Hammerfall
Liebe oder Hass

Interview

Es scheinen ja immer noch Träume vom ach so glamourösen Leben auf Tour und den wilden Partys im Backstage zu existieren. In den Backstage der MHP Arena geht es aber erst mal an draußen rauchenden Busfahrern vorbei, durch eine Besprechung und Einweisung der Securities in einem Raum mit fertig aufgebauten Schlagzeugen und Bühnenequipment. Dann einen langen Gang entlang bis wir in einem 3 x 3 Meter großen Raum landen, der an den Wänden gefließt ist und in der Mitte durch eine Toilettenwand abgetrennt ist. Auf beiden Seiten der Wand hängt ein Waschbecken und sonst gibt es neben einem Lan-Kabel, einem Tisch und drei Stühlen nichts. Was für eine angenehme Atmosphäre für ein Interview. Oscar Dronjak taucht dann aber recht gut gelaunt auf und nimmt sich Zeit für die Fragen.

Hallo Oscar, wir hatten mit Fredrik schon ein Interview zu eurem letzten Album. Deshalb lass uns ein wenig über die Tour und das Touren allgemein sprechen.
Wie läuft denn bisher die Tour? Zwei Wochen sind rum, dann kommt noch eine Woche von diesem Abschnitt der Tour bevor es dann nach Osteuropa und nach Russland geht.

Oscar: Es läuft unglaublich. Wir wussten ja schon vorher, dass es die größte Tour wird, die wir jemals gefahren sind. Das misst sich an den Besucherzahlen und an dem Umfang der Aufbauten auf der Bühne. Von sowas hab ich lange nicht zu träumen getraut.
Gestern in Bamberg waren es 3.000 Zuschauer und in München und Kaufbeuren waren es an beiden aufeinander folgenden Tagen knapp unter 4.000 Leute. Das ist gigantisch, alles läuft super.
Heute nehmen wir das Konzert dann auch noch auf. Wir müssen uns noch entscheiden beziehungsweise Napalm Records muss noch zustimmen, wie es veröffentlicht werden soll, als DVD oder als Livealbum. Wir würden es gerne noch dieses Jahr veröffentlichen, aber das steht auch noch nicht fest.

Hier kommen ja regelmäßig Bands hin in die Halle und sie gibt auch einen guten Rahmen vom Sound und vom Visuellen für den Mitschnitt. Ihr arbeitet hier auch zusammen mit den Leuten vom Summer Breeze, oder?

Ja, wir wollten unbedingt in Süddeutschland aufnehmen, denn wir sind hier in den letzten 23 Jahren gut aufgenommen worden. Man merkt da schon einen Unterschied und ohne die anderen Gegenden abzuwerten, aber Süddeutschland war schon immer gut zu uns.

Also bemerkt ihr, dass es einen Unterschnitt vom Publikum her zwischen den Gegenden und Städten gibt?

Vielleicht nicht immer, aber wenn man die 23 Jahre zurück blickt, dann waren die Fans im Süden von Deutschland schon immer sehr gut zu uns.

Nicht nur für euch, sondern auch für andere Bands, geht es momentan in immer größere Hallen. Ihr wart ja Vorgruppe von SABATON in den USA und hier waren sie gerade Headliner in Stuttgart vor 13.000 Zuschauern. POWERWOLF sind auch so eine Band, für die es steil nach oben geht. Warum ist das Genre in den letzten Jahren so explodiert?

Gute Frage. Ich habe da noch nie darüber nachgedacht, aber du hast wohl recht. Für mich war es schon immer das beliebteste Genre, vielleicht ist aber gerade die Zeit dafür reif. Um ehrlich zu sein, habe ich aber keine Ahnung. Ich bin nur froh, dass die Leute zu würdigen wissen, was wir alle tun. Und besonders bei SABATON ist der Aufstieg einfach unglaublich. Echt beeindruckend.

Das ist momentan aber auch das einzige Genre, wo man viele junge Fans sieht auf den Konzerten. Ich komme mehr vom Death Metal und da ist es nicht so.

Ich glaube ein Heavy Metal Song ist einfacher zu konsumieren als ein Death Metal Song.
Ich bin selbst Vater eines fünfjährigen Jungens und er kann die Genres noch nicht auseinanderhalten. Aber wenn er etwas schnelles hört, mit schnellem Schlagzeug, dann gefällt ihm das ohne irgendeine Ahnung zu haben was es war. Und wenn es zu soft ist, dann gefällt es ihm nicht. Für mich als Vater ist ganz interessant zu sehen, dass er das mag, was ich repräsentiere.
Aber um zur Frage zurückzukommen, man braucht schon etwas länger um mit Death Metal warm zu werden als mit Heavy Metal. Ich spekuliere nur, aber vielleicht haben die Heavy-Metal-Fans einfach mehr Kinder, die sie mitbringen zu den Konzerten.

