Avantasia
Klaut Tobias Sammet alten Damen die Handtaschen?

Interview

Tobias Sammet bringt mit seinem Projekt AVANTASIA heute mit „A Paranormal Evening With The Moonflower Society“ bereits das neunte Album unter dieser Flagge auf den Markt. Der gewohnt gesprächige Bayern-Fan erläuterte uns ausführlich die Hintergründe zur Scheibe, wie sie im Kontext zu den anderen Platten einzuordnen ist und, was denn eigentlich mit EDGUY los ist.

Hi Tobi, wie geht’s? Bist du schon aufgeregt?

Was meinst du? Wegen des Länderspiels morgen, wegen der Plattenveröffentlichung oder wegen des Interviews?

Ich meinte die Platte, denn beim Fußball stehen wir auf zwei verschiedenen Seiten, da ich aus Bremen komme und du Bayern-Fan bist.

Jeder Mensch hat so seine Laster und das ist eins von meinen 27 Lastern (lacht). Aber wegen des Albums bin ich eigentlich nicht aufgeregt, ich bin sehr glücklich, da ich im Gegensatz zur Welt da draußen ja schon weiß, wie gut das geworden ist. Wie es nun ankommt und was damit passiert, das liegt nun nicht mehr in meiner Hand.

Natürlich ist es ärgerlich, wenn man so zufrieden mit einem Album ist und es dann ein Flop wird kommerziell, aber es hat schon einen wichtigen Zweck erfüllt. Es hat mir wunderbare Zeiten beschert, als es in der Welt da draußen nicht so wunderbar aussah. Es hat mir viel Eskapismus geboten, es hat mich auf Reisen mitgenommen beim Schreiben, beim Produzieren. Es war auch ein Stück weit Selbsttherapie, das ist Musik ja immer. Ich versuche immer auch aufzuräumen in mir beim Schreiben.

Du betonst ja auch immer wieder, dass es das persönlichste Album deine Karriere ist.

Textlich ist es sehr autobiografisch. Ich glaube, dass die Texte bei mir meistens sehr persönlich sind. Das war schon immer ein Stück weit so, auch wenn die Leute bei EDGUY etwas albernes wähnten, war da trotzdem was persönliches drin. „Space Police“ ist zum Beispiel ein Text, wo ich sehr scharf bestimmte Dinge verarbeitet habe.

Zum neuen Album zurück ist es auf allen Ebenen wahnsinnig persönlich. Ich hatte eine Zeit, da hatte ich mir gerade ein neues Studio gebaut und saß dann da und konnte sonst auch nichts machen, wie wir alle in der Lockdown-Situation. Da sitzt du dann in deinem Studio und hast die Möglichkeit, dich verzweifeln zu sehen oder du tauchst in deine eigene Welt ein und schreibst einfach Musik.

Ich habe so viel Zeit und so viel Muße gehabt, weil es nichts anderes zu tun gab, dass ich von einem weißen Papier hinweg direkt detaillierte Demos entworfen habe. Ich hatte die Möglichkeit und die Zeit dazu, mich intensiv mit der Studioarbeit zu beschäftigen. Ich habe so viel von der Richtung vorgegeben, dass man gar nicht mehr so viel Einfluss nehmen konnte.

Auch mein Produzent und Freund Sascha Paeth, der war damit auch total okay. Er war nicht enttäuscht, aber er hat gesagt, dass die Songs dieses Mal sehr vorgegeben waren. Er meinte dann, er kann noch ein wenig an der Gitarrenarbeit und am Sound feilen, aber das war’s.

Ich habe die Chöre selber eingesungen bei sieben von elf Songs. Bei vielen Songs habe ich die Backingvocals selber eingesungen, das waren teilweise 80, 84 Spuren, Stimme für Stimme. Ich habe bis auf zwei Songs die Orchestrierung selber gemacht, was sonst immer Miro Rodenberg macht. Sascha hat gesagt, das klingt wie ältere EDGUY. Da hatte ich vielleicht noch andere Arbeitsmethoden, aber ich war noch in jeden Prozess genau so intensiv involviert.

Irgendwann ist mir das ein bisschen abhanden gekommen, weil ich so wahnsinnig viel zu tun hatte, ich wusste nicht mehr wo oben und unten ist. Du schreibst die Alben du managst die Band, dann zwei Bands, du machst Promotion, du gehst auf Tour und die „Rocket Ride“– und „Hellfire Club“-Touren gingen beide je 110 Shows, dazwischen hast du noch 50 AVANTASIA-Shows, da habe ich dann viel abgegeben. Ich habe gesagt, Sascha macht die Chöre, Miro macht die Keyboards und ich hab das dann nur überwacht. Ich war mehr eine Art Executive Producer und bei dieser Platte bin ich wieder viel näher dran an allem.

