Leaves' Eyes - Lovelorn

Review

Ganz so vehement auf MTViva getrimmt, wie von Kollege Menschenfeind im Review zur ersten Singleauskopplung „Into Your Light“ befürchtet, biegt das LEAVES‘ EYES-Debüt „Lovelorn“ dann doch nicht um die Ecke. Natürlich könnte man Liv Kristine Espenaes Krull und ihren fünf Mitstreitern (allesamt bei ATROCITY aktiv) vorwerfen, gezielt auf den NIGHTWISH/WITHIN TEMPTATION-Trendzug aufzuspringen, aber irgendetwas in mir wehrt sich dagegen. Ich denke, es liegt an einem Album namens „Aegis“ von einer Band namens THEATRE OF TRAGEDY aus dem Jahre 1998, nach dem ich aufgrund ihrer musikalischer Weiterentwicklung mit jener Band gebrochen habe. Dieses Album hier setzt genau dort an, wo ToT vor sechs Jahren aufgehört haben, als es noch keinen Boom um Tarjas oder Sharons gab, und ist quasi seine logische Fortsetzung. Großartige Harmonien, romantisch-epische Atmosphäre, abwechslungsreiche Songs und natürlich die unvergleichliche, nochmals gesteigerte Sangesperformance der Ehefrau von ATROCITY-Mastermind Alex Krull, der mit seinen harschen Vocals in drei Songs sogar ein wenig das altbekannte „Beauty and the Beast“-Feeling wiederbelebt, führen den Hörer durch zehn Songs voll von Liebe. Erstaunlicherweise kommen LEAVES‘ EYES dabei völlig ohne übermäßigen Kitsch oder aufgesetzte und gekünstelte Melancholie aus. Vielmehr verbreitet dieses Konzeptalbum über einen Mann, dessen große Liebe im Meer ertrunken ist, weswegen nur noch durch eine Meerjungfrau eine Verbindung zwischen den beiden besteht, eine positive Grundstimmung, was im Gothic-Bereich leider selten der Fall ist. Egal ob bratende Gitarren mit eingängigen Keyboards kombiniert werden („Norwegian Lovesong“, „Ocean’s Way“, „The Dream“), oder Livs engelsgleiche Vocals, die sie übrigens hochschwanger eingesungen hat, nur von Piano, Streichern oder den Keys begleitet werden („Lovelorn“, „For Amelie“), stets umgibt einen ein unbeschwerter, sicherer Mantel von positiven Gefühlen, den man so schnell nicht wieder ablegen möchte, weil sonst dieser süße Traum zu Ende wäre. Ein von der ersten bis zur letzten Sekunde wunderschönes Album, dem man, wie schon erwähnt, höchstens ankreiden könnte (wenn man wollte), in manchen Momenten zu sehr auf Nummer Sicher zu gehen. Wer sich daran nicht stört und noch dazu THEATRE OF TRAGEDYs „Aegis“ liebt, kann blind zugreifen.

27.05.2004
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