Gestern in Bamberg hatten wir eine Familie mit zwei Jungs und einem Mädchen und den Eltern in der ersten Reihe stehen. Vielleicht war auch noch eine Person mehr mit dabei, da bin ich mir jetzt gar nicht so sicher. Sie waren allerdings bei meheren Konzerten dabei und stehen immer in der ersten Reihe. Es bereitet uns so ein Vergnügen zu sehen wie sie durchdrehen und Spaß haben und dabei sind die Kids alle so um die zehn Jahre alt. Es macht mir einfach Freude zu sehen, dass eine neue Generation von Metal-Fans heranwächst.

Was ist aber die andere Sache am Heavy Metal. Bei den großen Bands wie MANOWAR, SABATON, POWERWOLF oder auch HAMMERFALL gibt es nur Liebe oder Hass von Seiten der Fans. Gerade du weißt es ja am besten wie die Leute über Einen und seine Kleidung reden können. In anderen Genres ist es mir noch nicht so aufgefallen.

Ja, du hast aber recht. Darüber habe ich aber auch noch nicht so intensiv nachgedacht.
Man liebt es oder man hasst es, aber wenigstens bekommt man eine Reaktion. Schlimmer ist es nur, wenn man den Leuten komplett egal ist. Das ist für Künstler das schlimmste.

Wie bist du eigentlich aus dieser Situation herausgekommen? Vor ein paar Jahren hat das Gerede ja aufgehört. War es einfach an der Zeit oder weil euch die anderen Bands von der Popularität überholt haben und jetzt die Feindbilder sind? Oder haben die Leute einfach kapiert, dass ihr einfach 25 Jahre eure Sache macht, auf die ihr Lust habt?

Könnte sein. Wahrscheinlich alles ein wenig und dann noch, dass die Gegner von HAMMERFALL auch erwachsener geworden sind und besseres zu tun haben als eine Band zu beleidigen. Es war auch eine gewisse Mode HAMMERFALL zu hassen, besonders in Schweden.
Wie wir damit umgegangen sind? Was hätten wir machen sollen?
Das schlimmste war 2002 der Angriff auf Joacim in Schweden. Er ist angegriffen worden, weil er der Sänger der Band war, die diese Person nicht mochte. Das war einfach zu viel.
Wenn die Leute eine Meinung haben, stört es mich nicht. Diese Meinungen basieren aber oft nur auf Gerüchten und auf Hören-Sagen. Es ist wie mit Social Media, dort wird man vergöttert oder verdammt. Die Wahrheit ist irgendwo dazwischen.

Ich habe mal mit Dani von CRADLE OF FILTH ein Interview geführt und er sagte, er wäre schon eine politische Person, aber für seine Musik würde das nicht passen. Er wolle nicht darüber schreiben, denn durch seine Texte möchte er den Fans eine Möglichkeit geben aus der normalen Welt zu flüchten. Trifft das auch auf HAMMERFALL oder generell Heavy Metal zu?

In dem Metal, den ich mag, haben politische Texte nichts zu suchen. Keine meiner Lieblingsbands hatte politische Texte. Klar, hatten die Musiker politische Ansichten, aber sie haben sie nicht durch die Texte wiedergegeben. So sollten HAMMERFALL auch sein. Wir erzählen Geschichten, manchmal kurz und manchmal mit Lücken, die man für sich selber ausfüllen kann. Das Hauptthema, das sich bei uns wie ein roter Faden durchzieht, ist, an sich selbst zu glauben und das eigene Leben erfüllt zu leben. Niemand wird dir etwas schenken und das ist das politischste, das du von uns hören wirst. Vielleicht ist es auch nicht politisch, sondern spirituell. Mir fehlt da leider das englische Wort dafür.

Verändern sich gerade die Fans, die zu den Konzerten kommen? Bei den großen Konzerten hat man so den Eindruck, dass viele Fans gar nicht wegen der Musik da sind, sondern nur wegen des Erlebnisses des Konzertes an sich.

