Neaera - Let The Tempest Come

Review

Eigentlich ist dieses Review überflüssig. Eigentlich jedes Sinnieren obsolet. Eigentlich gibt es nur den kürzesten Weg in den nächsten Plattenladen, um sich durch Bennys erstes vokales Lebenszeichen den Charakter und die Seele dieses Albums erklären und umgehend einverleiben lassen. Und zwar von einem staubtrockenen, abgebrühten, herausfordernden, rotzfrech vor die Füße gekotzten „Uärgh“, das perfekt einsilbig die Essenz des Albumtitels und der Musik auf den Punkt bringt: Lasst den Sturm kommen, wir gehen dagegen an. Und wie sie dagegen angehen! War schon das letztjährige Debut „The Rising Tide Of Oblivion“ eine unglaublich kraftvolle und herbe Erfahrung in Sachen Kauleistenpolitur, so ist „Let The Tempest Come“ die unmittelbar gesteigerte Endorphindosis, die den Dentalbereich nun vollends zu Bruch gehen lässt. Hier ist alles besser, als noch vor einem Jahr, wenn überhaupt eine Vergleichsmöglichkeit gerechtfertigt ist. Denn der wichtigste Aspekt, das Songwriting, ist keinen Millimeter vom ursprünglichen, hochklassigen Niveau abgewichen. Doch NEAERA haben es in ihrem kurzen Dasein als Newcomer perfekt verstanden, ihre Schwächen auszumerzen und ihre Stärken noch besser auszuspielen. „Let The Tempest Come“ ist eine wesentlich tighter eingespielte Wuchtbrumme und ein noch tristeres Atmosphärenbollwerk als sein Vorgänger. Bis zur Besinnungslosigkeit prügelt es die Schallrezeptoren zu Klump, zumal es mehr von allem gibt. Mehr Wumms, der seinen zerstörerischen Druck aus der geballten Kraft der wuchtigen Produktion Jacob Hansens schöpft. Mehr Blasts, die von Beginn an das Zepter mit eiserner Faust unerbittlich schwingen. Mehr Aggression, die einem gellend-reisserische Schmerzensschreie und abgrundtiefe Hassgrowls ausspeienden Benny Hilleke zu verdanken sind, der in diesem einen Jahr mit seinen Aufgaben deutlich gewachsen ist. Mehr Schweden, das seinen mächtigen Brustkorb, kalte und hoffnungslose Melodien ausatmend, heftig auf und ab senkt. Mehr Death, dessen Blut in aufgeregter Raserei brutalst dunkle Old-School Riffs durch seine Adern peitscht. Und schließlich mehr Moshparts. Mehr von diesen breit gefächerten, elegischen, klagenden, todtraurigen, sich vor desillusionierter Selbstaufgabe und verzweifelndem Wahnsinn selbst zerreissenden Epochallandschaften, die in „The World Devourers“ und „Where Submission Reigns“ ihren Ursprung fanden, hier in „Plagueheritage“, „The Crimson Void“ und „Scars Of Grey“ ihre bitteren Tränen weiter vergießen und immer mehr zu NEAERAs Markenzeichen zu werden scheinen. NEAERA haben es zweifellos geschafft, auf ihr famoses Debut noch einen draufzusetzen und somit kann ich zum Schluss auch nur sagen: mehr davon. Bitte.

06.04.2006
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