Sepultura - Schizophrenia

Review

Natürlich sind Alben wie „Beneath the Remains“ und „Arise“ Klassiker im Thrash. Andere wie „Chaos. A.D“ und „Roots“ höchstwahrscheinlich auch in anderen Metalsparten, für eine andere Sorte Menschen. Dabei halte ich „Schizophrenia“, das Zweitwerk nach dem noch sehr primitiven Debüt „Morbid Visions“, für eine der unterschätztesten Platten im nicht gerade kleinen SEPULTURA-Fundus. Ich meine, welches andere Album hat ein Instrumental, welches von den wohl bekanntesten Cellisten im Metal – APOCALYPTICA – gecovert wurde?

„Psycho“-Intro, Instrumentals, Riffs, Riffs, Riffs… SEPULTURA!

Welche andere Thrash-Platte hatte in dieser frühen Phase solche instrumentalen Meisterleistungen neben kurzen, beinahe schon neoklassisch beeinflussten Zwischenspielen („The Abyss“) und Gassenhauern wie „Escape from the Void“, „To The Wall“, „Septic Schizo“ und „Screams Behind The Shadows“ ? Eben.

Alleine wie die Platte startet ist schon ein Statement: Mit dem Introsample aus Hitchcocks „Psycho“ wird schon mal die Stimmung gesetzt: Die nächste Zeit wird kein Picknick. Nach dem Ende des Eingangstücks (der Titel Schizophrenia geschrien in reverser Aufnahme) wird einem mit „From the Past comes the Storms“ bereits der Arsch aufgerissen. Der Rest der Tracks hält das Aggressionslevel erfreulich hoch, auch wenn es zwischendurch langsamer oder grooviger wird, wie in „To The Wall“ oder „Screams Behind The Shadows“ etwa zu hören. Der letztliche Rausschmeißer „R.I.P. (Rest in Pain)“ ist ebenfalls programmatisch zu verstehen, die Doublebass von Igor rattert, die rasiermesserscharfen Riffs und die Angepisstheit, die man von Herrn Cavalera vernimmt, lassen einen nichts Gutes ahnen. Hier werden keine Gefangenen genommen, statt dessen wird man an den Rand des titelgebenden Geisteszustandes getrieben, irgendwo zwischen Euphorie von der Energie der Musik und lethargischer Angst vor dem Geprügel. SEPULTURA sollen damals angeblich so brutal gewesen sein, dass in Amerika keine Radiostation sie spielen wollte. Roadrunner signten sie später trotzdem, ohne sie jemals gesehen oder gehört zu haben. Glück gehabt.

„Schizophrenia“ – ist es eigentlich nur der Umstand, dass SEPULTURA-Fans „Arise“ und „Beneath the Remains“ mehr lieb haben

Die chaotischen Gitarrenabfahrten mit holprigem Eindreschen auf die Felle sind schon beinahe in die Richtung von Proto-Death Metal zu stellen, der Ursuppe die irgendwann mal diesen Begriff bekommen sollte, als es das Genre noch gar nicht gab. Nicht umsonst werden die frühen SEPULTURA von vielen heutigen extremen Metalbands als Einfluss gezählt. Liebe Kinder draußen an den Rundfunkempfängern: Genau deshalb ist Thrash ein historisch so wichtiges Genre und ohne es wäre die Entwicklung von Death und Black Metal definitiv anders verlaufen (oder hätte vielleicht gar nicht erst statt gefunden). Um es mit den Worten Dagons von INQUISITION zu sagen, gefragt nach dem Einfluss von Thrash auf seine eigene Musik in einem Interview mit HHMTV  :

„What Heavy Metal did for Thrash Metal, Thrash Metal did for Death and Black Metal. Thrash Metal needs to be respected. Even if you don’t like it. Look, because of Thrash Metal, High-Gain Amps exist. Because of these, new recording methods were developed. Tremolo picking was evolving. People need to understand that Thrash Metal brought so much to todays Metal […] “

Amen.

An dieser Stelle bleibt von mir eine absolute Liebeserklärung an dieses frühe und einflussreiche Platte. Was ihre Thrash-Phase angeht, waren für mich SEPULTURA selbst auf den Nachfolgern (Kollege Popp berichtete ja bereits) nicht besser (ja, bezichtigt mich der Ketzerei!), zumindest was ihre Diskographie in Sachen Thrash angeht. Der Sound ist natürlich ein wenig schwachbrüstig und verwaschen im Vergleich mit den Nachfolgern und erst Recht mit heutigen Produktionen, speziell die Toms des Schlagzeugs klingen sehr ulkig, die Gitarren gehen ein wenig im Soundbrei unter, das tut der Aggression und Qualität des Materials aber kaum was. Auch heute noch absolute Geilerei.

20.02.2019
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