Kärbholz - Herz und Verstand

Review

KÄRBHOLZ wollen zu Beginn ihres neuen Albums „Herz und Verstand“ gerne „Tabula Rasa“ machen. Komisch, denn es geht so weiter, wie auf den vorherigen Alben. Moment, das sind schon sieben Stück gewesen und „Herz und Verstand“ ist der achte Langspieler im Gepäck der Ruppichterother? Das liegt übrigens irgendwo östlich von Bonn in Bergisch Kongo, bevor jetzt jemand Google bemüht.

Warum erstaunt die doch recht üppige Anzahl von Alben in diesem Zusammenhang? Nun, wie bereits angedeutet, klingen KÄRBHOLZ auch im Jahr 2019 noch im Wesentlichen so, wie damals, als sie ihren „Vollgas Rock’n’Roll“ erstmals unters Volk brachten. Also alles gut, mag mancher Traditionalist denken. Im Falle von KÄRBHOLZ wäre dies jedoch ein Trugschluss, verharrt die Gruppe doch seit jeher auf dem musikalischen Niveau einer talentierten Schülerband.

KÄRBHOLZ – Stillstand auf niedrigem Niveau

„Herz und Verstand“ dürfte jeden BWL-Studenten erfreuen, bestätigt das Album doch die These, dass ohne Marktdruck keine Innovation entsteht. So verkauft sich die Abziehbild-Musik von KÄRBHOLZ irgendwo zwischen ONKELZ, BROILERS und TOTEN HOSEN seit zehn Jahren gut genug, ohne dass der Wille zur Weiterentwicklung oder Verbesserung zu erkennen wäre. Gut, die Anzahl der schmalzigen Nummern nimmt vielleicht mit jedem Album zu, aber musikalische Glanzleistungen sucht man – wahrscheinlich gerade deswegen – auf „Herz und Verstand“ vergebens.

Das klingt jetzt vielleicht hart, ist aber lediglich nüchterne Feststellung. Dass Sänger Torben Höffgen nach all den Jahren auf einmal vom gepresst-heiseren Sprechgesang abweicht und zum Beispiel eine Note zu treffen versucht, sollte inzwischen niemand mehr erwarten. Der Frontmann pumpt  zugegebenermaßen trotzdem viel raues Charisma in die Songs, was sicher einer der Gründe für den Erfolg der Band ist. An vielen Stellen stolpert der Sänger jedoch mehr schlecht als recht durch die Songs, hörbar bemüht, jede Silbe seiner plakativen und wenig abstrakten Texte noch irgendwie unterzubringen.

Auch die instrumentale Fraktion bekleckert sich nicht gerade mit Ruhm, sondern leistet Dienst nach Vorschrift. Wenn Gitarrist Adrian Kühn mal eine Spitze setzt, bringt das zwar ein paar nette Farbtupfer in die Songs, geht aber auch nicht über das Standard-Repertoire eines Studio-Musikers hinaus. Tatsächlich ist der erste Eindruck bei manchem Solo sehr gut, was aber eben daran liegt, dass so wenig Bemerkenswertes auf Herz und Verstand passiert und das Gehör dankbar für ein wenig Abwechslung ist. Dass KÄRBHOLZ auf „Herz und Verstand“ vermehrt auf schwachbrüstige sowie austauschbare Rock-Balladen setzen, ist da keine Hilfe.

„Herz und Verstand“ – selbst die Zielgruppe kann verzichten

Schade eigentlich, denn wenn KÄRBHOLZ Vollgas geben und punkig losrocken, wie beim Anti-AfD-Song „Falsche Alternativen“, zeigt sich, wo die eigentlichen Stärken der Band liegen. Einfach rocken, schreien und der eigenen Attitüde auch mal gerecht werden. Aber gut, das Album heißt ja auch „Herz und Verstand“. Insofern passt der Inhalt mit Halbballaden, Schunkelsongs und Kalenderspruch-Lyrik dann vielleicht ja ganz gut – gute Musik kommt dabei aber nicht rum. Selbst für die Zielgruppe ist das Album deswegen aber nur mit viel Gnade und Scheuklappen zu ertragen.

12.03.2019
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