Schandmaul
"Das Folkfield-Festival und der 25. Bandgeburtstag ist unser nächster Zielpunkt"

Interview

Am Rande des Konzerts in der Hamburger Fabrik am 04.12.2022 hatten wir die Möglichkeit, mit SCHANDMAUL einen Blick auf die Live-Saison 2022, mit ihren Höhen und Tiefen, zu werfen. Birgit Muggenthaler-Schmack, welche bei SCHANDMAUL für Schalmeien, Rauschpfeife, diverse Flöten, Tin Whistle oder auch dem Dudelsack zuständig ist, stand uns Rede und Antwort.

Hallo Birgit, erstmal vielen Dank für Deine Zeit. Eröffnen möchte ich mit einem Zitat von Malte Hoyer (VERSENGOLD). Der sagte, dass Bands, welche unter fadenscheinigen Begründungen Touren abgesagt haben, für Bands, welche trotzdem unterwegs sind, kontraproduktiv waren. MANTAR haben mit ihrem klaren Statement bezüglich der Kartenverkäufe dafür gesorgt, dass Fans Verständnis für Absagen aufbringen. Was ist Deine Meinung zu dem Statement?

Das ist schwer zu sagen. Ich denke, dass es mehr als nur einen Grund für rückläufige Kartenvorverkäufe gibt. Es sind aktuell diverse Einflüsse auf die Gesellschaft. Die Themen kennt jeder, zum Beispiel die steigende Preise durch den Ukraine-Krieg. Dadurch haben Menschen weniger Geld zur Verfügung. Ein wesentlicher Aspekt ist ein momentanes Überangebot von Konzerten. Durch die Pandemie sind mehr als zwei Jahre Konzerte ausgefallen und jetzt sind alle Bands, welche können und wollen, unterwegs. Die wenigsten Menschen gehen auf fünf Konzerte im Monat.

Dazu kommt geschätzt circa fünf Prozent Menschen, welche sich bezüglich Covid-19 zurückhalten. Die möchten noch nicht mit Leuten in einem engen Raum stehen oder sitzen, die fühlen sich unwohl dabei und verzichten daher auf Veranstaltungen.

Lass und mit der Release-Party von „Knüppel Aus Dem Sack“ in Oberhausen anfangen. War der kleine Rahmen so vorgesehen?

Ja, der kleine Rahmen war so vorgesehen, der uns als eine Art Übung für das Feuertanz-Festival diente, wo wir zum Jubiläum die 20 Jahre alte Setlist spielen wollten. Einige Songs von der Setlist haben wir zum Teil auf der Release-Show gespielt. Da waren Nummern dabei, welche wir seit 20 Jahren nicht mehr gespielt haben. Zum Beispiel „Wahre Helden“, welche wir neu arrangiert haben. Den Track haben wir mit einem Tanzspiel kombiniert. Das machte Spaß und die Show in dem kleinen Rahmen entsprach voll und ganz unseren Vorstellungen.

Das Folkfield-Festival war das erste große Wiedersehen mit Genre-Kollegen

Ein Tag später war das Folkfield-Festival in Gelsenkirchen. Ausverkauft war es nicht, oder?

Nein, ausverkauft war es nicht. Das Folkfield-Festival sehen wir als Ausbauthema. Das Amphitheater in Gelsenkirchen hatte ich als sehr Beton-lastig in Erinnerung. Ich war positiv überrascht über die Atmosphäre auf dem Folkfield-Festival. Es war das erste große Wiedersehen mit Genre-Kollegen, so ein wenig wie ein Klassentreffen. Alle waren heiß auf Live-Shows, dadurch ist eine sehr schöne Atmosphäre entstanden. Wir haben das Thema Folkfield-Festival von vornherein auf mehrere Schultern verteilt, sodass das Risiko nicht nur eine Partei zu tragen hatte.

Dann kommen wir zu einem Highlight des Jahres 2022. Das Feuertanz-Festival mit den beiden Shows dürfte sicher dazuzählen. Wie lange musste die Band für die 20 Jahre alte Setlist üben?

Ich eigentlich fast gar nicht. Ich kann mir Melodien über Jahrzehnte merken. Wenn ich den Anfangston habe, dann ist die Melodie wieder da. Auch als Band war der Aufwand überschaubar. Saskia hat entsprechend früher angefangen. Mit kleinem Kind hat Saskia ein anderes Time Management. Sie kann über ihre Zeit nicht so verfügen. Saskia hat bereits sehr früh angefangen, die entsprechenden Songs einzuüben, um die ins Repertoire zu bekommen.

