Electric Callboy (zuvor Eskimo Callboy) - Bury Me In Vegas

Review

LADY GAGA, EMMURE, SCOOTER, ALL SHALL PERISH. Wer jetzt denkt, dass die Kollegen bei metal.de zuviel getrunken haben, der sollte gebannt weiterlesen, denn mit „Bury Me In Vegas“ von den Newcomern ESKIMO CALLBOY, kracht uns ein Album in die Redaktion, für das der Begriff „polarisierend“ neu erfunden werden muss, ein Album das die anfänglich genannten Bands musikalisch auf einen Nenner bringt, sofern denn überhaupt möglich, und ein Album, das man entweder so sehr liebt, dass man es niemehr aus der Anlage nehmen will, oder so zum Kotzen findet, dass man es umgehend mit Hilfe von Papis Werkzeugkiste in die CD-Hölle verfrachtet.

Aber ganz von vorne: ESKIMO CALLBOY aus dem schönen Castrop-Rauxel schossen vor circa einem Jahr aus dem Nichts an die Oberfläche, als man mit einer Coverversion von KATY PERRYs „California Gurls“ auf sich aufmerksam machte, und kurze Zeit später mit einer selbsbetitelten EP erste Lobeeren, wie auch diverse Morddrohungen, einheimsen konnte. Mit „Bury Me In Vegas“ kommt jetzt die erste Platte, die mit zehn Tracks, dickem Booklet und Hochglanz-Cover ganz schön was hermacht. Was die Sache so außergewöhnlich macht? Brutalster Breakdown-Mosh der Marke EMMURE trifft auf zuckersüße Melodien, die in aller Regel so sehr durch den Auto-Tune-Generator gejagt wurden, dass LIL WAYNE blass wird, Dubstep-Whoo-Whoos, dazu Trance-Parts, die von H.P. Baxxter höchstpersönlich stammen könnten, dutzende Soundexperimente, brutales Growlen, Gangshouts, dicke Riffs, und Texte, die abwechselnd zum exzessiven Alkoholkonsum, freizügigen Sex oder endlosen Parties einladen. Für den True-Metal-Maniac quasi Knoblauch, Weihwasser, Silberkugeln und Kruzifix in einem, für die Metal-Kids von heute DER Kracher schlechthin. Da ich mich aber weder in der einen noch der anderen Extreme bereit bin unterzuordnen, gehe ich ganz unverfroren an die Sache ran, und ich sags ja nur ungern, aber ESKIMO CALLBOY sind verdammt nochmal gut, sehr gut.

Mit dem Titeltrack „Bury Me In (Fucking) Vegas“ beginnen knappe 40 Minuten Dauer Bang-Bang, das es in sich hat. Die Elektro-Parts gliedern sich von Anfang an perfekt in das Konzept ein, die Breaks sitzen nackenbrecherisch genau, und die Melodien, auch wenn sie allesamt an Grenze zum Super-Kitsch kratzen, gehen unglaublich schnell ins Ohr. Das Album macht unendlich Spaß, gerade deshalb, weil sich die Jungs quasi keine Grenzen setzen, auf die Regeln pfeifen, und das machen, was gut klingt. Jeder Song bietet ein neues Klangerlebnis, ohne dabei an Struktur einzubüßen, denn Eingängigkeit trotz Brutalität wird hier durchgehend gewährleistet. Eine gewisse Offenheit sollte man beim Hören natürlich mitbringen, denn wer schon beim Neologismus „Electro-Core“ ein fieses Zucken bekommt, ist hier an der falschen Adresse. Hier wird jede Konvention mit Füßen getreten, während man die Herrlichkeit der Party-Welt und deren Exzesse besingt. Ich gebe ja zu „I want sex, i want cars, want the drugs, grab the stars“ kommt schon etwas plump, aber erinnert doch irgendwie an den guten alten Rock´n´Roll, oder? Auf die Songs einzeln einzugehen fällt schwer, da die Einflüsse und genrefremden Elemente so zahlreich sind, dass jeder Track zur Entdeckungsreise wird. Objektiv erfüllen die sechs Jungspunde aber alles, was ein hammer Debüt ausmacht. Ausgereiftes Songwriting? Jap. Neue Ideen und innovativer Sound? Aber sowas von. Jeder Song ein Kracher, keine Durchhänger? Bingo. Fette Produktion und was geboten fürs Geld? Absolut. ESKIMO CALLBOY könnten im Spielzimmer meiner kleinen Nichte den Nachmittag schmücken und genauso gut den Underground-Club um die Ecke brutal in Schutt und Asche legen. Und genau das ist es auch, was viele so sehr hassen, denn der ultraharte Metal-Mosh wird hier so massentauglich in Szene gesetzt wie nie zuvor.

Hat man sich aber man von alle Gedanken wie „Oh Gott steh ich hier gerade wirklich mit Techno-Beats an der Ampel“ oder „Man mit der Scheibe bebt die nächste WG-Party“ gelöst, wird das ganze viel einfacher. Und dann bleibt am Ende einfach nur ein verdammt gutes Album zurück, das nach einer langen Durststrecke endlich mal wieder etwas komplett Neues bietet und dabei ein Feuerwerk an guten Titeln zündet und uns eines wieder in Erinerrung ruft: Metal darf auch Spaß machen! Und falls mich die Szene-Polizei wegen unkorrektem Verhalten jetzt lynchen will, hab ich nur noch fünf Worte: Bury Me In Fucking Vegas!

03.04.2012
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