Lucifer - Lucifer IV

Review

Besetzungswechsel und Weiterentwicklung des Sounds vom Doom hin zum okkulten Heavy Rock – diese Entwicklungsphase konnten LUCIFER mit „Lucifer III“ vor anderthalb Jahren eindrucksvoll abschließen. Leider konnten der hervorragenden Platte nicht die Live-Ehren zuteilwerden, die sie verdient hätte. Kopf in den Sand stecken ist aber wohl so gar nicht die Sache von Johanna Platow Andersson, Ehegatte Nicke Andersson Platow und ihren Mitstreitern. So entstand einfach direkt noch eine Scheibe und man kann (hoffentlich) bald mit zwei starken Platten gleichzeitig auf Tour gehen – so denn „Lucifer IV“ das hohe Niveau seines Vorgängers halten oder gar übertreffen kann.

LUCIFER – Zu viel Retro-Feeling?

„Archangel Of Death“ ist dabei im Prinzip erst einmal der perfekte Opener. Geile, heulende Leadgitarren, ein Chorus der im Kopf bleibt und rockende Riffs, die für genügend Punch sorgen. Einzig der etwas übertriebene Einsatz von Filtern, hier vor allem auf Johannas Stimme, die wohl noch mehr Retro-Feeling vermitteln sollen als die Musik an sich bereits transportiert, trübt das Hörvergnügen ein klein wenig. In „Wild Hearses“ zeigt sich der Sound erfreulicherweise aber bereits wieder deutlich ausgeglichener. LUCIFER klingen hier außerdem so sehr nach BLACK SABBATH, wie wohl seit ihrer noch deutlich doomigeren Debüt-Scheibe nicht mehr. Ein willkommenes Plus an Abwechslung.

Hier liegt vermutlich auch der größte Unterschied zum Vorgänger „Lucifer III“. Dort, wo dieser um einiges gefälliger und ohrenschmeichelnder daher kam, in fast jedem Song auf extrem eingängige Melodielinien – mit starkem Fokus auf den Gesang – setzte, ist „Lucifer IV“ wieder deutlich vielseitiger. Langsam-düstere SABBATH-Huldigungen kommen genau so wenig zu kurz wie klassische Rocker oder auch etwas poppigere Ohrwürmer á la GHOST, wie beispielsweise das grandiose „Bring Me His Head“.

Auch in Lyrics und Bildsprache haben sich LUCIFER noch weiter entwickelt. Ja, Parallelen zu anderen okkult angehauchten Heavy Rockern wie den gerade schon genannten GHOST oder auch YEAR OF THE GOAT, mit denen eine gemeinsame Tour geplant ist, die hoffentlich bald endlich stattfinden kann, sind 2021 deutlicher denn je. LUCIFER beleuchten hier aber die weibliche Seite dieser Stilrichtung, ohne sich dabei selbst zu Ernst zu nehmen. Das göttliche Cover-Foto vermittelt, genauso wie diverse bewusst plakative Texte genau das richtige Maß an Augenzwinkern, um ein Grinsen auf das Gesicht des Hörers zu zaubern, ohne dabei auch nur annähernd albern zu wirken.

Weniger Ohrwürmer, mehr Rock’n’Roll – „Lucifer IV“

Das entscheidende dritte Album meisterten LUCIFER im letzten Jahr mit Bravour, die Weichen für die künftige Entwicklung schienen gestellt. So klingt „Lucifer IV“ nicht unbedingt überraschend, aber eben auch nicht wie ein lahmer Aufguss seines Vorgängers. Etwas sperriger, nicht ganz so leichtfüßig wie „Lucifer III“, braucht die Scheibe ein paar Durchläufe um komplett zu zünden, hält insgesamt auch weniger Ohrwürmer bereit. Wem das letzte Album aber ohnehin ein wenig zu seicht war, der sollte hier unbedingt reinhören, setzen Johanna, Nicke und Co. doch wieder mehr auf Rock’n’Roll.

Ein wenig Meckern auf hohem Niveau muss trotzdem sein: Manchmal versuchen LUCIFER mit der Dampframme einen auf Retro zu machen, was eigentlich gar nicht nötig wäre und ein, zwei Nummern zünden auch nach mehrfachem Hören nicht komplett. All das ändert aber nichts daran, dass die Band ihre Nische gefunden hat, sich darin offenbar verdammt wohlfühlt und erneut einen hochklassigen Longplayer raus haut, der vielleicht nicht unbedingt Klassikerstatus erreichen wird, aber dennoch zum besten gehört, was dieses Genre 2021 zu bieten hat.

23.10.2021

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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