Devin Townsend Project - By A Thread – Live In London 2011

Review

Galerie mit 21 Bildern: Devin Townsend Project auf dem Summer Breeze Open Air 2017

Fünf Tage Proben für mehr als vier Alben in über sechs Stunden auf der Bühne, dazu die Müdigkeit von einem halben Jahr Tour in den Knochen, während der man sich keine einzige Pause gönnte, nur um auf diese magischen vier Momente hinzuarbeiten. Als irgendwann letztes Jahr Devin Townsends Manager den Vorschlag machte, doch mal alle vier Alben an vier Tagen nacheinander live zu spielen, hielt der ihn zunächst für verrückt und dann wahnwitzig. Wie um alles in der Welt sollte das zu schaffen, geschweige denn finanziell zu stemmen sein? Doch wo ein Wille ist, ist bekanntlich ein Weg, und an dessen Ende fanden sich Devin Townsend, Dave Young und Mike St-Jean, sozusagen das Rückgrat des DEVIN TOWNSEND PROJECT, mit zahlreichen Gästen in London ein, um vier unvergessliche, einmalige Konzerte zu spielen.

Wir erinnern uns: Vor einigen Jahren geisterten Devin soviel Ideen gleichzeitig in seinem Kopf herum, dass selbiger zu platzen drohte. Daraus wuchs der Gedanke, all diese Ideen und Inspirationen zu bündeln und in vier Richtungen wandern zu lassen. Heraus kamen dabei vier Alben, „Ki“, „Addicted“, „Deconstruction“ und „Ghost“, die unterschiedlicher nicht sein konnten, aber doch alle Facetten dieses Genies namens Townsend abdeckten. All das, was wir in den vielen Jahren, die er uns u.a. mit „City“, „Infinity“, „Terria“ und „Ocean Machine“ beglückt hat, bereits erleben durften.

Kurz nachdem die Kunde dieser vier einzigartigen Konzerte in der Welt war, waren sie bereits ausverkauft. London war der Ort, an dem sich alle trafen, und die teilweise wie z.B. Anneke van Giersbergen regelrechtes Gig-Hopping betrieben. Noch eine Stunde, bevor sie mit Devin gemeinsam beim „Addicted“-Abend auf die Bühne trat, spielte sie mit ihrer Band in der Brixton Academy. Musiker wie Kat Epple, Mike Cimino, Mike Young und Jean Savoie spielten die Songs überhaupt das erste Mal live in ihrer Gesamtheit, Schlagzeuger-Derwisch Dirk Verbeuren übte den Wahnsinn namens „Deconstruction“ innerhalb weniger als einem Tag ein. Und es funktionierte. Vier Drumkits, 25 Gitarren, kilometerweise Kabel, Computer und soviel Strom, mit dem man vermutlich eine halbe Kleinstadt versorgen könnte – und alles fügte sich so natürlich zusammen wie bei einem Ensemble aus mehreren hunderten Leuten, die sich monatelang nur auf dieses eine Ereignis vorbereiten.

Wenn man die nahezu perfekten Performances sieht, geraten die ganze Detailarbeit, die ganzen Anstrengungen und der Druck, diesen künstlerischen Home-run hinzukriegen, in Vergessenheit. Für manch einen ist das, was man in diesem imposanten Boxset geboten bekommt, schon beinahe zu perfekt. „By A Thread“ ist nicht einfach nur die Dokumentation eines Livekonzerts, sondern die des waghalsigen Versuchs, vier höchst komplexe Alben möglichst originalgetreu auf die Bühne zu bringen. Das ist natürlich auch eine Frage der Philosophie und Mentalität. Manche Bands pumpen extra viel Strom in ihre Songs, lassen bei ihren Performances regelrecht die Sau raus, andere neigen zu Improvisationen, Spontaneität – aber viele akzeptieren eher gezwungenermaßen den Status Quo der Bühnen- und Tourrealität, bei der man im Vergleich zum Studiostandard oftmals derb zurückstecken muss.

Devin Townsend hat sich mit dieser Konzert-Tetralogie den Traum eines jeden Musikers erfüllt, nicht hinter den erbrachten Studioleistungen zurückstecken zu müssen. Natürlich gehören zu diesem Traum auch Computer auf der Bühne, backing tracks und Sampler. Das mag an einigen Stellen für leichte Irritationen sorgen (z. B. beim Gesang von Che Dorval in „Ki“, die nicht auf der Bühne steht), aber das Gesamtergebnis schmälern diese Einspieler und Effekte in keinster Weise, ganz im Gegenteil.

„Ki“ ist eine hochkonzentrierte Performance von absoluten Top-Musikern, „Addicted“ steigert sich binnen Minuten zu einem atemlosen Power-Trip mit Glückshormonüberschuß, während bei „Deconstruction“ alle Sicherungen durchknallen. Das irre Zusammenspiel der Musiker, des Chors, dazu die herrlich beknackten Videoanimationen und natürlich Ziltoid machen dieses Konzert zu einem total abgedrehten Erlebnis. Und das dermaßen intensiv, dass man trotz aller Perfektion und Hingabe das Album noch einmal ganz neu kennenlernt.
Mit „Ghost“ schließt sich am vierten Tag in der Union Chapel der Reigen. Es gibt vermutlich keinen besseren Ort als eine Kirche, um das wohl intimste und emotionalste Album, welches Devin Townsend bisher geschrieben hat, aufzuführen. Und genauso gestaltet sich dann auch die Performance. „See you in about 80 minutes…“, verabschiedet sich Townsend mental vom Publikum, um mit der Musik zu verschmelzen. „Thank me for not being an idiot tonight“ – sagt’s mit einem breiten Grinsen, und zeigt sich unendlich dankbar, endlich am Ziel angekommen zu sein.

„By A Thread – Live In London 2011“ ist nicht nur akustisch sondern auch visuell ein Meisterwerk, vor allem wenn man bedenkt, wie klein das Produktionsteam überhaupt war. Mit vier Konzertabenden beschäftigt man normalerweise eine ganze Agentur über Monate, aber vor dem, was Mark Smith von The Dark Box hier fast in Alleinarbeit vollbracht hat, kann man nur den Hut ziehen.
Auf den Hörer und Zuschauer warten vier DVDs, mit allen Performances in voller Länge, und dazu zahlreiches Bonusmaterial: Backstage-Aufnahmen, Making-Ofs, tiefgründige Interviews und Foto-Slideshows. Ein kleines Manko sind die als Easter eggs versteckten zahlreichen Extraclips, die gar nicht so leicht aufzuspüren sind (klar, am PC ist das wesentlich einfacher…).

Hinzu kommen fünf CDs, die jeweils ebenfalls die kompletten Konzerte beeinhalten, inkl. aller Zugaben (darunter Songs wie „Life“, „Pixilate“ oder „Kingdom“, sowie arschgeile Coversongs á la „Fake Punk“ und „Metal Dilemma“). Sozusagen ein Rundum-Sorglos-Paket und das zu einem wirklich unschlagbaren Preis. Wer die DTP-Alben bereits sein eigen nennt und/oder in London nicht dabei sein konnte…. tja, was soll ich noch sagen, der MUSS hier UNBEDINGT zugreifen! Es geht gar nicht anders!

In aller Kürze:

4 DVDs (DVD9) + 5 CDs in großer Digi-Box
Widescreen, LPCM Stereo
Konzertperformances + Zugaben
Interviews, Making-Ofs, Ziltoid-Clips, Kommentarspuren, Foto-Slideshows, Featurettes
Musik-Videos: „Coast“, „Bend It Like Bender“, „Juular“, „Kawaii“

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09.08.2012

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