Hasard - Abgnose

Review

Der mysteriöse Franzose Hazard bleibt ein Enigma. Seine LES CHANTS DU HASARD bieten kammermusikalische Symphonien dar, die dem Geiste des Black Metal folgen und dessen Stimmung und Attitüde einfangen. Im Kontrast dazu steht sein Black Metal-Projekt HASARD, mit dem er den Black Metal vergleichsweise konventionell darstellt. Wobei „konventionell“ relativ ist, denn mit dem Debüt „Malivore“ zeigte er bereits, dass seine Vision des Black Metal immer noch ein ganzes Stück abgedrehter ist als bei einem Gros der Konkurrenz. Im wesentlichen fing „Malivore“ den fieberhaften Wahnsinn in Black Metal-Form ein und bildete den Klang gewordenen, Lovecraftschen Terror ab, intoniert durch symphonischen, ästhetisch hässlichen, gern nah am Abstrakten rangierenden Schwarzwurzelsound.

Fieberhafter Wahnsinn und klaustrophobischer Terror

Zwei Jahre später folgt der Nachfolger von „Malivore“, der den Titel „Abgnose“ trägt und thematisch die These aufstellt, dass keine Höhere Macht die Geschicke der Menschheit kontrolliert, sondern sich alles durch Zufall ereignet. Dieses Sujet kann einerseits natürlich philosophisch gedeutet werden, aber mit Betonung auf den fatalistischen Aspekt dieses Konzeptes kann man auch den Bezug zum Kosmischen und ferner Existentiellen Horror herstellen, was wiederum deutlich besser zur dargebotenen Musik passen würde. Denn die Klänge schon des Vorgängers wirkten wie eine mit dem menschlichen Ohr nur schwer greifbare Entität, ein abartiges, furchteinflößendes Black Metal-Manifest, dessen kammermusikalische Symphonic-Anreicherungen nur mehr zur finsteren Atmosphäre beitrugen.

„Abgnose“ folgt diesem Weg unbeirrt weiter, präsentiert sich aber noch vernagelter, noch chaotischer, noch unbegreifbarer und noch verdrehter als sein Vorgänger. Denn „Malivore“ hatte beispielsweise ein „Hypnocentrisme“, im Grunde ein perfekter Black Metal-Track, der sich bedächtig aber unaufhaltsam wie eine Alte Gottheit aus den Untiefen der Meere zu erheben schien, um sich sodann an die Zerstörung der Welt heran zu machen. Derartig lebhaft wird das Kopfkino bei „Abgnose“ nicht angeregt, auf dem Hazard einerseits noch aggressiver, andererseits noch undurchsichtiger agiert. Hier ertönen Klänge, die mit bloßem Ohr oft kaum einem einzelnen Instrument zuzuordnen sind, so als würde alles Organische miteinander verschmelzen – und die Hörerschaft mittendrin in diesem grauenvollen Strudel.

HASARD entfesselt ein wahrhaft apokalyptisches Black Metal-Spektakel

Hazard, der offenbar alleinig für sämtliche Instrumente und Vocals verantwortlich gewesen ist, ruft mit „Abgnose“ wahrhaftig ein apokalyptisches Spektakel hervor, dessen sinistre, erneut kammermusikalisch und auf verstörende Weise aus der Zeit gefallen wirkende Symphonic-Komponente durchaus das Zeug hätte, alte, expressionistische Stummfilmklassiker zu vertonen (v. a. „Negascendance“). Oft findet sich eine Art Spiralmotiv in den Melodien wieder, oft in Form von zyklischen oder diverse Skalen auf- und absteigenden Phrasen, die den fieberhaften, unbegreifbaren Charakter der Musik unterstreichen hin zum Punkt, dass sie in Kombination mit diesem abartigen Sound, der die Grenzen zwischen den einzelnen Instrumenten verschwimmen lässt, eine regelrecht klaustrophobische Wirkung auf die Hörerschaft ausüben.

Fürwahr, „Abgnose“ ist nichts für schwache Nerven und fordert noch viel mehr Eingewöhnung und Hörarbeit auf Empfängerseite als der ohnehin schon sperrige Vorgänger, geschweige denn die im Vergleich dazu deutlich zugänglicheren, symphonischen Werke unter dem LES CHANTS DU HASARD-Banner. Dabei mangelt es dem Werk nicht mal so sehr an Melodien, die sind nämlich da. Aber alles an „Abgnose“ ist so verzerrt, so verdreht, so abartig, dass selbst die Melodien keinen Trost zu spenden imstande sind. Das macht „Abgnose“ zu einem durch und durch kompromisslosen Werk, an dem sich Schöngeister die Zähne ausbeißen dürften. Einsteigern sei angeraten, dringend „Malivore“ anzutesten, bevor sich an „Abgnose“ herangewagt wird.

Denn dieses Album wirft jetzt schon die Frage auf, wie weit Hazard dieses Extrem auf künftigen HASARD-Releases noch ausloten könnte …

04.09.2025

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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