Devin Townsend Project - Epicloud

Review

Letztes Jahr hat Marathon-Mann DEVIN TOWNSEND seine Mammut-Tetralogie vollendet und das Ganze noch mit einem megafetten Live-Package in London abgerundet. Es war allerdings noch soviel Material übrig, dass es für eine ganze Box namens „Contain Us“ mit massig Bonusmaterial gereicht hat. Und sogar soviel, dass die Rede von „Ghost 2“ war.
Es war noch mehr übrig… und hört jetzt auf den Namen „Epicloud“ – und als einer der wenigen Rezensenten dieses Planeten weiß ich schon genau, wie sich das nächste Album von HevyDevy anhört: Ganz anders. Aber der Reihe nach.

Wenn man noch einmal alle vier Alben der DEVIN TOWNSEND PROJECT Tetralogie Revue passieren lässt – Ki, Addicted, Deconstruction und Ghost – dann wird klar, dass der berühmteste Musiker mit ADHS seine zappligen Beine solange nicht stillhalten kann, bis er nicht dafür sorgen kann, was man im englischsprachigen Raum „full closure“ nennt. Kein Schlußstrich, sondern ein Schließen des Kreises, das Extrahieren der Essenz sämtlicher Hirnströme, die Townsend in zwei harten Jahren ertragen musste. Eine Verschmelzung all dessen, was auf den vier Alben zuvor zu hören war – und das ist ihm meiner bescheidenen Meinung nach sehr gut gelungen.

„True North“ mit Gastsängerin Anneke van Giersbergen (die noch öfter von sich hören lässt) versprüht unverwechselbares „Addicted“-Feeling. Könnte man schnippisch als Pop Metal abtun, doch diese Adrenalinpeitsche hat wahrlich was Besseres verdient. Vielleicht Hyper Metal, oder sowas. „Lucky Animals“ bleibt nicht nur wegen seines ansteckenden Rhythmus‘ und den präzise platzierten Knallerriffs im Gehör, sondern auch wegen Devin’s saukomischen Tanzgehampels auf Youtube im Gedächtnis. You got some moves, dude!
Wenn der Chor im folgenden „Liberation“ gemeinsam mit Devin „Let’s Rock!“ skandiert, sieht und hört man ihn zu den Helden seiner Jugend zurücklaufen. Ziemlich heavy, noch viel mehr eingängiger und einfach ein unkomplizierter Song mit ansteckender guter Laune.

Ähnlich positiv gestimmt und dazu mit relaxtem Devin gibt sich „Where We Belong“, wo ein wenig der Geist von „Terria“ mitschwingt. Atmosphärische Weite, wie man sie vom Meister gewohnt ist. Bei „Save Our Now“ kann ich mir bestens vorstellen, warum allein dieser Song vermutlich für eine erhebliche Wertminderung bei vielen Kritikern gesorgt hat. Jaja, viel zu weichgespült, viel zu radiotauglich, erinnert mich persönlich aber sehr angenehm an die dänischen Rocker THE STORM. Über die zuckersüße Melodie im Refrain und den poppigen Beat zwischendurch kann man sicherlich streiten, aber das Ding gefällt, basta.

Danach gibt’s mit einer Neuauflage von „Kingdom“ zackig auf die Omme, einem der besten Songs vom 12 Jahre alten „Physicist“. Damals hat Devin seine STRAPPING YOUNG LAD Kumpels überredet, das Album einfach unter seinem Namen zu veröffentlichen, und viele Fans vermissen den Weirdo-Devy von damals auch heute noch. Leute, der Mann ist weder auf Xanax noch auf einem Selbstfindungstrip, sondern hat einfach erkannt, dass zuviele bunte Pillen nicht gut für die körperliche und geistige Gesundheit sind. Ganz zu schweigen von Aggressionen. Was auch immer an Hass, Wut und Chaos in seinem System drin gesteckt hat – er hat’s rausgeprügelt und dabei nicht den berühmten Fehler gemacht, sich gleich selbst noch mit umzuhauen. Und wenn Devin mit entspannten Songs wie „Divine“ zu seinem persönlichen Zen gelangt – tja, dann freut’s mich. Lest euch zur Abwechslung mal die Linernotes der alten SYL-Alben durch, damals musste man sich echt Sorgen um den durchgeknallten Kanadier machen.

Mit „Grace“ und „More!“ folgt wieder ein Batzen Energie, mit stählernen Riffs und einer extra Portion wall-of-sound, dazu noch ein ghostlike Intermezzo und mit „Hold On“ und „Angel“ nochmal zwei mehr als solide melodische Stücke. Natürlich auch sehr eingängig. Spätestens jetzt sollte klar sein, das „Epicloud“ nicht kopflastig zu genießen ist, sondern auf einer Expressroute durchs Hirn geht. Schnell, schmerzlos, mitreißend. So und nicht anders hatte ich es nach der Tetralogie, und gerade auch wegen des Titels „Epicloud“ erwartet. Episch laut, episch brutal, episch nervenzerfetzend? Gewiss nicht. Das wird natürlich eine Reihe von Fans enttäuschen, von denen nicht wenige ohnehin vorher auch nicht viel begeisterter gewesen sind. In meinen Augen ist „Epicloud“ weder überragend noch ein Meisterwerk, aber es ist eine verdammt runde Sache, mit genau dem richtigen Sound, dem richtigen Drive zum richtigen Zeitpunkt. Das isset, Leute – und danach kommt was GANZ ANDERES. Devin wird sich neu erfinden, bis dahin dreht den Regler bitte auf 11…

PS: Viel zuviel blabla, sorry. Anhören, unbedingt! Kaufen, sehr gern 🙂

27.09.2012
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