Ich kann mir jederzeit wieder vorstellen, so eine alte Setlist zu spielen. Ducky (Martin Duckstein, Gitarrist) und ich haben die alten Klamotten von damals ausgegraben, welche uns noch passen, worauf wir mächtig stolz sind. Wir waren am zweiten Tag der Opener auf dem Feuertanz-Festival. Der Platz war annähernd voll. Wir sind in der Regel besser, wenn wir keinen Druck haben etwas abliefern zu müssen. Das war mit der alten Setlist irgendwo der Fall. Von daher war es ein sehr witziges und entspanntes Konzert, welches bei den Menschen hervorragend angekommen ist.

Das größte Festival, wo Schandmaul im Sommer gespielt hat, war das Mera Luna. Circa eine Stunde Konzert und gut gefüllt. Wir waren Deine Eindrücke?

Auf der Hauptbühne waren viele akustisch intensive Acts, mit einer dichten und lauten Produktion. Wir hatten Glück, genau vor uns spielten VNV Nation mit dem Orchester. Es war ein Durchatmen vor der Hauptbühne und der Auftritt von VNV Nation kam super bei den Festivalbesuchern an.

Für uns war es danach leichter anschließend die Menschen wieder zu catchen und akustisch wieder einen draufzulegen. Wir haben Pyrotechnik eingesetzt, das ist das erste Mal in der fast 25jährigen Schandmaul-Historie. Wir haben bisher die Shows mit sehr aufwendigen Lichtshows aufgepeppt. Mit dem Feuer wollten wir aber nochmal einen draufsetzten. Feuer setzt eine andere Energie frei, dass packt einen anders an und strahlt etwas anderes aus als eine Lightshow.

Haben bestimmte Lokationen, wie zum Beispiel das Schloss Klaffenbach Open Air, einen Einfluss auf Euch als Band, oder ist eine Bühne gleich einer Bühne?

Wir kannten die Lokation Klaffenbach bereits. Dieses Jahr war die Bühne aber hinter dem Schloss aufgebaut. Das ist am Ende wie auf einem normalen Festival. Als wir das erste Mal dort waren, da war die Bühne im Innenhof. Wir sind irgendwo seit Jahrzehnten an derartige Lokationen gewöhnt. In der Anfangszeit haben wir häufig auf Burgen oder Schlössern gespielt. Ich finde, dass jedes Konzert von der Umgebung beeinflusst wird. Auch zum Beispiel heute hier in der Hamburger Fabrik. Das viele Holz strahlt Wärme aus und hat einen ganz anderen Charme als eine Industriehalle.

Die Vorverkäufe waren so lala. Das bedeutet eher schlecht.

Wie zufrieden war Schandmaul mit dem Ticketvorverkauf vor dem ersten Tourblock? Lag eine Absage evtl. in der Luft?

Die Frage, ob wir losfahren oder nicht, stand bei uns ebenfalls im Raum. Die Vorverkäufe waren so lala. Das bedeutet eher schlecht. Aber nicht zu Touren war für uns keine Option. Wir wollten nicht wieder verschieben und die Fans, die kommen, sollten eine gute Zeit haben.

Der erster Tour-Block Bielefeld, Berlin, Dresden, enge Klubs nach circa drei Jahren Pause. Spielte das Virus mit? Habt ihr Vorkehrungen getroffen, um möglichen Ansteckungen aus dem Weg zu gehen?

Was wir nicht mehr machen ist, dass die gesamte Band nach dem Konzert noch zum Merch kommt. Zum einen muss Thomas seine Stimme schonen, der bekommt nach dem Konzert kaum einen Ton heraus. Zum anderen hat sich die Verpflichtung und die Erwartungshaltung der Besucher entsprechend verändert. Es soll jeder von uns selbst entscheiden, ob er nach dem Konzert noch Lust und Kraft für den Merch-Stand hat. Spezielle Vorkehrungen haben wir ansonsten nicht getroffen. Wer Bock hat geht raus und quatscht noch ein wenig.

Dann der vierte Tour-Block mit dem Heimspiel, wie ist euer Fazit?

