Mayhem - Atavistic Black Disorder / Kommando

Review

Wir schreiben das Jahr 2019 und blicken auf den Monat Oktober. MAYHEM haben gerade ihr sechstes Studioalbum “Daemon” veröffentlicht und gehen auf Tour um das neue Material zu promoten. Als die Band in den USA ankommt, werden alle anstehenden Konzerte gestrichen. Was bleibt ist ein kaum zu definierendes Gefühl der Leere, denn auch jetzt, eineinhalb Jahre später haben die Norweger noch immer ein aktuelles Album auf dem Markt, dessen Qualität so gut wie gar nicht live erprobt werden konnte.

Statement statt Brücke

Ausgerechnet in dieser Phase veröffentlicht die Band eine EP mit ein paar Überbleibseln der “Daemon”-Sessions. Dabei handelt es sich um das bis dato noch nie gehörte “Voces Ab Alta” und die zwei bereits veröffentlichten Bonus-Tracks des Deluxe-Boxsets, “’Everlasting Dying Flame” und “Black Glass Communion”.

Als Ergänzung wurde in den Katalogen der DEAD KENNEDYS, DISCHARGED, RAMONES und RUDIMENTARY PENI gewildert und entsprechend gecovert. All das klingt für Black-Metal-Ultras der ersten Stunde natürlich super lecker und eins sei bereits vorweg genommen: Das Ergebnis kann sich hören lassen und sollte nicht als Zwischenspiel während der Pandemie verstanden werden.

MAYHEM stehen zu ihren Wurzeln

“Voces Ab Alta” knüpft ansatzlos an “Daemon” an und besitzt den liebgewonnenen, bissig flächigen Gitarrensound, den Teloch und und Guhl unterdessen als Band-Trademark etablieren konnten. Attila Cshiars bissige Flüche vermengen sich mit Jan “Hellhammer” Blombergs gewohnt taktischem Gebolze, während der Bass trägt und einfach vorhanden ist. Eine gelungene Fortsetzung zur Full-Length-Version also.

Der zweite Teil der Scheibe beginnt mit einer Neuinterpretation von “In Defense Of Our Future” aus dem Hause DISCHARGED. Auch in diesem Fall sorgen die Reibeisen-Gitarren für einen Gänsehautmoment, reichen sie doch ziemlich nah an das Original heran. Der Gesang indes überzeugt in seiner niederträchtigen Darbietung sogar noch mehr. Das Tempo haben MAYHEM im Vergleich zur Ur-Fassung nicht angezogen, weshalb Blomberg ausnahmsweise vom Gaspedal steigen und seine Tightness anhand lockerer Punk-Beats unter Beweis stellen muss.

“Atavistic Black Disorder / Kommando”: Am Ziel vorbei?

Weiter geht es mit dem DEAD KENNEDYS-Klassiker “Hellnation”, auf dem der frühere Frontmann Sven Eric “Maniac” Kristiansen einen Cameo-Auftritt feiert. Der Mann war schon immer der MAYHEM-Sänger mit dem besten Englisch und seine mahnenden Predigten von “Grand Declaration Of War” und “Chimera” fügen sich wunderbar in die von Hass getriebenen Zeilen von Jello Biafra. Mit “Commando” bekommen auch die CBGB-Dauergäste RAMONES ihr Fett weg, wobei MAYHEM hier in Sachen Geschwindigkeit nicht auf Augenhöhe mit den New Yorkern bleiben und statt einer gechillten Surfer-Hymne eine wütende Tempowalze abliefern. Auch “Only Death” der britischen RUDIMENTARY PENI macht für MAYHEM-Verhältnisse richtig Spaß und passt gleichzeitig wunderbar in die ungezügelte Frei-Schnauze-Attitüde der Black-Metal-Opas.

Mit Messiah wurde übrigens ein weiterer Ex für Gast-Vocals gewonnen, was das Ergebnis zu einem beinahe schon farbenfrohen Konglomerat aus Diversitäten werden lässt. Auch wenn eingefleischte Freunde der DSP-Ära MAYHEMs kaum ein gutes Wort an der wohlklingenden Produktion und dem Konzept der EP verlieren dürften, kommt dieses überraschende Werk in Zeiten von Einheitsbrei und ausgelatschten Trve-Pfaden gerade zur richtigen Zeit. Und das von genau der richtigen Band.

02.07.2021

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