Slipknot - We Are Not Your Kind

Review

Wenn es so etwas wie eine Midlife-Crisis des Nu Metal gibt, dann dürften SLIPKNOT eine der Bands sein, die diese noch am besten verkörpern. Als damals die berüchtigten, maskierten Neun mit ihrem selbstbetitelten Debüt sowie dem folgenden „Iowa“ einschlugen, prägten sie mit ihrem manischen, aggressiven Sound, ihrer Attitüde und nicht zuletzt auch mit ihrer Maskerade ein Genre, das die Traditionsfront damals wie heute zu hassen liebt. Danach kostete die Band mit „Vol. 3: (The Subliminal Verses)“ den süßen Geschmack des kommerziellen Erfolges, landeten mit der Single „Duality“ sogar ziemlich weit oben in den deutschen Charts.

SLIPKNOT in der Midlife-Crisis?

Doch wie so oft bedeutete die Öffnung hin zu einem breiteren Publikum natürlich ungemeine Einschnitte in den Sound, vor allem hinsichtlich Aggressivität und roher Ausdruckskraft. Und hiervon hat sich die Band musikalisch seither nicht richtig erholen können, weder mit dem sehr auf Nummer Sicher gespielten „All Hope Is Gone“, noch mit ihrem wohl persönlichstes Album „.5: The Gray Chapter“, das dem damals verstorbenen Paul Gray gewidmet worden ist. Mit „We Are Not Your Kind“ ist das sechste Album nun herausgekommen.

Personell wieder leicht umstrukturiert – Chris Fehn nahm seinen Hut/seine Maske – ließen schon Vorabsingles wie „Unsainted“ auf Besserung hoffen. Und der Song hat auch was auf dem Kasten. Er markiert gewiss keinen Schritt zurück zum früheren Wahnsinn, geht der Band dafür aber erstaunlich locker und elegant von der Hand. Der Einsatz von Chorgesängen verleiht dem Song eine gewisse Größe und Frische. Die etwas repetitive Arbeit an den Gitarren schadet dem Song dank seines treibenden Grooves wenig und die Hook geht gut in Mark und Bein, auch wenn der Refrain natürlich ein bisschen auf der „Duality“-Welle reitet. Spaß macht es jedoch.

„We Are Not Your Kind“ kehrt nicht zu alter Stärke zurück…

Der Knoten ist aber wegen eines Songs nicht geplatzt. Die experimentellen Ansätze von „Unsainted“ finden im weiteren Verlauf der Platte mit einer Ausnahme (dazu gleich) nicht auf annähernd gleichem Niveau statt. Und auch wenn sich insgesamt eine leichte, qualitative Besserung abzeichnet, so bietet sich auf „We Are Not Your Kind“ dennoch nicht die gehobene Klasse, die man von einer Band dieses Formates erwarten würde. Exemplarisch hierfür ist „Birth Of The Cruel“, das allein durch die Percussion einigermaßen interessant gehalten wird, ansonsten eher ideenlos, fast etwas einfältig im Midtempo vor sich hintrottet.

Sprich: Es fehlt der Platte einfach an Biss und an echter Aggression – oder eben an echter Kreativität. Selbst Corey Taylor, so gut seine Gesangsdarbietung hier auch größtenteils ist, reißt es alleine einfach nicht heraus, selbst wenn er sich wie im Rausschmeißer „Solway Firth“ richtig schön die Seele aus dem Leib brüllt. Wie gut die Songs mit mehr Aggression hätten klingen können, merkt man tatsächlich bei „Red Flag“, bei dem zwar an Ideen gespart worden ist, das dafür aber deutlich treibender und dadurch wesentlich zwingender daher kommt. Auch schimpft sich Corey Taylor hier besonders beherzt durch den Track, was ebenfalls ein Plus ist.

… strahlt aber dennoch eine angenehme Frische aus

Echte Abwechslung gibt es dagegen einerseits in Form des schwer stampfenden „A Liar’s Funeral“, das tatsächlich von seiner ungemeinen Heaviness und seiner drückenden Stimmung profitiert und wie „Unsainted“ ebenfalls eine gelungene, hymnische Hook sein eigen nennt. Auch „Not Long For This World“ schlägt in die schwerere Kerbe, wenn auch nicht ganz so eindrucksvoll. Aber so richtig überraschen SLIPKNOT mit dem erstaunlich eindringlichen Song „My Pain“, der dank seiner Betonung auf perlende Synths richtig unter die Haut geht. Der Rest ist dann mehr oder weniger modernes „Malen nach Zahlen“ mit SLIPKNOT, nicht die schlechteste Variante davon zwar, aber dennoch recht vorhersehbar und – leider – wieder mehr auf Eingängigkeit getrimmt.

Selbst ungewöhnliche Samples und Synthesizer, die hier und da zum Einsatz kommen, werten „We Are Not Your Kind“ eher nur oberflächlich auf, tragen aber immerhin zur insgesamt guten Hörbarkeit der Platte bei. Und rein ästhetisch hat man hier auch nichts anbrennen lassen – man hört der Platte definitiv ein entsprechendes Budget an. Natürlich kann vom blitzblank polierten Sound generell halten, was man will – die Gitarren jedenfalls beißen längst nicht so zu, wie sie gerne wollten. Aber immerhin klingt die Produktion warm und ausgeglichen. Sie feilt den Maskenmännern natürlich ein bisschen die Zähne rund, aber letzten Endes kann man „We Are Not Your Kind“ dennoch guten Gewissens ein Ohr leihen…

… auch wenn man als (Ex-)Fan damit klar kommen muss, dass die Herren nicht nur unter ihren Masken wohl langsam wirklich Falten ansetzen…

12.08.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

Exit mobile version