Waldgeflüster - Femundsmarka - Eine Reise In Drei Kapiteln

Review

Nach „Herbstklagen“ stand WALDGEFLÜSTER vor einem Problem: Die dominant singenden Leadgitarren sind zwar für ein Album ein hervorragendes Stilmittel, stellen für den Nachfolger jedoch eine Bürde dar: Macht man mehr vom Gleichen, wird’s mit einiger Wahrscheinlichkeit irgendwann langweilig; und macht man mit Gewalt was ganz Anderes, kommt nichts vergleichbar Gutes dabei raus. Sind also die Chancen für zwei gute Scheiben von der selben Band allgemein schon eher bescheiden, so war der Fall WALDGEFLÜSTER noch hoffnungsloser.

Von derlei Prognosen lassen sich natürlich richtige Metaller nicht irritieren, und so haben denn die Gebrüder Berlekom mit Album Nummer zwei eine Scheibe vorgelegt, die den Vorgänger im Vergleich als reines Vorspiel dastehen lässt. „Femundsmarka“ dürfte selbst die allergrössten Optimisten positiv überraschen und etabliert zumindest in meinem Universum WALDGEFLÜSTER als musikalische Einheit, an deren Arbeit ich gewisse Erwartungen zu haben wage. Schon das Akustikgitarrenintro ist vielversprechend: Intensiv und stimmungsvoll erinnert es entfernt an PRIMORDIALs „Dark Song“ und bereitet so auf „Seenland“ vor, welches im Anschluss demonstriert, wofür WALDGEFLÜSTER anno 2011 steht. Der Titel klingt nicht nur fast wie „Seelenland“, nein, auch ansonsten würde ich das zum Familienunternehmen aufgestockte Projekt als die Formation sehen wollen, die – endlich! – das Erbe von NAGELFAR weiterführt. Nicht im Sinne von musikalischer Kopie, aber das BM-Verständnis, das „Femundsmarka“ offenbart, ist schon sehr nahe an dem von etwa (und vor Allem) „Hünengrab“. Natürlich und glücklicherweise gibt’s noch immer hin und wieder waldflüsternd singende Gitarren und allerlei akustische Einlagen, aber ansonsten hat sich das Projekt deutlich entwickelt. Düsterer wirkt das Material, kälter, harscher, mächtiger, bei aller Schroffheit mitunter aber auch zerbrechlicher und ingesamt viel emotionaler – kurz: in jeder Beziehung kompromissloser. Das Album reizt die ganze Palette von karg-unterkühlter Statik bis hin zu feuriger Raserei aus, von Introspektion und Resignation zu Wut und Kampfeslust.

Wenn im Zusammenhang mit Musik von Reife geschrieben wird, beende ich in der Regel die Lektüre, denn oft wird dieses Wort schlicht als Euphemismus für Langeweile verwendet. Dennoch würde ich WALDGEFLÜSTER als reifer bezeichnen wollen; reifer – ohne all die negativen Assoziationen. Selbstbewusst. „Femundsmarka“ offenbart schier endloses kreatives Potential, ist vielseitig ohne Hang zur Beliebigkeit und macht so Hoffnung auf ein langlebiges Projekt, das auch auf seinen nächsten Alben noch etwas Hörenswertes zu erschaffen in der Lage ist.

22.05.2011
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