Da hast du auf jeden Fall recht und mir ist es auf den letzten Touren auch schon aufgefallen. Viele Leute kommen, um zu schauen was es mit HAMMERFALL auf sich hat und suchen nach Entertainment. Keine Ahnung, was der Grund dafür ist, aber eigentlich ist es mir auch egal solange du da bist und eine gute Zeit hast. Das ist alles, worum es uns für die Fans geht.

SERIOUS BLACK sind heute eure Vorgruppe und spielen im September dann im Club Zentral in Stuttgart, der mit 200 Leuten ausverkauft wäre. Heute werden sie aber bestimmt von mehr als diesen 200 Leuten gefeiert.

Wir müssen aber auch über die Preise der Eintrittskarten sprechen, die immer mehr steigen und es sich jetzt auch solche Systeme wie bei SLIPKNOT entwickeln, dass die Preise nach oben gehen, wenn es nur noch wenige Karten gibt. Das ist gerade ein Versuch, das aus den USA rüberzubekommen.

Sowas kommt meistens aus den USA, sie wissen dort wie man Geld verdienen kann. Aber davon habe ich noch nicht gehört. So sollte es nicht sein. Es ist eine Sachem, wenn man ein Event haben möchte und dafür Geld bezahlt. Die andere Seite ist es, wenn man sich durch die Konzerte ausgeraubt fühlt und hier reden wir nicht mal über die Preise auf dem Schwarzmarkt.

Auch sonst ändert sich im Metal gerade viel auf der geschäftlichen Seite: Amerikanische Investoren sind bei Nuclear Blast und beim Wacken Open Air eingestiegen.

Beim Sweden Rock Open Air auch.

Hat Heavy Metal noch eine Bedeutung oder geht es nur noch um Geld? Was bedeutet es für dich?

Ich kann da nur für mich antworten, aber Wacken, Nuclear Blast und Sweden Rock wurden ja von Leuten aufgebaut, die an ihre Idee geglaubt haben.

Und in den ersten Jahren ja auch ordentlich gelitten haben.

Aber so läuft es, man baut etwas auf und verkauft es, wenn es an der Zeit ist. Wie bei jeder anderen Firma auch. Für die Käufer geht es nur ums Geld, Live Nation kaufen nichts, wenn es nicht profitabel ist. Es wird interessant zu sehen wie sich Sweden Rock entwickeln wird. Wer ist denn in Wacken eingestiegen? Die wollen doch auch erstmal vorrangig Geld verdienen.

Eine amerikanische Firma, die schon Festivals hat und durch RFID Chips die Laufwege der Besucher untersucht wo man jetzt noch eine Bierbude platzieren kann, um die Abläufe zu optimieren.

Ich weiß nicht, was ich dazu sagen oder davon halten soll. Das ist ähnlich wie bei allen Themen rund um die sozialen Medien. Ich kann und will mich nicht mit all diesen Statistiken beschäftigen und es interessiert mich auch nicht, wann dieser Post in welchem Land eingeschlagen ist. Wen interessiert das? Es ist wie mit der Musik. Es ist toll wenn die Leute zu den Konzerten kommen, die Alben kaufen und mich darin unterstützen davon seit über 20 Jahren leben zu können. Unglaublich. Es ist einfach ein Traum, der wahr geworden ist. Aber im Kern ist das nicht der Grund, warum wir es machen und man kann das mit Heavy Metal nur bis zu einem gewissen Grad machen. Zu unseren Anfängen Mitte der Neunziger gab es niemanden, der dachte mit Metal reich und berühmt werden zu können. Und auch heutzutage gibt es so viele Unwägbarkeiten warum eine Band groß und bekannt wird. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und die richtigen Leute treffen und noch viele andere Sachen. Es wäre dumm damit anzufangen und zu denken man wird jetzt berühmt und reich. Man hört doch auch raus, wenn jemand nicht ehrlich mit der Musik ist, die er spielt und nur was darstellen möchte. Bei den Bands, die ich mag, hatte ich nie dieses Gefühl. Bei HAMMERFALL ist es auch so. Wir schreiben die Musik, die wir lieben. Und natürlich möchte ich das noch lange machen und möchte auch, dass die Fans uns mögen und unsere Alben kaufen und zu den Konzerte kommen. Die Essenz von HAMMERFALL ist aber immer noch ob es sich hier um eine guten Song oder nicht handelt. Und wenn es keiner ist, wird er auch nicht veröffentlicht.

Das ist doch auch ein gutes Schlusswort. Danke für das Interview.

Quelle: Interview mit Oscar Dronjak am 15.03.2020 in Ludwigsburg
24.02.2020
Exit mobile version