Ich finde auch, dass man alle deine Schaffensphasen auf dem Album wiederfindet, von „The Metal Opera“ bis „Moonglow“.

Ja genau! Das war nicht so geplant, manche mögen dann sagen, ich hätte das Rad nicht neu erfunden. Natürlich habe ich das Rad nicht neu erfunden, ich bin ja kein Erfinder, ich bin Musiker! Es geht mir darum, meine Stimmungslage auszudrücken, das zu machen, was mir Freude bereitet und das zu tun, worauf ich Bock habe. In der Zeit, in der ich Songs schreibe, die das Rad nicht neu erfinden, klaue ich zumindest keinen älteren Damen die Handtasche, also ist das auch eine Win-Win-Situation (lacht).

Das wäre ja auch mal ’ne Schlagzeile…

„Tobias Sammet legt AVANTASIA ad acta und klaut alten Damen die Handtaschen.“ (lacht)

Um den Bezug zum Vorgängeralbum herzustellen, optisch sieht es ja schon ein bisschen aus wie „Moonglow Part 2“. Besteht ein Zusammenhang zwischen den Werken?

Beide Platten haben mit Eskapismus zu tun, beide Platten haben mit dem Problem zu tun, seinen Platz in der Welt da draußen zu finden und eben sich auch Rückzugsorte schaffen zu müssen, um einen klaren Gedanken zu fassen und mit dem, was da draußen auf einen einprasselt, besser umgehen zu können.

Ich gehöre einfach zu den Leuten, die durchs Raster gefallen wären in der Welt, wenn ich nicht Musiker geworden wäre, weil ich mit vielen Dingen da draußen nicht so gut klar komme. Ich glaube, damit können sich einige Leute identifizieren, das kriege ich auch rückgemeldet. Einige finden das nicht so geil, was da in der Welt passiert. Das meine ich auch gar nicht politisch oder so, aber einfach so diese Ellenbogengesellschaft ist nicht jedermanns Sache.

Damit setzen sich beide Alben auseinander, auch mit dem Symbol des Mondes: „Ich blühe auf, wenn die Welt ein bisschen ruhiger wird.“. Das würden die Leute bei meinen Ansagen nun nicht so erwarten, aber wenn es draußen langsamer, ruhiger und dunkler wird, die Ellenbogen eingefahren sind, weil sie im Bett liegen und sich auf den nächsten Ellenbogentag vorbereiten müssen, dann komme ich raus, dann habe ich Luft zum Atmen. Dann gehe ich in mein Studio oder gehe auch mal vor die Tür. Ich spreche jetzt in Bildern, aber mit diesen Aspekten setzen sich beide Platten zusammen.

Beide Platten sind keine klassischen Rockopern. Das Label ist immer ganz gut, dann kann man es gut einordnen und die Leute sind glücklich, wenn man es so nennt. Aber eigentlich sind es Themenalben, so Liederzyklen. Es sind elf individuelle Szenerien, die alle in einer phantastischen Welt angesiedelt sind. Ähnlich war das Konzept auch bei „Moonglow“, es gibt im Ansatz Unterschiede. „Moonglow“ ist ein sehr einsames Album, da betrachtet sich eine Kreatur isoliert von der ganzen Welt. Diese Aspekte hat „A Paranormal Evening With The Moonflower Society“ auch, aber es gibt auch Hoffnung, dass man mit dem durchs Raster fallen nicht alleine ist. Deswegen auch „Moonflower Society“, das sind für mich sinnbildlich die Geister, Gedanken, Musen und Inspirationen, die mir begegnen, wenn ich die Studiotür schließe und in meine Welt eintauche. Es sind aber auch die Leute, mit denen ich mich umgebe, denn die sind mir nicht so unähnlich. Wir sind alles Leute, die froh sein können, Musiker zu sein, weil wir in der Welt der Erwachsenen alle durchs Raster fallen würden.

Das gilt denke ich auch für viele Musikkonsumenten, die mit der Welt da draußen vielleicht überfordert sind und dann zuhause erst einmal die Musik aufdrehen, um den Druck abzulassen.

Absolut, ich sehe das nicht nur als Druck ablassen und Therapie, ich ziehe da auch ganz viel Kraft draus. In meiner Vorstellung finde ich Antworten, die mir draußen helfen. Das ging mir schon als Fünfzehn-, Dreizehn-, Elfjähriger so, wenn du im Alltag Dinge erlebst, die du scheiße fandest, dann bist du nach Hause gegangen und da hing dann ein Poster von Blackie Lawless, Paul Stanley oder Ronnie James Dio und die haben dich angeguckt und verstanden. Blackie Lawless hat dann für diesen Elfjährigen „I Wanna Be Somebody“ gesungen, der ein bisschen Anpassungschwierigkeiten hatte.

