
DUNGEONS & DRAGONS geht knapp 50 Jahre nach Erscheinen der ersten Edition in die nächste Runde. One D&D stellt eine rundum überarbeitete Neuauflage der populären fünften Regeledition des Fantasy-Rollenspielsystems dar und bleibt kompatibel mit deren bisherigen Büchern.
Zwischen Rückblick und Neuanfang
Inhalte aus vorherigen Spielhilfen wurden teils sogar in das neue Grundregelwerk eingebaut. So finden sich mehrere Unterklassen, die zuvor in Büchern wie „Tashas Kessel Mit Allem“ enthalten waren, nun direkt im neuen „Spielerhandbuch“. Ebenso gesellen sich Goliath und Aasimar zu den spielbaren Spezies dazu.
Insgesamt wurde die Charaktererstellung offener gestaltet, was die Wahl des Wortes „Spezies“ anstelle von „Rasse“ bereits verdeutlichen soll. Hand aufs Herz, der Begriff ist im deutschsprachigen Kulturraum natürlich noch mehr vorbelastet, wenn er sich auf die Abstammungsverhältnisse von Humanoiden bezieht, aber auch die regeltechnischen Veränderungen spiegeln dies wider. So gibt es keine festgelegten Attributsboni mehr, die zum Beispiel allen Zwergen +2 auf Konstitution geben, sondern die Punkte können nun freier verteilt werden.
Dafür wird den Hintergründen, jetzt „Charakterherkunft“ genannt mehr Gewicht gegeben. Diese beeinflussen nun die Attribute, geben ein Starttalent und weiterhin Boni auf Fertigkeiten. Der Fokus liegt also auf den gesellschaftlichen Verhältnissen aus denen die jeweilige Spielfigur stammt, wodurch diese eine größere Rolle spielen als noch in der alten Regelversion.
Klare Strukturen und viele Optionen
Auch Talente werden schwerer gewichtet. Waren sie zuvor am äußerst optionalen Rand des Regelsystems zu finden, erhält nun jede Spielfigur von Anfang an ein Talent, das zum Beispiel Fertigkeiten modifiziert oder situationsabhängige Optionen im Kampf gewährt. Dadurch kann den einzelnen Charakteren auch regeltechnisch mehr Individualität verliehen werden.
Dies erinnert an die dritte Edition von DUNGEONS & DRAGONS, weswegen fraglich ist, ob dies wieder dazu führen wird, dass die Stufenaufstiege von Spielfiguren von Beginn an vorab durchgeplant werden. In der ursprünglichen fünften Edition gab es weniger Stress zur Optimierung des eigenen Charakters aber eben auch weniger Auswahlmöglichkeiten.
Die Klassen wurden im Sinne eines dezenten Re-Balancing überarbeitet, aber nicht grundlegend verändert. Der Magier hat zum Beispiel ein strikteres Zaubermanagement, während der Barde flexibler zwischen arkanen Zauberlisten wählen kann. Zauber selbst wurden in drei große Kategorien eingeteilt: Arkane, Göttliche und Primalmagie, was ihre Einordnung erleichtert und für mehr Flexibilität sorgt, wenn man bei einem Stufenaufstieg neue Zauber wählt.
Eine sinnvolle Überarbeitung von DUNGEONS & DRAGONS
Blickt man also auf die Unterschiede, ist das neue „Spielerhandbuch“ also eine sinnvolle Überarbeitung, die für alte Hasen jedoch etwas gewöhnungsbedürftig sein kann, wenn diese die bisherigen Regeln stark verinnerlicht haben. So gilt eine gewürfelte 20 oder 1 jetzt immer und ausdrücklich auch außerhalb von Kämpfen als kritischer Erfolg oder Patzer. Mit dieser klaren Formulierung wurden bisherige Unklarheiten endlich beseitigt. Außerdem verleiht eine gewürfelte 20 nun immer Inspiration, also einen Vorteil bei einem frei wählbaren späteren Würfelwurf.
