Running Wild - Gates To Purgatory

Review

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass in den 80ern kein Debütalbum einer Heavy-Metal-Band aus Deutschland jemals so sehr eingeschlagen hat wie das 1984 veröffentlichte „Gates To Purgatory“ der damals noch in Hamburg umtriebigen RUNNING WILD. Ohne nennenswerte Promotion gingen innerhalb von nur drei Monaten mehr als 20.000 Einheiten über die Ladentheken und die Band selbst inspirierte weit über die Landesgrenzen hinaus Musiker, die sich heute zum Teil in ganz anderen Genren zu Hause fühlen als im Heavy Metal. Es folgte eine ausverkaufte Tour quer durch ganz Deutschland und gipfelte in einen Support-Slot für MÖTLEY CRÜE. Ohne Frage: Mit „Gates To Purgatory“ wurde Musikgeschichte geschrieben.

Dabei ließen sich Rock’n’Rolf Kasparek (Vocals, Gitarre), Gerald „Preacher“ Warnecke (Gitarre), Stephan Boriss (Bass) und Wolfgang „Hasche“ Hagemann (Drums) zu diesem Zeitpunkt selbst noch inspirieren. BLACK SABBATH, IRON MAIDEN oder JUDAS PRIEST – auf „Gates To Purgatory“ hört man diese Einflüsse noch ganz deutlich heraus, obwohl man RUNNING WILD zugestehen muss bereits damals eine eigene Schiene gefahren zu sein. Und diese Schiene war ungemein angesagt: Die Bühne enterten die jungen Herren ausschließlich in mit Nieten besetzten und mit Ketten behangenen Lederklamotten und boten passend zum Outfit düster klingenden, ungeschliffenen Heavy Metal, der mit hymnischen Chören und griffigen Riffs bereits einige der späteren Trademarks der Band zum Besten gab. Auch lyrisch war man genauso düster unterwegs wie das Erscheinungsbild vermuten ließ, und nutzte satanische Symboliken im Sinne einer Widerstandsbewegung. Dies wurde jedoch völlig missverstanden und so haftete der Band auch noch nach Veröffentlichung des zweiten Albums („Branded And Exiled“) der Ruf an, Katzen zu opfern und kleine Kinder zum Frühstück zu verspeisen. Erst ein Imagewechsel mit dem dritten Album („Under Jolly Roger“) legte den Grundstein zum später so gefeierten Pirate Metal und setzte einen Schlussstrich unter die „Black-Metal-Vergangenheit“ dieser beständigen Gruppierung.

Nachdem „Gates To Purgatory“ bereits mehrere Jahre nicht mehr im Handel erhältlich war, hat sich das in London beheimatete Label Cherry Red Records um die Rechte zur Wiederveröffentlichung bemüht und macht dieses musikalische Kleinod jetzt wieder zugänglich: Remastered & Expanded.

„Gates To Purgatory“ klingt dabei in der Neuauflage von 2012 im direkten Vergleich mit der Erstauflage des Albums ähnlich. Denn dankenswerterweise wurde am Sound insgesamt wenig gedreht und die Aufnahme, die damals lediglich in 16 Tagen stattgefunden hat und dessen Zeitdruck man hier und da durchaus heraushören kann, klingt immer noch sehr rau und authentisch. Der Lautstärkepegel wurde nur minimal angehoben und der Bass klingt etwas druckvoller. Doch über die gesamte Laufzeit befällt mich auch beim Hören der Neuauflage das selbe Nostalgiegefühl wie beim Hören der erstmals auf CD veröffentlichten Version des Albums. Cherry Red Records haben soweit alles richtig gemacht und gut daran getan, die ursprüngliche Atmosphäre von so unvergessenen Songs wie zum Beispiel „Preacher“, „Soldiers Of Hell“, dem Heavy-Metal-Geschoss „Adrian S.O.S.“, „Genghis Khan“ oder der unvergessenen Heavy-Metal-Hymne „Prisoner Of Our Time“ beizubehalten.

Auch das 12-seitige Booklet mit zum Teil unveröffentlichten Photos aus der Entstehungsphase des Albums und das kurze aber interessante Interview von Malcolm Dome (Kerrang!, Metal Hammer) mit Sänger und Frontmann Rolf Kasparek zur Anfangsphase der Band kann sich sehen bzw. lesen lassen. Ein kleiner Wermutstropfen mögen vielleicht die Bonussongs sein, denn die bestehen lediglich aus den Songs, die bereits auf der ersten CD-Veröffentlichung des Albums erschienen, nämlich aus „Walpurgis Night“ und „Satan“, allerdings wurde „Walpurgis Night“ diesmal dezent ausgeblendet anstatt den Song unvermittelt enden zu lassen, wie dies bisher der Fall war, da – wie eingefleischte Fans sicherlich wissen – die Master Tapes des Albums nicht mehr vorhanden sind um diesen Fauxpas ein für alle Mal zu beheben.

„Gates To Purgatory“ ist nicht das beste Album von RUNNING WILD, aber es ist mehr als nur das Debütalbum einer der bedeutendsten Heavy-Metal-Bands Deutschlands, es dokumentiert die Anfänge des Heavy Metal und spiegelt den Zeitgeist der frühen 80er der Szene im Land wider.

16.08.2012
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