Ich sehe die Welten, die ich mit meiner Musik betrete gar nicht so diametral, als irgendwas, was mich vor dem Alltag weg holt, sondern ich sehe es als unsichtbare Erweiterung meiner Lebensrealität. Alles, was ich dort erlebe und ausdenke, alle Pläne, die ich dort schmiede, hat Auswirkungen auf das, was in meiner materiellen Lebenswelt passiert. Das suggeriert irgendwie, dass das alles Spinnereien sind, aber ich bin sehr glücklich, dass ich meine Familie mit Dingen ernähren kann, die mir Freude bereiten. In dem Moment bist du dann auch in der Welt der Erwachsenen angekommen, so Banane dieses Konzept auch ist.

Das stimmt, der erwachsene Gedanke ist „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“ und du lässt den Dreizehnjährigen in dir trotzdem nicht aus den Augen und gibst den Gedanken an die nächste Generation weiter. Da draußen ist dann vielleicht jemand, der sagt, ihn hat „Tears Of A Mandrake“ zu etwas inspiriert.

Das ist auch schön, wenn sowas passiert. Irgendwie ist man unfreiwillig nicht für sich selbst Therapeut, sondern auch für andere. Blackie Lawless und Ronnie James Dio waren sicherlich auch meine Therapeuten.

Das kann ich dir rückmelden, für mich hatte „The Seven Angels“ lange eine therapeutische Wirkung, insbesondere die Klavierpassage am Ende.

Danke, das bedeutet mir auch wirklich was!

Das sollte jetzt kein versteckter Hinweis sein, dass der Song doch mal wieder ins Liveset gehört.

Den hast du jetzt ja nachgeliefert. Ich finde die erste „Metal Opera“ tatsächlich deutlich besser als die zweite, das ist so das Album, das mir mittlerweile am fernsten ist. Die Bob-Catley-Songs sind tierisch und auch die lange Nummer – da hängen unheimlich viele Erinnerungen dran.

Ich muss aber tatsächlich sagen, dass meine Livemitstreiter mir vermutlich an die Gurgel gehen würden. Die mögen „The Tower“ und „The Seven Angels“ gar nicht. Ich weiß nicht, ob die sich das so schlecht merken können, sind ja auch alle nicht mehr die jüngsten, aber die sagen dann immer, es sei doch viel schöner stattdessen drei Songs vom letzten Album zu spielen.

Von daher ist es immer so eine Kompromiss-Sache, ich könnte mich natürlich durchsetzen und sagen, wir spielen das jetzt und bis ihr das gelernt habt, spielen wir es drei Mal am Abend, aber das würde für nicht so gute Stimmung sorgen. Vielleicht nehmen wir es irgendwann wieder ins Set, mal sehen, aber ich habe meinen Frieden mit dem Stück gemacht.

Manchmal will man den Leuten ja auch auf die Nase drücken, dass man mittlerweile alles viel besser kann und alles viel besser ist und das stimmt natürlich auch. Aus der Sicht des Künstlers muss es ja immer besser werden, was man so macht. Und dann nervt es natürlich auch, wenn man eine neue Platte macht und als Künstler weiß, dass die auf einem ganz anderen und auch höheren Level ist, besser umgesetzt und so und dann sagen die Leute, natürlich auch aus nostalgischen Gründen und emotionaler Bindung heraus, dass es so ein Stück nicht ersetzen kann. Und das soll und kann es auch nicht. Das ist so wie wenn ich „Eagle Fly Free“ höre.

Oft spielt die Nostalgie auch eine große Rolle. Auch, wenn du was lange nicht gehört hast, einen alten Song von TITAN FORCE zum Beispiel und dann legst du den wieder auf und denkst dir „öh ja…“. Wenn dann Fans sagen, das Neue ist alles Scheiße und mach mal wieder so etwas wie auf der ersten Platte, dann musst du aufpassen, dass du nicht die Balance verlierst und die Stimmung ins Gegenteil umschlägt. Drum habe ich meinen Frieden mit all meinen Platten gemacht und finde, alles, was ich je gemacht habe, legendär (lacht).

Da hast du mir eine Frage schon halb vorweg genommen, denn ich wollte eigentlich wissen, mit welchem Album du besonders zufrieden bist, das neue mal ausgenommen und welches du verbesserungswürdig findest.

