Ulver - Shadows Of The Sun

Review

„Shadows Of The Sun“ nennt sich die neue ULVER. Chamäleons waren sie immer; das bedeutet sie haben Farbe und Wirkung gewechselt, nicht jedoch eine wirklich andere Form angenommen. Denn einem sind sie immer treu geblieben: der Hinwendung zu atmosphärischen Tracks, die die Tiefe ausloten und dabei schwerelos wirken sollten. Das kann man mit Black Metal ebenso machen wie mit Folk oder, wie nun geschehen, dem avantgardistischen Jazz gemischt mit neoklassisch-orientierter Experimentalmusik oder wie auch immer man es nennen möchte.

Denn all das ist die neue CD der umtriebigen, experimentierfreudigen, sehr musikalischen Norweger. „Eos“ tönt sphärisch, Syntheziser und Gesang erinnern an eine Mischung aus SYLVIAN und NILS PETTER MOLVAER, wenn sowas denkbar sein sollte. Hallende Syntheziser-Effekte, der Verzicht auf die üblichen Verdächtigen, soll heißen Gitarrenwände aus Stahl und Bass aus Brummlauten sowie der dezente Einsatz von Drums und melancholisch-traurigen Vocals ergeben experimentelle Soundcollagen, die von Trompetenklängen sanfter Art, sagen wir mit Schwerpunkt Ausdruck, weniger Effekthascherei, unterstützt werden. Auch Celloklänge („Like Music“) werden aufgeboten, ebenso Klavier („Vigil“), was ein sehr organisches, warmes Klangbild ergibt.

Überhaupt, JAPAN bzw. DAVID SYLVIAN haben es den Norwegern um Trickster G. angetan („All The Love“, mein Fave des Albums). Stets geht es in die Weite, Breite, der Raum wird (auch gesanglich) voll ausgenutzt, um eine maximale Klangfarbe zu erzeugen. Spartanisch tönt es nicht; auch das Gegenteil ist nicht der Fall. Denn ULVER komponieren auf den Punkt; in diesem Falle werden nach Aussage der Band eigene Ängste vertont, die Unzufriedenheit mit dem Ort, an den das Menschengeschlecht versetzt wird durch industrielle Notwendigkeiten; das Problem, der eigenen Notlage keine Stimme mehr geben zu können in dieser kompromisslos auf wirtschaftliche Verwertung abzielenden Zeit.

„Let The Children Go“ wirkt wirr zunächst, sehr experimentell; hier zwingt die Band den Hörer regelrecht zum Lauschen. Das ist schwierig, gegen die Konvention. Das BLACK SABBATH-Cover „Solitude“ ist glänzend geraten, MILES scheint ULVER zu begleiten, das Vorbild der Hard Rock-Götter ist kaum erkenn-, doch erahnbar. Der Song zeigt die Zeitlosigkeit der SABBATH-Songs; welche Metal-Band kann schon von sich behaupten, dass eigene Songs zu gelungenen Jazz-Tracks verfremdet werden können? Wobei die Transformation allerdings auch von wahren Meistern vorgenommen wurde…

„Shadows Of The Sun“ und „Funebre“ entschwinden beinahe in die Stratosphäre, die Pianopassagen und die klassische Ausrichtung lassen den Segler immer höher gleiten, der Ausblick gerät atemberaubend; Turbulenzen bleiben aus. „What Happened“ verbleibt in den Wolken; dieses Album will wirklich gehört werden, dabei ist das Zurücklehnen grundsätzlich erlaubt. Zeitlos, entspannend, intelligent.

16.10.2007
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