Soilwork
Listening Session: "Verkligheten"

Special

Das Schicksal war nicht immer nett zu SOILWORK. Zu niemanden ist das Schicksal durchgehend nett. Krankheit, Verlust von geliebten Menschen, Trennungen. Alles Gegebenheiten, Situationen, denen man ins Gesicht schauen muss und nicht wegsehen kann. Situationen mit denen die Schweden ebenfalls über die letzten Jahre konfrontiert und sich dadurch offensichtlich der eigenen Verwundbarkeit gewiss wurden. Um dieser angsteinflössenden Wirklichkeit (schwedisch: “Verkligheten”) wenigstens für eine Weile entkommen zu können, schaffen sich SOILWORK eine eigene, dem brutalem Realismus, entrückten Welt, formen sich ihre eigene Wirklichkeit. Und genau auf diese, durfte vorab ein Ohr gelegt werden.

Soilwork – Verkligheten – Artwork

1.Verkligheten

Das mit leichten Gitarren-und Keyboardklängen gespickte Intro wabert wie in dichtem Nebel gehüllt vor sich hin, baut von Sekunde zu Sekunde eine leicht bedrohliche Stimmung auf. Absichtlich oder unabsichtlich ein Gefühl wie in einem Western. Zwei Gegner voreinander stehend, bereit ihre Waffe zu ziehen. High-Noon-Atmospähre. Ohne jeglichen Gesang, rein instrumental gehalten. „Verkligheten“ bedeutet übersetzt: “Wirklichkeit”. Also, Willkommen in der Wirklichkeit von SOILWORK.

2. Arrival

Der Einstieg erfolgt ohne weitere große Umwege direkt und brachial mittels Blast Beats aus dem Hause Thusgaard. Die, im Intro auftauchenden Melodienstränge, fließen in leicht veränderter, gewachsener Formation in den Song ein und durchziehen diesen mit im Nacken sitzender Vehemenz. Die brüllend, düsteren Vocals verschmelzen mit dem rasant vorgegebenen Tempo. Kurze, prägnante Growls, die sitzen. Im Mittelteil wird der Symphonie erneut Platz eingeräumt. Ein Innehalten, bevor es mit einem ausschweifendem Gitarrensolo und dem Einsatz von Cleangesang episch dem Ende zugeht.

3. Bleeder Despoiler

SOILWORK entscheiden sich hier für einen kleinen Richtungswechsel und gehen mit im Fokus liegenden thrashigen Gitarrensound und mit lässigen Schritten in den groovigen Bereich über. Ein Abwenden vom bleischweren, symphonisch-metallischen, hin zu einer locker-luftigen Spielweise, die zudem fies gespuckte Lyrics und einen eingängigen Refrain parat hält.

4.Full Moon Shoals

Einen der ersten veröffentlichten Songs zeigt deutlich, dass vorherrschende Thema auf. Die Realität jagt uns mit all seinen Tiefpunkten (Krankheit, Tod) und als wenn das nicht schon genug wäre, ist da noch der Kampf mit den eigenen Dämonen. Ernste, fast depressive Vocals, die als emotionale Gefühlsausbrüche greifbar sind, vermengen sich mit bleischweren Gitarrenriffing. Was im ruhigeren Segment startet, bricht im hinteren Drittel total auseinander. Sprechgesangsalven treffen auf pulverfassgeladenes Drumming. Eine dauerhaft schwankende Stimmung zwischen Trauer und Wut.

5.The Nurturing Glance

Was frei übersetzt “pflegender, hegender Blick” bedeutet, schleicht sich erneut mit sanfter Melodie in den ersten Sekunden an. Diese wird von der Rhythmusfraktion übernommen und mit handfesten Heavy Metal-Sound versehen. Der fast wie eine Hommage an alte Zeiten wirkende Track liefert eine derart prägende Hookline, die die starke Melodie-Affinität der Band bestätigt und womöglich seine wahre Größe live mit der Verstärkung von mitsingenden Kehlen entfaltet.

6.When The Universe Spoke

Eine Salve handfester Trommelkunst schmettert unaufhaltsam dar nieder, gleich nachdem die vordergründigen Gitarrenklänge der ersten Sekunden etwas abgeebbt sind. Sofort spurtet der Gesang mit bösartigen Gegrunze darauflos. Ein brachialer Schlagabtausch, fast wie ein Wettrennen zwischen Drumsticks, Saiten und Mikro. Pause erst beim Refrain. Luftholen. Einatmen und Pausieren. Dabei der Gitarre lauschend, die unaufhaltsam die gleiche Abfolge präsentiert und wie ein Countdown herabzählend die Stimmung hochkocht, bevor sich die Vocals erneut aufmachen anzugreifen und den Song schließlich abrupt und explosionsartig enden lassen.

