Jinjer - Macro

Review

JINJER aus der Ukraine haben in den zurückliegenden zwei bis drei Jahren einen beispiellosen Aufstieg hingelegt und befeuern den Hype mit unermüdlichen Tourabrissen und einer vor diesem Hintergrund umso bemerkenswerteren Veröffentlichungsfrequenz. Dem Re-Release von „Jinjer – Cloud Factory (ReIssue)“ 2018 folgte Anfang des Jahres bereits die „Micro“-EP. Nun schließt sich folgerichtig die „Macro“-LP an.

JINJER müssen sich auch auf Platte beweisen

Live über jeden Zweifel erhaben – beim Summer Breeze 2018 ließ das Quartett den Platz vor der überdachten Nebenbühne zurecht aus wirklich allen Nähten Platzen – gelang es JINJER bisher indes nicht zu 100 Prozent, die gleiche Energie und Erhabenheit auch auf Platte zu bannen. „Macro“ soll das ändern.

„Judgement (& Punishment)“ stellte eine vor diesem Hintergrund durchaus mutige Entscheidung für die Leadsingle dar: Machen JINJER jetzt auf SKINDRED? Nicht, dass das Experiment mit den Reggae-Elementen nicht unterhaltsam und durchaus catchy gelungen wäre. Im Albumkontext erweist es sich dennoch als Ausreißer.

„On The Top“ leitet „Macro“ vielmehr nach der mittlerweile bewährten JINJER-Formel zwischen groovendem Djent-Vers und düster gesungenem Refrain ein. Mitreißend gerät vor allem das letzte Songdrittel mit seiner progressiven Clean-Bridge. Gleich zu Beginn sei festgestellt: Tatiana Shmayluk hat hörbar an Selbstbewusstsein gewonnen und ihr ohnehin schon ziemlich beeindruckendes gutturales Gesangsspektrum noch um so manche Klargesangsfacette zwischen Sprechgesang, Punk-Röhre und Post-Epik erweitert (man höre nur den loungeartigen Part in „Home Back“). Die Kombination aus Live- und Studio-Leitung bringt sie damit geschlechtsunabhängig in die allererste Riege der Genre-Vokalisten.

„Macro“ bringt die Wärme in den Djent

Das soll natürlich nicht bedeuten, dass das Instrumententeam um Roman Ibramkhalilov, Eugene Abdukhanov und Vlad Ulasevich bedeutungslos bliebe. Ulasevich sorgt inmitten des technisch anspruchsvoll rollenden Djent-Fundamentes immer wieder für feine Akzente (vgl. das Snare-Spiel in „Retrospection“) und Abdukhanovs Bassspuren nehmen gerechtfertigterweise einen prominenten Platz im Albummix ein. Vor allem in den cleanen Breaks verleihen Sie „Macro“ eine Wärme und Natürlichkeit, die dem Genre nur allzu häufig abgeht.

Gleichzeitig sind JINJER kein bisschen softer geworden. Riffing und Gesang in „Pausing Death“ erinnern zwischenzeitlich an MESHUGGAH, obendrauf gibt es allerdings noch ein paar Blastbeats. In „Noah“ und „The Prophecy“ werden ebenfalls keine Kompromisse gemacht.

Das fokussierteste und stringenteste Werk von JINJER

Als größtes Experiment neben dem erwähnen „Judgement (& Punishment)“ geht sicherlich „lainnereP“ (einfach den Computer drehen, bis ihr es lesen könnt) durch, das „Macro“ mit düsteren Klavierklängen, wummernden Bässen und Industrial-Anleihen atmosphärisch und finster ausklingen lässt.

Angefangen beim Cover ist „Macro“ das fokussierteste und stringenteste JINJER-Album. Ein neues „Pisces“ gelingt den Ukrainern nicht – dafür transportiert die Platte eine düstere Gesamtatmosphäre und hält viele Details bereit. Auf die November-Tour kann man sich ohnehin schon freuen.

25.10.2019
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