Sepultura - Dante XXI

Review

Hört Ihr das Poltern des Steins, der mir und vielen anderen nach dem Genuss des neuen SEPULTURA-Werkes „Dante XXI“ vom Herzen gefallen ist? Sie können es doch noch! Es ist kein Geheimnis, dass Brasiliens erfolgreichster Metalexport seit der Trennung von ihrem Aushängeschild Max Cavalera mit dessen Neufronter Derrick Greene nur noch Mittelmaß veröffentlicht haben. Die Alben „Nation“, „Against“ und „Roorback“ klangen, von klitzekleinen Ausnahmen abgesehen, austauschbar, uninspiriert, orientierungslos, mutlos. Ganz anders „Dante XXI“, abgesehen vom grauseligen Cover!
Erstens handelt es sich hier um ein Konzeptalbum (gab’s das im Thrash Metal überhaupt schon mal?) über Dantes „Göttliche Komödie“, die in unsere heutige Zeit transportiert worden ist. Zweitens – und viel wichtiger – haben es SEPULTURA endlich wieder geschafft, ihren kreativen Fokus zu ordnen und zu 70% Songs zu schreiben, die nicht nur mit einem Cavalera am Mikro auch auf „Roots“ und vor allem auf „Chaos AD“ ihren wohl verdienten Platz gefunden hätten. Seien es die wütenden, eruptiven, groovenden, zielstrebigen Riffexplosionen vom Schlage „Dark Wood Of Error“, „Convicted In Life“, „City Of Dis“, „False“ oder „Crown And Mitter“, die nach zehn Jahren erstmals wieder gewohnt brachial, packend und zwischen Thrash- und ein wenig Hardcore-Attitüde pendelnd das ausstrahlen, was SEPULTURA Mitte der 90er auszeichnete: pure Kraft!
Drittens und zu guter Letzt präsentiert sich das Quartett, das mit Igor Cavalera immer noch einen der weltbesten Drummer in seinen Reihen weiß, endlich selbstbewusst und gereift. Fast meint man, als hätten sie nach dem Ausstieg von Max erst jetzt ihre eigene und wahre Identität wieder gefunden. Bestes Beispiel: „Ostia“. Hier begeistern die Mannen vom Zuckerhut sowohl durch Komplexität, als auch durch Brutalität. So ist das Stück immer wieder von feinen Geigenarrangements durchsetzt, was für eine tiefgründige Note sorgt, die im Handumdrehen von einem monströsen Kisser-SloMo-Riff weggewischt wird. Klasse! Hinzu kommt das die Platte beschließende Instrumental „Still Flame“, das endlich wieder den verloren gelaubten Experimentiersinn dieser Truppe aufleben lässt. Zwar sind Tribalelemente weiterhin kaum auszumachen, wofür allerdings erstmals avantgardistisch angehauchte Soundcollagen und von Streichern getragene Trip-Hop-Ausflüge dem Hörer ein Gefühl zwischen Aufbruch und Ausweglosigkeit vermitteln. Funktioniert!
Wären jetzt nicht noch ein/zwei Filler (z.B. „Fighting On“ oder „Nuclear Seven“) samt vier mehr oder minder überflüssiger Interludes an Bord, hätte ich auch einen Punkt mehr rausgerückt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. SEPULTURA befinden sich zum Glück (und fast nicht mehr für möglich gehalten) wieder auf dem richtigen Weg. Ob sie die Kurve endgültig gekriegt haben, entscheidet sich mit dem nächsten, dann elften Studioalbum.

20.04.2006
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