7.Stålfågel

Erneutes Wandeln auf Möglichkeiten der stilistischen Variationen. Das Keyboard gibt elektronisch, zitterige Klänge vor, denen die Gitarren nahtlos folgen. Auf eine Reise, die sowohl Synth-Elemente, aber auch ein Riffing parat hält, was einen stark an die Nu Metal-Ära erinnern lässt. Bunte Tüte, wie beim Kiosk. SOILWORK bieten alles an, mit diffuser Wirkung, die einen überrascht zurücklässt.

8.The Wolves Are Back In Town

Kein Aufhalten mit epischer Melodie, sondern direkter Einstieg mittels Growling in abgehakter Stakkato-Manier. Rohe Energie im Vordergrund. Fordernd und durchdringend. Ein vertonter Wutanfall und bis auf den Refrain rhythmisch deutlich reduzierter als die Vorgänger. Die Wölfe sind zurück in der Stadt und offensichtlich sehr, sehr böse.

Soilwork auf dem Summer Breeze Open Air 2016

9.Witan

Diese Bösartigkeit wird unbeirrt weitergeführt. Mit dem bitteren Tenor, dass wir alle unserem Schicksal ausgeliefert sind, Wege vorbestimmt wälzt sich “Witan” unermüdlich voran und behält sich seine düstere,verzweifelte Grundstimmung über die gesamte Länge bei. Drückend und bedrückend transportiert Fronter Björn „Speed“ Strid mit krächzender Kehle die Verzweiflung, bis es mit einem Gitarrensolo zum Ende kommt.

10.The Ageless Whisper

Saiten-und Tasteninstrumente starten zurückhaltend ruhig. Eine weibliche Stimme ist zu hören. Ein zartes Flüstern inmitten einer flirrenden, instrumentalen Atmosphäre, die sich über eine Minute lang aufbaut. Ein langgezogener, schmerzerfüllter Schrei zerrt an dieser, und reißt sie in Fetzen. Bricht die ruhige Atmosphäre auf. Angeschoben von präzisem Drumplay, sowie Gitarren, punktgenau eingesetzt, bleibt alles jedoch in fester, zupackender Hand. Ein beklemmendes Gefühl macht sich breit und bleibt.

11.Needles And Kin (feat. Tomi Joutsen)

SOILWORK meets AMORPHIS. Tomi Joutsen von AMORPHIS gesellt sich dazu und unterstützt “Needles And Kin” in den Vocals. Der sehr dem Symphonic Metal zugewandte Song wirkt dabei fast wie ein Mash-Up, ein Verschmelzung dessen, was beide Bands ausmacht. Die Vocals breiten sich episch und heroisch über die sehr dichte Wand aus Instrumenten. Der Refrain dabei langezogen, platz einnehmend, zeit einnehmend. Eine Zusammenarbeit, die sehr gut miteinander harmoniert.

12.You Aquiver

Der letzte Song auf dem Album und fast fungierend als abschließendes Zeichen dafür, wie rhythmusstark sich SOILWORK 2019 präsentieren. Ein Refrain der druckvoll in den Vordergrund geshoutet wird, versehen mit einem hohen, symphonischen Anteil und einer ebenso hohen Dichte an cleanen Gesang. Finales Geballer von allen Seiten und damit ein absolut würdiger Abschluss.

Nachdem die allerletzten Töne von “Verkligheten” verstummt sind, der erste Hördurchlauf vollbracht ist, ist ein finales und abschließendes Fazit fast nur am Rande möglich. Geschuldet ist dies einer Band, die mit ihrer Veröffentlichung ein facettenreiches Portfolio offen legt, welches nicht nach nur wenigen Stunden greifbar ist. Das braucht und verdient schon einige Runden mehr. Aufgrund der unterschiedlichsten Einflüssen und einer Gradwanderung zwischen symphonischen Death Metal, thrashigen und grundsoliden Heavy Metal Parts , bewegen wir uns hier nicht mehr ausschließlich nur innerhalb der Wohlfühlzone des Melodic Death.

Das am 11.01. erscheinende Album steht im Vergleich den bestechenden letzten Releases wie “The Ride Majestic” und “Death Resonance”  in nichts nach, liefert jedoch weitaus weniger Groove-Spielereien. Sich hier wieder mehr auf die eigene skandinavische Herkunft konzentriert, liefert „Verkligheten“ einen sehr druckvollen und ungeschliffeneren Sound. SOILWORK wollen eine Art Zufluchtsort vor der Wirklichkeit bieten und zeigen sich dabei realer als je zuvor.

Quelle: Soilwork; Nuclear Blast
14.12.2018

It`s all about the he said, she said bullshit.

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