Nachtblut - Dogma

Review

Keine Titten. Schade. Dabei wäre die Zusammenarbeit von Napalm Records und den Geschmackskönigen des deutschen „BM“ die perfekte Gelegenheit gewesen, so richtig stilecht blank zu ziehen. Glücklicherweise bleibt das die einzige Enttäuschung, denn ansonsten wird „Dogma“ allen Erwartungen gerecht und reizt sowohl Tränendrüsen als auch Zwerchfell ohne Unterlass.

NACHTBLUT werden ja oft mit EISREGEN verglichen. Da ist sicher was dran, umfasst diese Referenz doch so ziemlich das ganze Paket und deckt auch Fremdschämfaktor und potentielle Zielgruppe mit ab. Doch rein musikalisch würde ich das Ganze als superstumpfes Rhythmusgitarrengeschrammel bezeichnen wollen, das Richard Kruspe noch nicht mal im Vollsuff zur Bandprobe anschleppen würde (und das trotzdem mitunter ziemlich direkt geklaut klingt). Dazu dreister „Flake“-Lorenz-Diebstahl und ab und an etwas CREMATORY-Kirmes, simple Eingängigkeit auf Schlagerniveau und – ganz wichtig! – „BM“-Geröchel (wenngleich mit Lindemann-Einschlag), damit auch ja keiner denkt, man hätte es hier nicht mit superböser Musik zu tun. Ein bis zwei Minuten Material, das tatsächlich fast wie BM klingt, hat sich auch auf die Platte verirrt und wirkt entsprechend fehl am Platze.

Weiß man ob der allgemeinen Belanglosigkeit noch nicht so recht, ob man lachen oder weinen soll, so ziehen die lyrischen Ergüsse der Truppe die Mundwinkel mit Gewalt nach oben. „Der Weg ist das Ziel“? Da hat sich das Philosophiestudium ja echt gelohnt. Sicher, sicher, Metal im Allgemeinen und alles „düster“ Gemeinte im Speziellen sind nicht unbedingt für poetische Höhenflüge bekannt. Doch was NACHTBLUT von sich geben, stellt auch den anspruchslosesten Metaller auf eine harte Probe. „Ich trinke Blut / und ich fühl‘ mich dabei gut“. Reimchen rüttel dich und schüttel dich, wirf Hohn und Spott jetzt über mich. Und dazu selbstverständlich – schließlich geht es um das Thema! – ein Dani-Filth-Schreiversuch. Man kann gar nicht soviel essen… naja, lassen wir das.

Es ist bei „seriösen“ Schreiberlingen Brauch, das musikalische Schaffen einer Band auch vom Standpunkt der handwerklichen Leistung zu bewerten. Das habe ich nie verstanden. Wird ein überflüssiges Stück Musik dadurch besser, das man einem fähigen Produzenten einen Batzen Schmerzensgeld zahlt? Ich finde nicht. Folgerichtig bekommt auch „Dogma“ keine Handvoll Punkte für schlichtes Handwerk. Nö, ein paar Zähler kann ich spendieren, weil mich das Ganze hin und wieder durchaus zum Lachen bringt. Eine kalkulierte Parodie wäre sicher nicht so lustig, dafür aber höchstwahrscheinlich musikalisch interessanter und anspruchsvoller. Wer schon immer mal wissen wollte, wie RAMMSTEIN in superschlecht mit grenzdebiler Pseudo-BM-Ästhetik aussehen würden, kommt natürlich um „Dogma“ nicht herum. Alle anderen machen um NACHTBLUT besser einen möglichst weiten Bogen.

PS: Napalm Records haben anno schleppmichfort „Minas Morgul“ und „Verwüstung“ rausgebracht. Es ist kaum zu fassen.

08.06.2012
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