Ulver - Kveldssanger

Review

Nachdem sie mit ihrem (1995) den Black-Metal nachhaltig beeinflusst und v.a. für eine folkloristischere Richtung geöffnet hatten, verspürten Ulver scheinbar, daß die damals (durch Gerumpel&Gepolter) eher zerstückelten akustischen Einlagen noch viel weiter zu führen sind. Auf finden sich diese zu einem Ganzen, Zeitlosen zusammen, indem vollkommen auf den virtuosen Einsatz von Akustikgitarren, gelegentlich Querflöte und Cello vertraut wurde. Zudem zeigt sich das scheinbar unbegrenzte Stimmspektrum Garms noch weiter ausgereizt, so daß von einem einstimmigen „Röhren“ bis zu einem aus allen Richtungen tönenden, sich überhallendem (Aaaaa-)Chor alles beinhaltet wird, was eine naturfürchtige Ekstase wiedergibt. Die Instrumentierung, die nur in einem Stück ein wenig Trommeln umfaßt, mag insgesamt sehr schlicht anmuten, hat jedoch – verbunden mit dem (wohl für die meisten) wesensfremden Klang der norwegischen Sprache – besonders durch ihre (ausfüllbare) Transparenz eine unwahrscheinliche Wirkung… In einem weglosen Wald- bzw. Forstgebiet meiner Gegend, liegt wie eine Insel in der Insel verborgen, ein Teich, der einfach etwas Unfaßbares, Magisches ausstrahlt: In der Art eines Museums sammelt(e) sich darin bzw. darauf unzählbares Laub, Gezweig und auch so manch gestürzter Baum samt Pilzwucherung. Wenn sich von all dem dann noch Schatten und Spiegelung bildet, nehmen die ineinandergreifenden Umrisse etwas gänzlich Unheimliches, geradezu Symbolisches an. Und auch sonst möchte man jeden Moment damit rechnen, daß sich eine Schlangengestalt (hier eigentlich längst ausgestorben) uferwärts hinausringelt. Trotz oder gerade wegen dem vereinzelten Vogelschreien und dem steten, hypnotischen Rascheln, daß sich mit den sonstigen Sinneseindrücken – wie dem modrigen und zugleich immer frischen Aroma (aber ironischer Weise auch dem nur 200 Meter entfernten Bundestraßengestöber) – zusammenbraut, besitzt alles seine Stille. Die Stätte hat letztlich etwas seltsam Verlockendes, so daß man eigentlich nur zu gern einmal in das Loch hineinspringen und hinabtauchen würde, aber zugleich befürchtet in den schlammigen Untergrund einzusacken oder – da man ja nicht ahnen kann was der Wasserraum beherbergt – irgendein Wesen in dessen Ruhe aufzuschrecken… Warum ich das nun erzähle? – Vermutlich wird jeder unabgelenkte Zuhörer auf seine persönliche, meditative Reise geschickt werden und egal wann und wo ich die Lieder höre, fühle ich mich eben immer wieder dorthin zurückversetzt: je nach Stück manchmal im Regen, manchmal im Schnee, manchmal im Wind, manchmal im Nebel, manchmal im Abendglühen oder danach… Und nur dergestalt, also daß Haavard und Garm ein Jahr über an eben solch einem Platz gekauert haben um diesen überdauernden Geist zu erleben und zu verinnerlichen, kann ich mir dieses so schwerelos, dabei nicht seicht Schwingende erklären. Die Vorstellung, daß die Musik in einem modernen Studio aufgenommen wurde, ist ja eigentlich bei keinem Teil der Trilogie vorstellbar, auch wirken sie einfach nicht wie all die Alben, die hauptsächlich des Spaßes am Spaß an der Musik wegen aufgenommen wurden und aus nicht mehr als aneinandergereihten, zufallsbedingten Einfällen bestehen… Aber damit genug der Hochtraberei.

30.09.2000
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