Wer bisher noch gar nicht mit DUNGEONS & DRAGONS zu tun hatte, wird ebenfalls gut abgeholt. Die bisherige Version des Grundregelwerks beinhaltete einige Stellen, vor allem bei den Regeln zur Magie, die grundlegende Mechaniken zu knapp oder zu unübersichtlich erklärten. Das neue „Spielerhandbuch“ berücksichtigt, dass zahllose Livestreams und ein abendfüllender Spielfilm in den letzten zehn Jahren die Popularität der Marke enorm gesteigert haben und DUNGEONS & DRAGONS auch nach jüngerer Kritik am Mutterkonzern Hasbro immer noch zu den beliebtesten Systemen zum Einstieg ins Rollenspielhobby zählt.
Layout und Übersetzung sind lobenswert
Die Illustrationen sind zahlreich, farbenfroh und abwechslungsreich, aber nicht so prägnant wie in anderen Rollenspielbüchern. Teilweise bringen sie eine gewisse Unruhe ins Layout, das ansonsten aber sehr gut gelungen ist. Vor allem unter dem Aspekt der Einstiegsfreundlichkeit ist es übersichtlich und intuitiv strukturiert.
Ein Lob kann auch der deutschen Übersetzung gegenüber ausgesprochen werden. Die hierzulande lokalisierte Version des bisherigen „Spielerhandbuch“ beinhaltete leider einige fehlerhafte Abweichungen zum Original und verwendete manche Begriffe nicht einheitlich. Insgesamt vermeidet die Übersetzung unnötigen Jargon, bleibt aber nahe am englischen Original und klar in ihrer Sprache.
DUNGEONS & DRAGONS in Zukunft nur noch online?
Das neue „Spielerhandbuch“ für DUNGEONS & DRAGONS ist ein sehr gut gelungenes Gesamtpaket und erfüllt alle Erwartungen an ein Rollenspielsystem, das übersichtlich genug für den Einstieg ist, aber auch ausreichende Tiefe für anspruchsvollen Langzeitspielspaß bietet. So sollte ein gutes Grundregelwerk immer sein, gerade vom Marktführer sollte aber auch nichts geringeres erwartet werden dürfen.
Wie lang die Halbwertzeit dieses Buches ist, wird die Zukunft zeigen. Der Verlag Wizards of the Coast, beziehungsweise der Eigentümer Hasbro wollen ihr Online-Geschäft ausbauen und haben bereits verkündet, das die hauseigene Plattform D&D Beyond näher an den Spieltisch gebracht oder diesen sogar verdrängen soll. Die neue Regelversion bietet entsprechend viele Anknüpfungspunkte für Erweiterungen wie neue Unterklassen, Charakterherkünfte, Talente und Zauber. Dies ist nichts neues und blähte vor allem die dritte Regeledition in den 2000ern unnötig auf. Heutzutage stellt sich jedoch die Frage, ob mögliche Updates bevorzugt digital vollzogen werden und das gedruckte „Spielerhandbuch“ nicht langfristig an Relevanz verliert.
Dieser Blick in die Kristallkugel soll aber nicht das vorhandene „Spielerhandbuch“ schmälern. Selten hat es ein Regelwerk geschafft, sich trotz seiner Möglichkeiten derartig kompakt zu präsentieren. Wie man zum Beispiel die Gewichtung auf die Charakterherkünfte oder die neue Einteilung der Zaubersprüche bewertet, mag Geschmackssache sein. Im Gesamtkontext des Regelwerks funktioniert jedoch jede Mechanik sehr gut und macht Lust, das Spiel direkt auszuprobieren.
Würfeln und blättern, statt lauschen und headbangen – In der Rubrik „Dice ‚em All“ stellen wir euch ausnahmsweise keine Musik vor, sondern Rollen- und Brettspiele.
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