Metallica - St. Anger

Review

Achtung! Dieses Review beginnt mit einem Geständnis. Denn „St. Anger“ war nicht nur mein erstes METALLICA-Album, sondern mein erstes Metal-Album überhaupt und als Jugendlicher habe ich die Platte abgefeiert wie nichts anderes. Der wohl meistgehasste Langspieler in der METALLICA-Diskographie hat somit eine ganz besondere Bedeutung für mich. Trotzdem maße ich mir an, die Platte einigermaßen fair bewerten zu können? Yep! Denn mit dem Alter kommt bekanntlich mehr Reife und damit auch Einsicht.

Jetzt erst mal zu den Eckdaten: Vor Aufnahmestart verließ Jason Newsted die Band, weil seine Bandkollegen der Musik nicht die für ihn nötige Priorität einräumten. Den Bassposten auf dem Album übernahm deshalb Produzent Bob Rock, mit dem METALLICA zuvor das „Black Album„, „Load“ und „Reload“ gezimmert haben. James Hetfield wiederum begann eine Therapie, um mit seiner Alkoholsucht fertig zu werden. Der Frontmann hatte die Kontrolle über sein Leben verloren und sich seit längerem mit Songwriting-Partner und Bandmitbegründer Lars Ulrich verkracht. Kirk Hammett, der Ruhepol der Band, hatte unter dem Zwist der beiden METALLICA-Köpfe zu leiden. So sollte „St. Anger“ ihrer Meinung nach ohne Gitarrensoli auskommen, wodurch Hammett de facto seines Jobs beraubt wurde. Beim Songwriting durfte er sich zwar einbringen. Aber am Ende ist und war das Duo Hetfield/Ulrich hier schon immer federführend. Die Aufnahmen zu „St. Anger“ standen jedenfalls unter keinem guten Stern.

METALLICA hatten in jeder Hinsicht ihre Richtung aus den Augen verloren. Hilflosigkeit machte sich breit, keiner wusste, wohin es gehen soll. Deshalb schlug Rock vor, zu den Anfängen zurückzugehen. Das Album sollte musikalisch möglichst hart und wie eine Garagenproduktion aufgenommen werden. Mit dem Thrash Metal der frühen Tage hatte das Ergebnis zwar nichts zu tun. Doch dafür ist es in Sachen Sound und Stilistik bis heute einzigartig. Die Gitarren klingen roh und ungeschliffen. Die Saiten wurden möglichst tief gestimmt, wodurch sie eine Menge Wumms in der Magengegend verursachen. Die Riffs sind daran angepasst: minimalistisch, groove-orientiert und weit weg von typischen Metal- oder Hard-Rock-Riffs. Dazu ist die Produktion sehr schlagzeugbetont. Durch den entfernten Teppich knallt die Snaredrum sehr hell und steht im Mix häufig im Vordergrund. Hier schneiden sich die Geister: Entweder man liebt oder hasst diesen Sound. Zum Songmaterial der Platte passt die Produktion jedenfalls wie die Faust aufs Auge.

METALLICA eiern rum

Womit wir beim nächsten Streitpunkt wären: den Songs an sich. Denn was METALLICA ihrer Fanbase auftischen ist alles andere als zugänglich. Nahezu alle Tracks arten in sieben bis acht minütige Stücke aus, was leider der größte Schwachpunkt der Platte ist. Denn die immer gleichen Breaks innerhalb eines Songs zu wiederholen, ist nicht spannend, sondern eintönig. „Some Kind Of Monster“ punktet beispielsweise mit einem amtlichen Mainriff und einem eingängigen Refrain. Nach knapp vier Minuten ist hier alles gesagt, doch der Song streckt sich noch einmal genauso lange. Auch der vorab als Single veröffentlichte Titelsong schlägt in dieser Kerbe, ebenso wie „All Within My Hands“ oder „Invisible Kid“. Alles Songs, die gute Ansätze verfolgen, aber sich viel zu sehr in die Länge ziehen, anstatt einfach auf den Punkt zu kommen. Dazu kommen noch Rohkrepiere wie das alberne „My World“, „Dirty Window“ mit seinem ziemlich peinlichem Text oder das unsäglich nervige „Purify“.

Ist „St. Anger“ jetzt also der Album gewordene Antichrist, als der es so gerne gesehen wird? Mitnichten! Stattdessen haben METALLICA mit ihrer neunten Studioplatte ein mutiges Album abgeliefert, das auf jegliche Konventionen scheißt und eigene Wege geht. Zwar geht die Rechnung nicht in allen Belangen auf, ein unvoreingenommenes Reinhören lohnt sich aber in jedem Fall. Und sei es nur, um mitreden zu können, wenn die nächste hitzige Diskussion um „St. Anger“ entbrennt. Wer zudem genaueres über die Entstehung der Platte wissen möchte, dem sei an dieser Stelle die sehr intensive Doku „Some Kind Of Monster“ ans Herz gelegt.

31.05.2017

"Irgendeiner wartet immer."

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