Obscura - Akróasis

Review

„Akróais“ bedeutet hören. Das Wort kommt aus dem Griechischen und wird im Kontext der Eigenschwingungen der Planeten angewendet. Die Erde beispielsweise schwingt in einem Intervall von 1,154 · 10-5 Hertz, was weit außerhalb des menschlichen Hörbereichs liegt. Jedoch ist die 24. Oktave aufwärts wahrnehmbar (ca. 194 Hz.) und findet unter anderem in der Musiktherapie Verwendung. Damit einher geht auch die Theorie des harmonischen Aufbaus des Universums und eben dieser stellt einen Teilaspekt des lyrischen Sujets auf „Akróasis“ dar.

Selten erweist sich ein derart vielschichtiges Textkonzept als für die Musik entlastend, wie es bei OBSCURA der Fall ist. All die Noten, die Virtuosität und die rasenden Tempi bekommen durch die Thematik der Texte (dazu ausführlicher in unserem Interview) eine neue Färbung. Die textliche Ausarbeitung ermöglicht es erst, die Musik OBSCURAs lesen zu können. Es ist ersichtlich, dass die komplexen Kompositionen nicht um ihrer selbst Willen stattfinden, sondern damit sprichwörtlich etwas gesagt werden kann. Im Falle OBSCURAs ist das hochgradig rationale, durchstrukturierte Element des Technical Death Metal das Symbol eines wissenschaftsorientierten Weltbildes, das nach Fortschritt geifert. Dem gegenüber steht die Metaphysik unerklärbarer Phänomene und die Einordnung des Menschen im Kosmos.

Als Hauptstück und exemplarisch für das ganze Album steht „Weltseele“. Titelgebend ist der metaphysische Gedanke der Naturphilosophie des 18. Jahrhunderts, der dem Kosmos eine Seele zuschreibt. Diese Transzendenz kontrastiert den technischen Death Metal, der doch so einstudiert, so menschengemacht – eben so rational – klingt. Lyrisch ist das Album unwahrscheinlich dunkel. Eschatologien unterschiedlicher Glaubensrichtungen werden besungen oder heraufbeschworen. OBSCURA inszenieren die Beziehung von Hell und Dunkel. Einzig, dass hier Dunkelheit der Normalzustand ist und Licht zum Eindringling wird.

Besonders klar strahlt dieser ambivalente Kosmos in „Ode To The Sun“: Düster, schnell und filigran erzeugen die vier Musiker eine einnehmende apokalyptische Stimmung. Der Mensch, durch Vocoder verfremdet, besingt die Sonne – doch nicht als Hymne, nicht als Ode, sondern als Requiem. Auch „Sermon Of The Seven Suns“ behandelt eben das: den Weltuntergang, von sieben Sonnen heraufbeschworen – wie die buddhistische Religion den Untergang der Erde beschreibt. Es ist das Licht, welches den Niedergang herbeiführt.

In allen möglichen Facetten rauscht, poltert und erzählt „Akróasis“. Dennoch lässt das Album einen manchmal seltsam kalt. Sämtliches Handwerk ist beachtlich – von der Musik, über die Texte, zum Artwork und der Produktion. Aufgrund all dieser Attribute ist man wirklich versucht, „Akróasis“ anstandslos anzunehmen. Nur in seltensten Fällen (IRREVERSIBLE MECHANISM, THE FACELESS) vermittelt die erschlagend volle Musik neben all der Toninformation auch noch Atmosphäre. Auch bei „Akóasis“ ist es die Musik, die vertrackt und schwer zu fassen sich in des Hörers Gehörgänge hämmert und trotz einiger entschleunigter Passagen immer noch um eine derart dichte Klangfülle bemüht ist, dass es OBSCURA fertigbringen, ruhige Abschnitte ähnlich übervoll auszugestalten wie die schnellen.

Summa summarum bleibt es dennoch dabei, dass Anhänger technischen Death Metals OBSCURA blind vertrauen können, was auch das vierte Album erneut belegt.

09.02.2016
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