Primordial
Das meint die Redaktion zu "Where Greater Men Have Fallen"

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Primordial

Wird es ein Meisterwerk? Oder geht’s sogar noch drüber? Na, drunter ist jedenfalls beinahe unvorstellbar. Solche oder so ähnliche Gedanken werden bei nicht wenigen Freunden der Iren PRIMORDIAL kreisen, wenn ein neues Album ansteht. Gerade dann macht es Sinn, wenn mehrere Redaktionsköpfe rauchen und ihren subjektiven Senf zu „Where Greater Men Have Fallen“ dazugeben. So viel sei schon mal verraten: Die Tendenz geht in eine andere Richtung.

 

 

PRIMORDIAL und ich, das ist keine Liebesgeschichte. Klar, ich erkenne die Genialität so mancher Komposition der Iren an – vor allem seit 2002 können sich die Herren aus Dublin ja einige Großtaten auf die Haben-Seite schreiben. Aber erreicht haben sie mich damit trotzdem nie richtig – ohne dass ich sagen könnte, woran das liegt. Ihre Kompositionen verfügen über das richtige Mischverhältnis aus Komplexität, Eingängigkeit und Emotion, aber vor allem mit letzterer treffen PRIMORDIAL zu selten meinen Nerv. Die Musik ist für mich emotional, aber sie haut mich nicht um.

Ihr neues, achtes Album „Where Greater Men Have Fallen“ stellt leider keine Ausnahme dar. Abgesehen vom eröffnenden Titeltrack haut mich nichts auf dem Album aus den Socken, auch wenn die komplette Scheibe ordentlich gemacht ist. Hier und dort lassen mich PRIMORDIAL im Verlauf nochmal aufhorchen – „Come The Flood“, das disharmonisch-schiefe „The Alchemist’s Head“ oder der Abschluss in Form von „Wield Lightning To Split The Sun“, aber das ist zu wenig, um mich zu fesseln. Zu allem Überfluss fehlt ein Übersong wie zum Beispiel „The Coffin Ships“, den eigentlich alle anderen Alben hatten. Und darüber hinaus bleibt der Eindruck nicht aus, „Where Greater Men Have Fallen“ sei ein wenig nach Schema F komponiert worden. Schade, nach wie vor nicht meins, aber auch im Kontext des PRIMORDIAL-Backkatalogs betrachtet sicherlich nicht das Beste, was diese Band je aufgenommen hat.

(6/10 | Stephan Möller)

 

Ich muss sagen, dass PRIMORDIAL für mich schon immer ausschließlich wegen Alan Averill interessant waren. Nicht nur ist der Mann eine Marke, dessen Interviews und die darin geäußerten Ansichten sich sehr spannend lesen lassen, auch seine Stimme und Texte sind ein absolutes Alleinstellungsmerkmal der Band. Das geht jedoch auf Kosten der Kompositionen. Ich will nicht sagen, dass die Band schlechte Songs schreibt, doch erinnerte das Durchhören eines ihrer Alben immer eher an das Lauschen einer vertonten Erzählung.

Dies ist mit „Where Greater Men Have Fallen“ nicht anders – Alan steht nach wie vor im absoluten Zentrum der Songs und schlägt die Hörer sowohl mit seinen tiefsinnigen und spannenden Lyrics als auch der sehr markanten, schamanenhaften Paraphrasierung in den Bann. Zugunsten der Atmosphäre muss man jedoch bei der Arbeit der restlichen Band Abstriche machen. Denn immer wieder wirken Parts etwas zu sehr in die Länge gezogen (gleich sechs Songs überschreiten die 7-Minuten-Marke) oder klingen beliebig.

