Samael - Lux Mundi

Review

In den späten 80er Jahren unter dem Einfluss von Bands wie HELLHAMMER im schweizerischen Sion aus der Taufe gehoben, schufen SAMAEL mit ihrem meist schleppenden, pechschwarzen Debüt „Worship Him“ 1991 eines der eindrucksvollsten, weil atmosphärisch dichtesten Alben des urwüchsigen Black Metal. Auf den folgenden beiden, kaum weniger überzeugenden Scheiben „Blood Ritual“ und „Ceremony Of Opposites“ blieben sie der schwarzmetallischen Lehre weitgehend treu, wenngleich das Puristische der Anfangstage bei zunehmendem Keyboard-Einsatz langsam verflog.

Was sich auf der „Rebellion“-EP schon angedeutet hatte, wurde dann im Folgejahr auf dem 1996er-Album „Passage“ offenkundig: Elektronische Elemente hatten bei gleichzeitig starker Reduzierung der Black-Metal-Anteile und völligem Verschwinden der einstigen satanischen Texte Einzug in den Sound der Schweizer gehalten, die Platte war erstmals mit Hilfe eines Drumcomputers eingespielt worden – und der nun zugänglichere Erzengel für den Mainstream-Metal äußerst interessant geworden. Nach vier weiteren experimentellen Alben, die die Einflüsse aus Metal, Industrial bis hin zu Alternative Rock und gar Weltmusik weiter verschmolzen, aber allesamt nicht einen solch nachhaltigen Eindruck wie „Passage“ hinterlassen konnten, schienen zuletzt auf dem ruppigeren „Above“ die schwarzen Wurzeln der Eidgenossen wieder deutlicher durch.

Bei einer solch altgedienten und eine solch mäandrierende Entwicklung zeigenden Band wie SAMAEL war der etwas ausführlichere Exkurs in die Historie zwecks Verortung des Jubiläumsalbums sicherlich nicht verkehrt. Besagtes „Lux Mundi“ – es ist das zehnte Album der Band, sofern man das rein elektronische „Era One“ mitzählt – geht nicht so weit zu den schwarzmetallischen Anfängen zurück wie sein Vorgänger, sondern wirkt wie ein zeitgereister Zwilling des monumentalen Erfolgsalbums „Passage“: Der Stil der Kompositionen orientiert sich – mit einigen Reminiszenzen an die letzte Dekade – an den eigenen Mittneunziger-Veröffentlichungen, Keyboard und Elektronik kommt eine eher unterstützende, die jeweilige Stimmung der Stücke verstärkende Funktion zu – etwa bei Intros oder kürzeren Abschnitten. Die Produktion klingt glücklicherweise wieder organischer als auf „Above“ und Vorphs Gesang immer noch so beseelt und knarzig wie vor 15 Jahren.

So liefern SAMAEL knackige Uptempo-Nummern wie „The Shadow Of The Sword“ oder „The Truth Is Marching On“, aber im Gegensatz dazu gibt es auch balladesken (und dennoch recht harten) Stoff wie „Mother Night“. Das bereits live erprobte und bewährte „Soul Invictus“ zeigt gekonnt die SAMAEL-Markenzeichen auf, besitzt den typischen Groove, schwere Gitarren und einen eingängigen, hier besonders mächtigen Refrain. Nichtsdestotrotz ist „In The Deep“ mit dezentem Tribal-Einschlag und markantem Riff das vielleicht spannendste der ein Dutzend Stücke, die sich alle zwischen dreieinhalb und knapp fünf Minuten Spielzeit bewegen.

Für sich genommen ist „Lux Mundi“ eine respektable und unterhaltsame Angelegenheit, erscheint trotz seiner nach wie vor präsenten Elektronik nicht steril, sondern als lebendiges und detailreiches Metal-Album. Ordnet man es in die umfangreiche Diskographie SAMAELs ein, so zeigt das „Licht der Welt“ die Schweizer zwar etwas weniger aggressiv als ihr 2009er-Werk „Above“, dafür sehr deutlich angelehnt an ihr kommerziell so erfolgreiches „Passage“-Album. Im Vergleich mit diesem 15 Jahre alten Opus Magnum der zweiten Bandphase hat „Lux Mundi“ allerdings das Nachsehen, denn zeitlose Gassenhauer wie „Rain“, „Shining Kingdom“ oder „My Saviour“ sind unter den Stücken trotz vorherrschender Qualität auf den ersten und zweiten Blick nicht auszumachen. Es fehlt die Kraft des Neuen, das Bahnbrechende und Besondere, das dem „Passage“-Material damals zusätzlichen Reiz verlieh. Mochte und mag man dieses Album und lauscht nun „Lux Mundi“, dann ist es so, als würde man nach vielen Jahren wieder mit einer Jugendliebe anbandeln: Natürlich besteht die Möglichkeit, dass man im Hier und Jetzt gemeinsam glücklich wird, vielleicht sind aber auch die Veränderungen, die beide im Laufe der Jahre durchgemacht haben, größer als man zunächst dachte; vielleicht sind die Erwartungen, die man an den anderen hat, so übermächtig, dass sie den gemeinsamen Weg verbauen. Vielleicht muss man erkennen, dass diese Liebe nur unter den Gegebenheiten der Vergangenheit zu Stande kommen konnte und es heute „nur noch“ für eine ausgeprägte Sympathie reicht.

07.04.2011
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