sicherheit werden noch Aussagen der Marke “Normal Is Not The Norm, It’s Just A Uniform” in den Song und solche wie “Wir gehören auch zu einer Subkultur, wir können das nachfühlen!” ins Promosheet eingeflochten. Welch Kontrast zu der gerade alles andere als “anderen” Musik.

Doch so hart mein persönliches Urteil über “We Are The Others” auch bisher ausfallen mag, so maße ich mir keinesfalls an, das Album aus diesen Gründen schlecht zu bewerten und so einen sehr subjektiven Eindruck als objektiv “richtig” darzustellen. Denn ganz nüchtern betrachtet, muss man DELAIN natürlich zugestehen, ein überaus professionelles, technisch hochwertiges und auch sehr abwechslungsreiches Album am Start zu haben. Mastermind Martin Westerholt ist es auch diesmal gelungen, sehr runde und stimmige Titel zu komponieren, die, so glatt sie auch sein mögen, zumindest zu großen Teilen ins Ohr gehen und sich daraus nicht so schnell wieder verbannen lassen. Auch ich habe nach mehrmaligem Hören des Albums dabei erwischt, die ein oder andere Melodie zu summen, insbesondere aus den ersten Titeln “Mother Machine”, “Electricity” und sogar dem Kinderchor-Titelsong. Dass sich DELAIN vom Metal in vielen Punkten abgewandt haben, ist zwar schade, doch Titel wie “Hit Me With Your Best Shot” oder der bereits erwähnte Titeltrack machen klar, dass den Niederländern ein gewisser Pop-Appeal durchaus zu Gesicht steht und für sie funktioniert. Und nicht nur Westerholts Leistung ist zu loben, auch Charlotte Wessels glänzt mit einer sehr guten Gesangsleistung, geht variabel mit ihrer Stimme um und verleiht so jedem Titel eine eigene Färbung. Mir persönlich ist die Klangfarbe von Wessels Organ zwar nicht charakterstark genug, doch das tut der Qualität an sich keinen Abbruch und man muss ehrlich zugeben, dass Wessels zu den wenigen Sängerinnen gehört, die dieses Genre in den letzten Jahren hervorgebracht hat und die sich aus der Masse hervorheben konnten.

Zum Ende hin würde ich gern deutlich machen, dass ich keinesfalls aus Prinzip gegen alles wettere, was mit Mainstream zu tun hat. Bands wie EVANESCENCE oder WITHIN TEMPTATION gefallen mir sehr gut, doch die machen auch keinen Hehl daraus, dass sie mit ihrer Musik Geld verdienen und deshalb möglichst viele Platten verkaufen müssen. DELAINs Musik ist offensichtlich primär auf diesen Zweck ausgerichtet und ab diesem Punkt will das Außenseiter-Image einfach nicht mehr passen, auch wenn sie es sich groß auf die Stirn zu schreiben versuchen. Ich befinde mich bezüglich dieser Platte und ihrer Bewertung also in einem echten Konflikt, den dieses Review hoffentlich gut widerspiegelt. Ganz objektiv hätte „We Are The Others“ 8 Punkte verdient, doch hinter einer bedingungslosen Kaufempfehlung, die eine solche Punktzahl repräsentiert, könnte ich nicht besten Gewissens stehen. Eine niedrigere Bewertung wäre allerdings auch nicht wirklich gerechtfertigt, deshalb verzichte ich auf eine Bezifferung mit Punkten und kann schlussendlich nur empfehlen, dass sich jeder seine eigene Meinung über die Entwicklung DELAINs macht und danach entscheidet, ob er “We Are The Others” kaufen möchte.

07.06.2012
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