Das Album öffnet mit dem straighten, treibenden Titelsong, bei dem man sich als Fan augenblicklich zu Hause fühlt. „Where greater men have fallen – we are ready to die!“: Mit diesem Gänsehautspruch beendet Alan das Stück mit einem Ausrufezeichen. Das folgende „Babel’s Tower“ ist dagegen eine langsame und relativ schwache Schwarzmetallnummer, die mit einem unspektakulären Solo enttäuscht. Das folgende „Come The Flood“ schlägt dagegen direkt dramatische Töne an, stampft nach vorne und bietet auch endlich mal einprägsam-subtile Gitarrenmelodien, die neben der Stimme die Stärke dieser Band ausmachen. Auch hier zeigt der Frontmann sein Händchen für einfache Phrasen, die mit viel Gefühl vorgetragen eine unglaubliche Wirkung entfalten. „Let it rain!“ hat sich noch nie so episch angehört. Auch die Klimax mit Akustikgitarren am Ende des Songs ist gelungen. Und wieder prescht der Sänger vor: „Traitooooor!“ brüllt er und ein astreiner „Wolves In The Throne Room“-Song folgt in Form von „The Seed Of Tyrants“. Ein düsteres Black-Metal-Stück mit durchgepeitschten Drums und einem abrupten Ende. Das nachfolgende „Ghosts Of The Charnel House“ ist trotz massiven Riffs wieder eine mittelstarke Nummer. Darauf folgt der abgefahrenste Song des Albums. Seinem Namen „The Alchimist’s Head“ wird er auch voll gerecht – ein tödliches und wildes Gebräu wurde hier destilliert. Die sehr coole cleane Melodie am Anfang wird von einer gänzlich dissonanten Strophe durchbrochen. Alan krächzt wie Mephisto, der Bass drückt und hört sich fantastisch an. Hier wird wieder deutlich, dass bei PRIMORDIAL das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Das vorletzte Stück kratzt an den neun Minuten. Gut die ersten zwei sind ein von Gewittergeräuschen untermaltes „Geklimper“ auf einer cleanen Gitarre. Der Ausdruck soll hier positiv verstanden werden – die Passage erinnert an einen Barden, der schon vor sich hin improvisiert hat, bevor es den Blues gab. Die Band setzt mittendrin und unerwartet mit massigen Riffs ein, danach fährt der Song wieder die gewohnte Schiene. Viel mehr kommt auch nicht, denn der Rausschmeißer „Wield Lightning To Split The Sun“ ist einfach langweilig.

Und so bleibt ein durchaus positives Fazit, obwohl man das Gefühl nicht loswird, dass da mehr gehen könnte. Ich wünsche mir in Zukunft vor allem von der Gitarrenfraktion eine ausgefallenere Instrumentalisierung, damit Alans Stimme die Songs nicht ein ums andere Mal alleine tragen muss.

(7/10 | Eugen Lyubavskyy)

 

 

Mit Erwartungshaltungen ist das ja immer so eine Sache: Je besser die vorherigen Alben, desto höher sind die Anforderungen an die Nachfolger. Bis zu einem Punkt, an dem die Erwartungen grotesk hoch sind – und der Absturz entsprechend hart ausfällt.

Nun haben PRIMORDIAL eine Diskographie im Rücken, die nicht zuletzt mit „Redemption At The Puritan’s Hand“ und „To The Nameless Dead“ abartig hochwertig ist. Folgerichtig MUSS auch „Where Greater Men Have Fallen“ ein Meisterwerk werden – mindestens. Aber zumindest ein solches ist es nicht geworden und das hat auch einen Grund: „Where Greater Men Have Fallen“ ist zu selten überraschend und insgesamt spannungsärmer, einfach weniger mitreißend als die unmittelbaren Vorgänger. Nichtsdestotrotz ist „Where Greater Men Have Fallen“ ein Album, das alle PRIMORDIAL-Trademarks trägt und echte Highlights birgt: „Come The Flood“ mit seiner markanten Bassarbeit, das ursprüngliche, schwarzmetallische „The Seed Of Tyrants“ oder das doomige „Ghosts Of The Charnel House“.  Erwähnenswert ist allem voran das bezaubernde und folkige „Wield Lightning To Split The Sun“ – ein Kracher, der mit seiner operettenhaften und epischen Art aber auch jedes Nackenhaar senkrecht stellt: Mehr davon hätte „Where Greater Men Have Fallen“ vielleicht gut getan.  Dafür klingen mir „The Alchemist’s Head“ und „Babels Tower“ eindeutig zu durchschnittlich, zu „bewährt“.

Ohnehin, der Klang dieses Albums ist erste Klasse: „Where Greater Men Have Fallen“ klingt differenziert, die Instrumentierung wird gekonnt und immer passgenau in Szene gesetzt, sei es das Schlagzeugspiel oder der Gesang des erfahrenen und wirkungsbewussten Alan Averill.

„Where Greater Men Have Fallen“ ist vielleicht nicht das beste Album, das die Iren je veröffentlicht haben – es ist aber für Fans von PRIMORDIAL auch keine herbe Enttäuschung: Ungefähr so, als würde Bayern München mal nicht Meister, sondern nur Dritter werden, kann ja nicht jedes Mal klappen. Ist nicht schön, aber auch sicher kein Beinbruch – reicht ja immer noch für die Champions League. Die Konkurrenz steht dann  trotzdem zu fünfzehn Achtzehnteln im Regen und möchte in dieser Liga auch gern mal mitspielen.

