Macbeth - Gedankenwächter

Review

In Zeiten von musikalisch leichtgewichtigen Gesundbetern, welche die deutschsprachige Musiklandschaft bevölkern, ist man ja dankbar, wenn sich Bands wie MACBETH halten. Keine Selbstverständlichkeit, trotz der langen Geschichte, auf welche die Herren zurückblicken können: Zeitgeschichtliche Umstände, welche die Existenz einer Metalband in der DDR mit sich brachten, und längere Pausen, unter anderem ausgelöst durch den Selbstmord ihres damaligen Schlagzeugers Rico Sauermann 1993, warfen die Band immer und immer wieder zurück. Lange nach ihrer offiziellen Gründung 1985 debütierten sie in voller Länge erst 2006 mit dem selbstbetitelten Album.

Die bissigen Underdogs aus dem Osten sind wieder da

Von hier an sollte es erst richtig losgehen, zunächst mit dem 2009 erschienenen ersten Album unter Massacre „Gotteskrieger“, bei dem sie unter anderem eindrucksvoll die Titelmelodie von „Das Boot“ im gleichnamigen Song aufgegriffen haben. Hier hat sich natürlich längst etabliert, wofür die Band steht: Schwerer Metal mit hochqualitativen, deutschsprachigen Texten, die kein Blatt vor den Mund nehmen und immer wieder Salz in die klaffende Wunde streuen. Diese Fähigkeiten – vor allem die Musikalischen – feilten sie mit jedem Album immer ein Stück mehr aus, zunächst beim durchschlagskräftigen „Wiedergänger“, dann beim kompromisslosen „Imperium“.

Und auf eines kann man sich bei MACBETH nach wie vor verlassen: Die lyrischen Pillen, die sie auf ihrem neuen Album „Gedankenwächter“ reichen, schmecken auch 2020 bitter und bleiben mehr als nur einmal im Halse stecken. Die Herren reißen das rosarote Luftschloss, das sich manch anderer, deutschsprachige Act im Metal und darüber hinaus aufgebaut hat, ein mit ihrem drastischen, direkten Textwerk, das mal auf martialische Weise, aber auch mal anhand vom historischen sowie aktuellen Zeitgeschehen eine sozial-, religions- oder politkritische Thematik aufgreift.

MACBETH haben ihre Zähne feil gehalten

Doch auch musikalisch bleiben MACBETH vorne mit ihrem tonnenschweren, wütenden Sound, der von Doom über episch angehauchten Heavy Metal hin zum Thrash eine ganze Reihe von Intensitäten abdeckt. Der Druck ist dabei immer da, fährt eben nur mit unterschiedlich hoher Schlagzahl in den Nacken. Der Klangschmied hierhinter, Patrick W. Engel, weiß als ex-Drummer der Herren natürlich, wie sie zu klingen haben. Und er hat ihnen entsprechend einen kalten, metallischen Sound auf den Leib geschneidert, der sich wunderbar an die finstere, lebensfeindliche Stimmung der Songs anschmiegt und sie dennoch ausreichend zugänglich macht.

Die Frage lautet hier natürlich: Wie zeichnet sich diesbezüglich die qualitative Entwicklung ab? Der „Gedankenwächter“ ist definitiv wieder etwas heavier, aber deshalb nicht minder durschschlagskräftig unterwegs. Thrashige Passagen gibt es natürlich so einige, zum Beispiel im Opener „Friedenstaube“ – ein im Kontext des Inhaltes zynisch gewählter Songtitel, schließlich behandelt der Song das tödliche Werk eines (zu?) gehorsamen Kampfpiloten. Nach stimmungsvollem Intro schlägt die Bombe buchstäblich ein und der Song geht auf knüppelharte Tuchfühlung, die mit einem Killer-Refrain gekrönt wird.

Musikalische und lyrische Treffsicherheit werden auf „Gedankenwächter“ groß geschrieben

In die Riege der schon irgendwie mit reichlich Old-School-Flair angehauchten Thrasher reiht sich auch das Handkantenschläge verteilende „Neue Welt“ ein, sowie das großartige „Brandstifter“, mit dem die Band scharf gegen kriegstreibende Politiker und Strippenzieher schießt, die ihre Armeen aus sicherer Distanz heraus an die Front schicken. Und nebenher weist der Track einen der zitierbarsten Refrains der Platte auf:

Zu den Waffen
rufen sie
doch auf dem Schlachtfeld
sieht man sie nie

Und dann ist da noch die schöne Variation zum Ende des Songs, mit dem MACBETH die beinahe logische, wiederum drastische Schlussfolgerung aus dem Problem ziehen. Auch der Titeltrack pumpt ordentlich und legt ein paar abartige Grooves aufs Parkett. Der Refrain geht dabei so richtig schön ins Blut und bringt dieses zum Kochen. Und der Rausschmeißer „Demmin“ gestaltet sich wieder ziemlich treibend, zwar längst nicht so zackig wie „Brandstifter“, aber dennoch mit ordentlich Dampf unterm Kessel versehen. Dazu gibt es einen melodischen Refrain, den sich Oliver Hippauf aus der Kehle kratzt.

Aber auch die Midtempo-Stampfer halten auf „Gedankenwächter“, was sie versprechen und geraten zum Teil richtig monumental. So kommt der „Krieger“ mit einem epochalen Refrain daher. „Wolfskinder“ greift eine Flüchtlingsthematik auf und serviert dem Hörer dabei ebenfalls eine ziemlich fette Hook. Beinahe sakral mutet der Refrain von „Hexenhammer“ an. „Daskalogiannis“ beginnt fast andächtig und behandelt den Aufstand der Griechen um den titelgebenden Daskalogiannis gegen die damals auf Kreta herrschenden Osmanen. Das ist textlich mit reichlich Pathos versehen und geschieht zugegeben nicht, ohne seinen grausamen Tod in gewisser Weise zu romantisieren.

MACBETH bleiben stark

Damit halten MACBETH das mit „Imperium“ vorgelegte Niveau. Insgesamt wieder etwas rauer unterwegs stehen die Heaviness und der dreckige Sound der Band gut zu Gesicht wie eh und je. „Gedankenwächter“ ist ein finsteres Album und eines, das nicht auf Freundlichkeiten aus ist. Das machen die hervorragenden Texte und die Gift und Galle spuckende Darbietung von Hippauf mehr als deutlich, wobei die Band Plattitüden weitestgehend geschickt umschifft werden. Ein paar davon sind hier und da mal in den Text hinein gerutscht, aber das kann mal passieren.

Fest steht: Mit „Gedankenwächter“ haben die Thüringer einmal mehr einen ziemlich hochkarätigen Brocken vom Zaun gebrochen, der erst einmal verdaut werden möchte. Die hervorragende Gitarrenarbeit von Ralf Klein und Alexander Kopp findet stets die richtige Mischung aus Aggressivität und Melodie, während Steffen Adolf am Schlagzeug die Songs mit ordentlich Inbrunst nach vorne peitscht. MACBETH steigen definitiv wieder in die Tiefe herab und kämpfen an der vordersten Front – und zwar nicht in den blitzblank polierten Schützengräben, wie sie SABATON besingen. Denn die Thüringer wissen, wie grausam und schmutzig die Realität aussieht und können mehr als nur ein Lied davon singen…

24.03.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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