Verbesserungswürdig finde ich die „Kingdom Of Madness“ wegen der Produktion. Die hat damals Ralf Hubert von MEKONG DELTA produziert und wir haben gedacht, der hat schon einen Plattenvertrag, der muss wissen wie das geht.

Da habe ich gelernt, nur wenn man unheimlich gut rechnen kann mit seiner Musik und schon einen Plattenvertrag hat weiß man noch nicht, wie man eine gute Platte produziert. Das war alles Kraut und Rüben und dann habe ich mir MEKONG DELTA mal angehört und das hätte ich mal vorher machen sollen, denn dann hätte ich ihm gesagt, er soll es so machen, wie er es bei seiner eigenen Band nicht machen würde (lacht).

Das ist jetzt nicht gemein gemeint, es hat nur für EDGUY einfach überhaupt nicht gepasst. Wir kamen damals ins Studio und das war geil und das erste, was er uns gefragt hat war, ob wir vom Blatt spielen können. Das konnten wir natürlich nicht, also „La Paloma ohé“ auf der Heimorgel vielleicht, aber sonst. Da meinte er, da hätte er Probleme, uns überhaupt als Musiker zu bezeichnen. Dann kommst du als Siebzehnjähriger ins Studio und hörst erst einmal sowas, da geht die Motivation nicht unbedingt hoch. Heute würde ich sagen, nee, ich kann nicht vom Blatt spielen, aber ich weiß, wie man drei Millionen Platten verkauft! (lacht)

Nein, das klingt jetzt überheblich, wenn du das schreibst, sagen wieder alle, Tobi ist ein selbstverliebter Arsch, das stimmt nicht. Ich wollte nur sagen, dass es nicht darauf ankommt, erst einmal andere so herunter zu drücken. Jedenfalls würde ich diese Platte auf jeden Fall heute anders machen.

Unheimlich stolz bin ich auf „The Scarecrow“, weil es irgendwie das beste beider Welten war. Wir haben damit einen Übergang geschaffen, die Trademarks beibehalten mit so Songs wie „Shelter From The Rain“ und haben mit „The Scarecrow“ einen absoluten Signature-Track geschrieben.

Zwei, drei Jahre später waren wir mit Michael Kiske auf Tour und der meinte, wir haben etwas geschafft, was sonst kaum eine Band schafft, wir haben die Integrität der alten Platten beibehalten, die Fans bei der Stange behalten, aber ihr könnt auch solche Dinge einstreuen wie „Lost In Space“ oder „Carry Me Over“ oder „The Story Ain’t Over“. Ihr könnt eine poppige ABBA-Coverversion machen und das alles unter dem Dach von AVANTASIA unterbringen.

„The Scarecrow“ hat AVANTASIA ohne unsere Wurzeln zu verleugnen auf ein neues Level gehoben. Da hat auch Jorn Lande viel zu beigetragen. Wir hatten auch diese Kredibilität, klar wurde dann sowas gesagt wie, dass wir nun einen auf BON JOVI machen wollen. Aber wenn du dann Leute wie Eric Singer von KISS am Schlagzeug dabei hast, ALICE COOPER, der den Heavy Metal als Schockrock-Urvater entscheidend mitgeprägt hat neben Arthur Brown und Screamin‘ Jay Hawkins. Wir hatten eben diese Fürsprecher, auch Rudolf Schenker. Diese Platte hat uns, jetzt laber ich mich hier irgendwie rein, es war einfach ein ganz wichtiger Meilenstein in der Karriere.

So, unsere Zeit wäre jetzt zu Ende, aber hast du noch ein, zwei Minuten?

Ja klar, die warten eh, die denken sich sowieso, der kann die Uhr nicht lesen. Ja ja, ich hab noch vier Minuten.

Super! Dieses Jahr wären ja 30 Jahre EDGUY angesagt und du meintest ja mehrfach, neue Musik ist gerade kein Thema, aber nun hast du während unseres Gesprächs auch total viel über EDGUY geredet, wie sieht es denn mit ein paar Jubiläumskonzerten aus. Oder ihr nehmt einfach „Kingdom Of Madness“ neu auf.

Es ist gerade Ruhe, so viel könnten wir nicht machen. Wir verstehen uns, wir gratulieren uns zum Geburtstag, mit Dirk telefoniere ich alle zwei, drei Wochen mal, es ist alles gut, aber das zusammen Arbeiten ist sehr schwer geworden. Das ist im Moment noch nicht absehbar, wann wir wieder was zusammen machen. Dazu kommt natürlich, dass es mit Touren gerade eh schwierig ist. Selbst wenn wir nicht zu allem auf einmal fünf Meinungen hätten, sondern ein ganz frisch verheiratetes Ehepaar wären und kein dreißig Jahre verheiratetes Rentnerehepaar, dann wäre das trotzdem schwierig, das zu machen.