(8/10 | Sven Lattemann)

 

Machen wir uns nichts vor, PRIMORDIAL bauen auf Alan und wenn die Iren beim Opener „Where Greater Men Have Fallen“ langsam losmarschieren und die Gitarren in Anschlag nehmen, interessiert das erstmal keine Sau. Die Spannung löst sich nämlich offiziell, wenn A.A. Nemtheanga mit seinem intensiven Gesang den Startschuss gibt und somit den wahren Anfang der Platte bestimmt. Seine Präsenz und sein Talent sind Fluch und Segen für die Band, die ihm und seiner Ausdruckskraft stets viel Raum lässt und auch lassen muss. Der Rest von PRIMORDIAL verlässt sich eben auf ihn – den Fronter, die Stimme, das Aushängeschild. Bei „Where Greater Men Have Fallen“ ist dies besonders stark zu spüren, die Arrangements werden teilweise als stagnierend („Babel’s Tower“ oder knapp vier Minuten zwecklose Akustikgitarren in „Born To Night“) und zu simpel empfunden.

Wer sich dann mit der Dominanz des allgegenwärtigen Alan arrangiert hat, hat Kapazitäten frei, um sich wirklich mit den Kompositionen zu befassen und doch noch einige Feinheiten wahrzunehmen. Da wäre beispielsweise die morbide Stimmung, mit der „The Alchemist’s Head“ den Hörer langsam, aber sicher ummantelt. Die Gitarren tänzeln den Hörer unschuldig an, umschwärmen ihn, kesseln ihn ein, während Alan den Hörer einschüchtert und in nebulöse Abgründe zwingt. Ebenso reizvoll sind die prügelnde Wand in „Come To Flood“ und die schönen Akzente von Bass und Drums in „Wield Lightning To Split The Sun“. Der Rest ist PRIMORDIAL, wie eh und je. „Where Greater Men Have Fallen“ ist also zweifelsohne eine gute Platte und PRIMORDIAL sind weiterhin eine bemerkenswerte Band, allerdings fehlt das gewisse Etwas. Langsam stellt sich bei mir eine gewisse Sättigung und Erwartungshaltung ein. Passiert häufig, wenn Bands auf hohem Niveau arbeiten, irgendwann fällt es aber schwer, dies zu halten oder sogar zu toppen.

(7/10 | Nadine Schmidt)

 

PRIMORDIAL, das Aushängeschild der Irischen Metalszene! Ich bin mir sicher, viele werden dieser Behauptung zustimmen, denn die vergangenen sieben Veröffentlichungen der 1987 (damals noch als FORSAKEN) gegründeten Iren können sich beinahe durch die Bank weg hören lassen.

Am 25. November 2014 erschien „Where Greater Men Have Fallen“, das achte Studioalbum der Band. Es beinhaltet acht Titel und ist eine knappe Stunde lang. Wie bereits bei vorangegangenen Werken ist es auch in diesem Fall unmöglich, eine klare Kategorisierung PRIMORDIALs vorzunehmen, wie erwartet bewegt man sich irgendwo zwischen Folk, Celtic, Black, Death und Pagan Metal. Epos und Brutalität stehen sich gegenüber, die Brachialität des (Traditional) Black Metal trifft auf das Facettenreichtum des Folk. Resultate dieses Kontrastes sind Songs wie der grandiose, heroische Opener und Titeltrack, das ebenso starke „Come To The Flood“ oder das fast schon wehleidige „The Mouth Of Judas“. Doch „Where Greater Men Have Fallen“ zeigt sich nicht nur von seiner Schokoladenseite, im Gegensatz zu älteren Veröffentlichungen haben Innovation und Dynamik spürbar eingebüßt. Man hat das Gefühl, PRIMORDIAL haben ihren Stil gefunden und halten nun (vorerst) an diesem fest. Verständlich, doch nichtsdestotrotz schade, denn war es vor allem die Unberechenbarkeit, welche das Warten auf ein neues Album der Band um den Ausnahmesänger Alan Averill „Nemtheanga“ vereinfacht hat …

Abschließend bleibt zu sagen, dass auch „Where Greater Men Have Fallen“ ein großes Stück Kunst ist. Gespickt mit Epos, Brutalität, Hass und Melancholie bescheren uns PRIMORDIAL eine Stunde „Hörspaß“. Im Vergleich mit früheren Alben scheint mir der aktuelle Longplayer stellenweise jedoch zu berechenbar – schade!

(8/10 | Jakob Volksdorf)

01.12.2014
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