At The Gates
Interview mit Anders Björler zu "At War With Reality"

Interview

At The Gates

AT THE GATES waren musikalisch fast 20 Jahre lang von der Bildfläche verschwunden, bevor sie mit „At War With Reality“ ein sagenhaftes Comback-Album ablieferten und bewiesen, dass auch nach so langer Abstinenz noch immer mit Ihnen zu rechnen ist. Gründungsmitglied und Gitarrist Anders Björler stand uns für ein kurzes Frage-und-Antwort-Spiel zu den Hintergründen des fünften AT THE GATES-Albums zur Verfügung.

Anders, für „At War With Reality“ sind AT THE GATES seit beinahe 20 Jahren wieder das erste Mal ins Studio gegangen. Wie würdest Du die Atmosphäre und den Vibe während der Sessions beschreiben?

Es war fast, als wären wir in eine Zeitmaschine gestiegen und 20 Jahre zurückgereist. Wir wollten bei den Sessions den Geist von damals wieder aufleben lassen und ließen uns sehr vom kreativen Prozess inspirieren, wie er damals war. Ich schrieb Songs, schickte sie Tomas, er schickte sie mir mit einigen Lyrics zurück und Martin, Jonas, Adrian und ich begannen, die ganzen Einzelteile zu arrangieren und sie weiterzuentwickeln. Auch wenn wir heute nicht mehr nah beieinander wohnen und uns nicht so oft treffen konnten, fühlten wir uns sehr schnell sehr tief in diese jugendliche Atmosphäre der Vergangenheit zurückversetzt. Logischerweise profitierten wir dabei vom Fortschritt, der sich in der Zwischenzeit an der technischen Seite von Studioaufnahmen getan hat. Früher mussten wir die Songs erst gemeinsam einproben und auf Tapes bannen, bevor wir an die Aufnahmen gehen konnten. Mit Cubase und dem Internet ist das heute nicht mehr so schwierig. Was die Songs auf „At War With Reality“ aber zusammenhält, ist definitiv der kreative Old-School-Geist.

Dabei sollte es „At War With Reality“ eigentlich gar nicht geben. 2007, als Ihr die Live-Reunion bekannt gegeben habt, stand die Aussage, ein neues AT THE GATES-Album stünde nie wieder zur Disposition…

Zunächst einmal: als wir die letzte Reunion-Show 2008 in Athen in Griechenland spielten, waren wir von der Resonanz vollkommen überwältigt. Wir fanden es damals schade, dass wir keine Zeit hatten, auch in anderen Regionen wie Südamerika, Australien und Asien zu spielen. Das war also zunächst der Grund, uns wieder 2011 für weitere Auftritte zusammen zu tun. Von diesem Zeitpunkt an beschlossen wir auch, keine absoluten Statements mehr abzugeben, weil sich dies für uns als unproduktiv herausstellte. Klar, wir trafen damals solche Aussagen, weil sich die Situation für uns entsprechend anfühlte. Aber dies hat sich im Laufe der letzten Jahre geändert. Wir haben so viel Spaß an den jeweiligen Komponenten einer Band: touren, andere, fremde Länder sehen und Freunde und Fans treffen. Das einzige, was sich dabei als fehlend herausstellte, war, zusammen kreativ zu sein und Musik zu schreiben. Letzten Endes sind wir Künstler und etwas Neues zu erschaffen, ist schließlich ein großer und wichtiger Teil davon.

Wann und wie stand also der Entschluss, doch wieder zusammen kreativ zu werden?

2013 haben wir dann mit dem Gedanken gespielt, vielleicht ein Cover-Album aufzunehmen. Ich war aber nicht besonders begeistert von der Idee und schlug dagegen vor, eigene Songs zu schreiben. Nachdem ich mein Solo-Debut ANTIKYTHERA letztes Jahr im Mai abschloss, begann ich, wieder Metal zu spielen und zu schreiben. Und natürlich spukten mir dabei AT THE GATES ständig im Kopf herum, immerhin war und ist diese Band ein großer Teil meines Musiker-Lebens. Ich schickte Jonas die Tracks, die ich geschrieben hatte, um einfach seine Reaktion darauf zu sehen. Das Ganze war für mich etwas ganz Natürliches, schließlich mach ich das ja auch schon seit 25 Jahren. Der Rest ist Geschichte.

Lastete der Druck nicht sehr auf Euch, „Slaughter Of The Soul“ gerecht werden zu müssen?

Nein, davor fürchten wir uns nicht mehr so sehr wie noch vor ein paar Jahren, als wir die Reunion-Tour bekannt gaben. Wenn einige Leute ein Problem damit haben, dass wir wieder neue Musik machen, sollen sie sich einfach vor Augen halten, dass es um zwei komplett unterschiedliche Zeitfenster geht, die man einfach nicht miteinander vergleich sollte. Es ist so viel Zeit vergangen und wir haben uns weiterentwickelt, so einfach ist das. Wir fühlten uns bei zwei oder drei Songs auf „At War With Reality“ schon an „Slaughter Of The Soul“ erinnert. Aber wir mögen sie. Und das ist doch ein guter Startpunkt.

Weshalb, denkst Du, ist „Slaughter Of The Soul“ zu einem so wichtigen Album für das gesamte Genre geworden?

Vielleicht, weil es so direkt ist. Es hat nicht nur eine Art lyrisch sondern auch musikalisch übergreifendes Thema. Ich würde es vermessen mit „Reign In Blood“ vergleichen, denn das war das Album, an das wir dachten, als wir „Slaughter Of The Soul“ schrieben. Wir wollten damals kein langes Album schreiben sondern eines, das ein purer Adrenalinstoß ist. Das Album war den damaligen Umständen geschuldet. Wir kamen damals Anfang 1995 von einer desaströsen Tour zurück. Wir waren jung, hatten einen Haufen Schulden und waren arm im wahrsten Sinne des Wortes. Wir waren sehr wütend und konzipierten „Slaughter Of The Soul“ als eine Art Rache-Album. Zu der Zeit, als es veröffentlicht wurde, wurde es als sehr imposant, sehr aggressiv und vielleicht auch ein Stück originell und frisch aufgenommen.

Zumindest qualitativ habt Ihr die fast 20 Jahre locker überbrückt. Was hält die Zukunft für AT THE GATES bereit?

Ich denke, wir werden auch nach der „At War With Reality“-Europa-Tour weitermachen. Aber wir werden dies nicht vor dem Hintergrund eines Karrieregedankens tun. AT THE GATES ist für uns kein Job. Es ist ein Bonus. Wir haben alle unsere Berufe und familiären Verpflichtungen und wollen nicht die Verbindung zu unserer Heimat und unseren Lieben verlieren. Und nicht zuletzt sind wir auch alle schon in unseren Vierzigern. Dementsprechend haben wir die Entscheidung getroffen, AT THE GATES auf einem Level zu betreiben, auf dem es uns allen Spaß macht. Der Spaß steht im Vordergrund. Jeder in der Band soll das Tempo genießen können, mit dem wir voranschreiten. Ein großer Teil von AT THE GATES besteht nun darin, dass uns die Band nicht im finanziellen Sinne bestimmt. Wir wollen nicht mehr spielen müssen, um die nächste Miete bezahlen zu können. Musikalisch fühlen wir uns aber sehr inspiriert und dürften auch in Zukunft versuchen, weitere Musik zu schreiben.

09.12.2014
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