Ich weiß natürlich, dass die Leute sagen, der Tobi lässt seine Freunde im Stich, AVANTASIA wirft viel mehr Geld ab und so. Die Leute können sich einfach kein Bild machen, es ist nicht so einfach in einer Band, in der die Leute so jung zusammen kamen und sich so unterschiedlich entwickelt haben mit anderen Auffassungen, anderen Meinungen und Ansichten. Da entstehen automatisch Reibungen. Die Arbeitsverteilung ist sehr einseitig verteilt gewesen, das brauche ich irgendwie auch, aber es ist eben nicht so leicht.

Es war einfach besser zu sagen, komm jetzt macht jeder seinen eigenen Scheiß und dann gucken wir mal. Aber ich weiß nicht, ob wir in den nächsten Jahren eine neue Platte machen oder so.

Das kannst du ja auch nicht erzwingen, das muss ja auch von selbst kommen.

Du kannst natürlich was zusammenschustern nach dem Motto jeder schmeißt seine zwei besten Ideen vom letzten Dienstag in den Topf, wir verkaufen das an irgendeine Plattenfirma und kleistern unseren Namen drauf, aber wem ist denn damit gedient?

Ich finde die Quintessenz dessen, was diese Band ausmacht muss auch da sein. Auch wenn in der Vergangenheit aus Fansicht nicht alle Alben perfekt waren, so haben sie immerhin alle eine gewisse authentische Qualität gehabt. Das muss einfach gegeben sein, ansonsten ergibt es keinen Sinn.

Du merkst das als Fan auch, würde ich behaupten, wenn da keine kreative Intention dahinter steckt.

Ja und die Leute würden dann vermutlich sagen: „Sag mal, du solltest doch eine Platte machen, die von Herzen kommt.“ Dann würde ich sagen: „Ja, aber so eine konnte ich nicht machen.“ und dann würden die sagen „Ja, dann hättest du gar keine machen sollen.“, aber ich sollte ja eine machen und so weiter. Ich weiß nicht, wie sich die Leute das vorstellen, das ist einfach nicht so leicht (lacht).

Du meintest schon, dass Touren gerade nicht so leicht ist, weswegen wir vermutlich keine große „Paranormal Evening“-Tour erwarten können?

Nein, richtig. im Moment fahren wir alle auf Sicht. Eine nach der anderen Tour geht in die Binsen, ich möchte einfach nichts ankündigen, was ich dann absagen muss. Das ist dieses Jahr mit einem Festival passiert, die anderen 13 haben wir gespielt.

Ich bin guter Dinge, dass wir nächstes Jahr Shows spielen werden, aber ich glaube nicht, dass wir diese Standard-50-Shows-Arenatour machen werden. Man muss da kreative Lösungen finden und realistisch bleiben.

Um zum Schluss den Bogen zum neuen Album noch einmal zu spannen, wie bist du denn auf diesen prägnanten Titel gekommen?

Ich wollte die „Moonflower Society“ benennen und dachte, das ist ein knapper Titel und erinnert sehr an „Moonglow“. Ich wollte das Album auf die Leute wirken lassen wie ein Abend voller Geschichten, eine Reise vom Abend bis zum Morgengrauen in diesem Imaginarium-Theater und dachte mir, ich nenne es „An Evening With The Moonflower Society“, wie diese alten, okkulten Schmöker aus dem späten 19. Jahrhundert, wo es auch immer diese verdorbenen Gesellschaften schräger Vögel gab.

Aber ich dachte mir, das ergibt keinen Sinn, das klingt wie ein Livealbum, also habe ich noch „paranormal“ hinzugefügt, das gibt dem Ganzen diesen Gothic-Novel-Touch. Es trifft den Nagel auf den Kopf. Es war ein bisschen Arbeit, die Plattenfirma davon zu überzeugen, aber sie waren dann sehr unterstützend, weil sie gesagt haben, dass ein Titel in der Länge etwas problematisch ist, aber der ist so geil, dass wir das einfach machen. Das ist das schönste Kompliment, was du einem Künstler machen kannst und es sagt auch viel über die eigene Plattenfirma aus, wenn sie sagen, dass es marketingstrategisch schwierig aber künstlerisch so geil ist. Dafür bin ich ihnen auch sehr dankbar.

Danke dir Tobi für deine Zeit und alles Gute für dich!

Danke, dir auch! Hau rein!

Quelle: Interview mit Tobias Sammet
21.10.2022

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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