Mr. Hurley & Die Pulveraffen - Seemannsgrab

Review

MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN tanzen auf dem „Seemannsgrab“!

Zur Erhöhung der Vorfreude auf ein neues Album veröffentlichen Bands seit jeher die eine oder andere Single. Auch MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN, unsere Lieblingspiratenband aus dem karibischen Osnabrück, bilden da keine Ausnahme und haben mit “Kaboom“, “Grogstar“ und “Mann Über Bord“ drei Lieder vorab ausgekoppelt – und sind dabei (zumindest mit den beiden erstgenannten) gekonnt an den Highlights von “Seemannsgrab“ vorbei geschippert.

MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN zeichnen sich durch ihre enorme Spielfreude aus, die sie in Liedern mit zahlreichen charmanten Wortspielereien, tanzbaren Melodien und einem gewissen Hang zum Theatralischen ausleben. Das sechste Studioalbum “Seemannsgrab“ bildet dabei keine Ausnahme, entwickelt den Sound der Band allerdings konsequent weiter. So erhalten neben den üblichen Spaß- und Partytracks, wie beispielsweise der amüsanten Piratengeschichte “Hals Über Kopf“ samt zugehörigem Ohrwurm, immer mehr ernstere Themen Einzug in die Welt der Piraten. Besonders eindrucksvoll ist dies im Song “Brand An Bord“ zu hören. Die Kritik an nationaler und internationaler Klimapolitik sowie Skeptikern des menschengemachten Klimawandels wird hier in einen sich ständig steigernden Song gepackt, der nicht nur durch seine treffenden Vergleiche punktet, sondern auch durch die eingängige Melodie und den unterhaltsamen Break im Refrain.

Mittelstarke Singles, „Affengeiler“ Rest

Doch damit nicht genug. Bassistin Pegleg Peggy feiert ihren Einstand als Leadsängerin eines Tracks mit dem gleichsam unterhaltsamen wie ernsten Song “Mann Über Bord“. Peggy krächzt dabei genauso urig ins Mikrophon wie die Herren Gebrüder, rastet fast so schön aus wie Buckteeth Bannock und prangert in den Lyrics das leider immer noch tagesaktuelle Thema Sexismus an – definitiv ein Highlight der Platte und eine gut ausgewählte Single. Vom unterhaltsamen, aber leider eher vorhersehbaren “Kaboom“ kann man das nicht behaupten. Die Band verwurstet das Kinderlied “Ich Geh Mit Meiner Laterne“ zu einem feinen Piratensong, der jedoch nach einigen Hördurchläufen etwas an Power verliert. Die dritte Single im Bunde ist “Grogstar“, eine bewusst überzeichnete Selbstdarstellung. Wäre der Refrain nicht so platt und ohohoho-lastig, hätte er durchaus Spaß gemacht, wobei auch der integrierte Rap-Part ein wenig zu zahm ausfällt. Schade, aber verkraftbar, da das restliche “Seemannsgrab“ durchweg überzeugt.

MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN zeigen im Verlauf der Platte, dass sie noch längst nicht am Ende ihrer kreativen Energie sind, denn abwechslungsreicher war kaum eine Platte zuvor. “Schiff System“, ein starkes Stück Gesellschaftskritik mit motivierender Intention, swingt sich zunächst gemütlich später deutlich energischer in den Gehörgang, wohingegen “Schattenschwarze Segel“ und “Klabautermann“ eher düstere und packende Piratenatmosphäre versprühen. “Mit‘n Hut“ wird sich währenddessen sicherlich zum Fanliebling etablieren. Der auf Basis eines neufundländischen Folk-Songs entstanden Track knüpft musikalisch an die frühen Tage der Band an, in denen hauptsächlich heiter gespielter Folk im Zentrum stand. Der Text ist wie gewohnt herrlich albern, was bei dieser Band allerdings mehr ein Qualitätssiegel als ein Kritikpunkt ist.

Texte mit Spaß und Verstand

Ebenso ulkig wirkt zunächst “Menschen Haben Auch Gefühle“. Das Lied über diverse Kanibalentraditionen überzeugt nicht nur mit unterhaltsamer Instrumentierung und amüsanter Lyrik, sondern auch mit einem Subtext, welcher vor allem bei der einen oder anderen Person gut ankommen wird, die sich für das Tierwohl engagiert. Ein einfaches Ändern der Perspektive lässt einen ohnehin schon trefflich geratenen Spaß-Song zum gesellschaftlich relevanten Diskussionsbeitrag reifen, ähnlich wie es bei “Der Erste Schluck“ des Vorgängeralbums “Leviathan“ der Fall war.

Unterhaltsamer Piraten-Folk aus dem Hause MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN überzeugt anno 2021 mehr denn je. “Seemannsgrab“ glänz mit vielfältigen Texte, eingängigen Melodien und einem wie immer herausragend guten Hörspiel als gelegentliche Zwischensequenz (diesmal mit famosem Gastbeitrag aus dem Hause FEUERSCHWANZ / DARTAGNAN). MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN schaffen es auf ihre unnachahmliche Art, ihr Publikum zu unterhalten. Wer also für eine gute Stunde aus dem Corona-Alltag fliehen möchte, ist hier bestens aufgehoben.

10.03.2021
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