Mastodon - Emperor Of Sand

Review

Acht Jahre nach ihrem Meisterstück „Crack The Skye“ haben MASTODON mit „Emperor Of Sand“ wieder ein Konzeptalbum aufgenommen. Es geht um eine Krebserkrankung und einen einsamen Wanderer in einer endlosen Wüste. Dass dabei zu allem Überfluss auch noch mit Brendan O’Brien die gleiche Produktionspersonalie wie 2009 mit dabei sein sollte, war der Erwartungshaltung im Vorfeld gelinde gesagt zusätzlich zuträglich. Dann zwei Singles: „Sultan’s Curse“ mit seinem tatsächlich unleugbaren „Crack-The-Skye“-Vibe und „Show Yourself“, der zu diesem Zeitpunkt vielleicht eingängigste und poppigste Song der Bandgeschichte. Ratlosigkeit allenthalben. Quo vadis, MASTODON?

Der Song als solcher steht im Vordergrund wie nie zuvor

„Wo immer es sie hinzieht“, kann nach dem Hören von „Emperor Of Sand“ die einzig belastbare Antwort auf diese Frage sein. Studioalbum Nummer sieben rockt bisweilen straighter und konventioneller als alles, was der direkte Vorgänger „Once More ‚Round The Sun“ aufzufahren wusste, gleichzeitig ist es möglicherweise das Werk mit dem weitesten Horizont in der Diskographie einer Band, die von Horizonterweitung so viel versteht, wie kaum eine andere.

MASTODON beschränken ihr Gespür für große Melodien 2017 längst nicht mehr nur auf die Sphäre ihrer jeweiligen Instrumente, sondern experimentieren in einem Maße mit dem Potential dreier Sänger unterschiedlichster Stimmfarben, wie es Anfang der 2000er noch unvorstellbar schien. Troy Sanders tritt auf „Emperor Of Sand“ schlicht und einfach nicht mehr als primärer Vokalist auf. Was sich schon auf „Once More ‚Round The Sun“ abzeichnete, findet auf „Emperor Of Sand“ seine konsequente Fortsetzung: Die großen Refrains steuert Brann Dailor von hinter dem Schlagzeug bei. Songs wie „Steambreather“, der nebenbei mit einem für MASTODON fast schon zu simplen Sludge-Riff überrascht und „Roots Remain“, tragen ganz klar seine Handschrift. Zudem hat er sich diesmal in Sachen Zusatzperkussion von der scheppernden „Oblivion“-Kiste, über die links und rechts vorbeirasselnden Maracas bis hin zur Triangel ordentlich austoben können. Zumindest im Studio tut das alles seinem geschmackvollen, songdienlichen und dennoch an jeder Ecke mit brillanten Momenten gespickten Schlagzeugspiel keinen Abbruch. Alles Weitere sehen wir dann live.

Der Song als solcher steht auf „Emperor Of Sand“ im Vordergrund wie nie zuvor. Im Endergebnis hat diese Herangehensweise verschiedene Ausprägungen: Werden, wie in „Word To The Wise“, Punk-Vibes, MAIDEN-Leads und grenzgeniale Brent-Hinds-Momente mit einem schwelgerischen Pop-Refrain verknüpft, so ist das hochspannend. An anderer Stelle zeigt aber „Ancient Kingdom“ mit seinem extrem kitschigen, Harmonie- und Weihnachtsglocken-gesättigten Refrain die enorme Fallhöhe beim Agieren ohne Fesseln auf.

MASTODON sind selbst im Scheitern erhaben

Das ist immer noch verzeihlicher als der Fanservice, den „Sultan’s Curse“, bei aller Klasse, befürchten ließ. Denn nur wenn die Herren Sanders, Hinds, Kelliher und Dailor befreit aufspielen, dann kann am Ende alles passieren. Und alles, ja alles ist „Jaguar God“. Nach Vocoder-Hymne („Clandestiny“), dem bösesten Kelliher-Riff des Albums („Andromeda“) und einer gelungenen Verbeugung vor den eigenen Anfängen („Scorpion Breath“), setzt dieses ausufernde Kleinod einen bemerkenswerten Schlusspunkt. Eingeleitet von einem vernuschelten Brent Hinds, der wohl noch nie so sehr nach LYNYRD SKYNYRD klang, steigert sich „Jaguar God“ zu einem erhabenen Progressive-Metal-Märchen im MASTODON-Gewand, das nach einer unfassbaren Riff-Achterbahn in einem Niederknie-Solo vergeht. Groß.

Und das soll es dann gewesen sein, das siebte MASTODON-Album. „Emperor Of Sand“ wird spalten – und den Vierer aus Atlanta wird es nicht interessieren. Wir erleben eine Band, die unbeirrt das macht, was sie machen möchte, dabei kein perfektes Album liefert, aber einem selbst in ihren Ikarus-Momenten Respekt abverlangt.

31.03.2017
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