Meshuggah - The Violent Sleep Of Reason

Review

Als MESHUGGAH vor geraumer Zeit bekanntgaben, ihr neues Album „The Violent Sleep Of Reason“ komplett live eingespielt zu haben, blieb eine leichte Skepsis nicht aus. „Wasting Light“ soll schließlich auch in Dave Grohls Garage entstanden sein und weist dennoch ein durch und durch glattgebügeltes Chartspitzen-Soundbild auf. Überhaupt, waren MESHUGGAH nicht immer bekannt dafür, ihre Songs immer erst am Computer zusammenzubasteln und sie danach zu lernen? Waren die maschinelle Perfektion und die unmenschlich anmutenden (wenn auch live stets perfekt dargebotenen) Polyrhythmen nicht die Essenz dieser Band? Wovon sprechen wir, wenn Tomas Haake „The Violent Sleep Of Reason“ als „sloppier“ und „less perfect“ beschreibt?

MESHUGGAH gehen direkt in die Vollen

Stolze vier Jahre sind seit dem letzten Studioalbum „Koloss“ vergangen. Um das genretypische Zweijahresintervall haben sich die Schweden aber noch nie wirklich geschert und da Multitasking das ihre angeblich nicht ist (sagt Tomas Haake, dessen Hände und Füße so unabhängig voneinander agieren wie nur irgend möglich), konnten erst nach Tourabschluss auch wieder neue Songs geschrieben werden. Zehn sind es nun an der Zahl, mehr als die Hälfte davon überschreiten die sechs Minuten. An Material hat es offensichtlich nicht gemangelt.

Knappe zwei Sekunden zählt ein Jazz-Pinsel „Clockworks“ ein, dann walzt das erste hypnotische Riff über den Hörer hinweg. Kranke Gitarrenleads gesellen sich hinzu, und dann keift Jens Kidman seine staccatoartig vorgetragenen Wortfetzen über das bereitete Fundament. In seinen sieben Minuten fährt „Clockworks“ die ganze Bandbreite MESHUGGAH auf. Es gibt Tempowechsel, Leadstimmen und so etwas wie einen Refrain. Die Atmosphäre ist dicht, ein Riff fesselnder als das andere. Das bereits ausgekoppelte „Born In Dissonance“ gerät für MESHUGGAH-Verhältnisse „zugänglicher“ und endet in verhallenden Dissonanzen und „MonstroCity“ ist mit seinem unerbittlichen Groove ein frühes Highlight auf „The Violent Sleep Of Reason“.

Wieder kein neues „Bleed“

Bis zu diesem Zeitpunkt macht es nicht den Eindruck, als hätten MESHUGGAH einer organischeren Produktion zuliebe Abstriche in Sachen Komplexität und technischer Perfektion gemacht. Zugegeben, in „By The Ton“ hört man die Seiten durch die vielen Slides quietschen, die grabestiefen Riffs aber sind so tight dargeboten und fett abgemischt wie eh und je. Irgendwann scheinen die Songs dann, wie es bei MESHUGGAH auf Albumlänge oft der Fall ist, zu verschwimmen und ineinander überzugehen. Der oft kopierte und nie erreichte MESHUGGAH-Mahlstrom fängt an, die musikalische Konzentrationsfähigkeit zu überfordern, und es sind eher Stimmungen als einzelne Riffs, die sich einprägen.

Ein zweites „Bleed“ fährt „The Violent Sleep Of Reason“ zwar nicht auf, einige Songs stechen aber doch hervor:  „Ivory Tower“ überzeugt mit bösen, chromatischen Gitarrenläufen und verhältnismäßig viel Dynamik und stellt ein weiteres Albumhighlight dar. Ab und an lassen MESHUGGAH auch die ureigene METALLICA-Verehrung deutlicher durchblicken und huldigen dem Thrash Metal. Ein Beispiel dafür ist „Our Rage Won’t Die“. Direkt danach geht es mit „Into Decay“ noch einmal hinab in tiefste Sludge-Gefilde. Dass man hier die Saiten nicht an die Instrumentenhälse schlabbern hört, ist auch alles.

Weiterhin Spitzenreiter in der eigenen Liga

„The Violent Sleep Of Reason“ hebt sich trotz seiner erstmals traditionelleren Produktionsweise erstaunlich wenig von seinen Vorgängern ab. MESHUGGAH-Fans wissen genau, dass sie nach vier Jahren Durststrecke mit 10 meisterhaft dichten Kompositionen beglückt werden – und so ist es gekommen. Diese Band spielt weiterhin in ihrer eigenen Liga. Ein Ende ist nicht abzusehen.

01.10.2016
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