Das erste Mal in der Muffathalle. Da hatten wir vorher noch nie gespielt. Das war eine superschöne Sache. München ist für uns immer etwas Besonderes, da kommen die Familien, Freunde, aktuelle und ehemalige Geschäftspartner. Das ist einfach eine sehr schöne Sache und dadurch eine super Atmosphäre vor und neben der Bühne. Die Halle war voll, es passte einfach alles.

Die Schlussrunde mit Hannover, Erfurt und Hamburg. Waren mögliche Zusammenlegungen von Konzerten im Gespräch zum Beispiel Hamburg und Hannover?

Nein, solche Überlegungen standen nicht im Raum. Nach unseren Erfahrungen überschneidet sich das Publikum von Hamburg und Hannover nicht. Die beiden Shows sind nicht proppenvoll, aber die Lokationen sind angemessen gefüllt. Allen voran waren die Stimmung und die Atmosphäre sehr gut. Für mich persönlich hat sich das zum Teil angefühlt wie auf früheren Touren. Die Menschen waren ausgehungert nach Livemusik. Das Feedback haben wir von unseren Fans auch bekommen. Für manche Menschen haben die Liveshows eine große Bedeutung. Mir geben solche Informationen einen entsprechenden Rückenwind.

Gestern in Erfurt hatten wir circa 10 cm Schnee und die Lokation war sehr ausgekühlt. Auf dem Boden hättest Du fast Schlittschuh laufen können. Die Halle war trotzdem gut besucht und die Stimmung war trotz der dicken Winterjacke ausgelassen.

Wir merken, dass es den Menschen viel bedeutet, uns auf der Bühne zu sehen

Wie ist Dein Fazit zu Eurer Club-Tour. Hat es sich finanziell gelohnt? Kommt Schandmaul unbeschadet aus der Tour? Wie wichtig war es für Euch als Band gemeinsam zu touren?

Unbeschadet ja, nichts desto trotz fahren Bands eine Tour, um das Einkommen für die kommenden Monate zu sichern. Das hat dieses Mal nicht funktioniert. Mir persönlich hat die Tour trotzdem sehr viel gegeben. Wir merken, dass es den Menschen viel bedeutet, uns auf der Bühne zu sehen. Wir bekommen Feedback zu einzelnen Songs, welcher Menschen in speziellen Situationen weitergeholfen hat. Das nehme ich mit aus der Tour.

Das Touren ist bei uns wie immer. Du steigst in den Nightliner ein und es ist wie früher vor der Pandemie. Es ist wie beim Fahrradfahren. Du kannst 10 Jahre kein Fahrrad fahren, dann steigst Du auf das Rad und kannst es trotzdem fahren.

Ein Konzert in Dortmund noch und dann Weihnachten und Pause. Segen oder hat die Tour Lust auf mehr gemacht?

Ich hätte nichts dagegen, von mir aus könnte es weitergehen. Ich bin gerne auf Tour, es müsste jetzt nicht im Wochenrhythmus sein, dann wird das Leben zu Hause stressig. Aber alle zwei Wochen könnte ich das schon machen. Ich bin einfach gerne auf Tournee.

Für Saskia ist das ein völlig anderes Thema. Sie hat ihren kleinen Sohn dabei inklusive Mann und für sie ist das sehr anstrengend. Ich kenne das von früher selbst als mein erstes Kind mit auf Tour war. Du bekommst nicht genügend Schlaf. Du bist viel zu früh wach, so um 7 Uhr, bist aber erst um 3 Uhr ins Bett gekommen. Das ist hart, Saskia und ihr Mann ziehen das aber tapfer durch, mit sehr viel Ruhe und Geduld.

Dann ein Ausblick auf 2023. 25 Jahre Schandmaul, zwei Tage Folkfield-Festival. Was darf der Fan erwarten?

Das Folkfield-Festival 2023 ist unser nächster großer Zielpunkt. Wir erhoffen uns viele Menschen vor der Bühne, wir wünschen uns irgendwo auch eine Party für uns mit bunt gemischten Setlisten, ganz alten Tracks, aber auch neuen Songs. Wir gehen davon aus, dass wir bis zum Sommer auch wieder brandneue Nummern geschrieben haben. Eventuell können wir dort bereits den ein oder anderen neuen Song präsentieren. Es wird das ein oder andere Special bei der Show geben, es soll eine hochwertige Show werden mit Lichteffekten und Pyrotechnik. Bestimmt wird es auch ein Meet & Greet geben, wo die Besucherschaft mit den Bands in Kontakt kommen können.

Zwei Tage Festival, das heißt auch zwei unterschiedliche SCHANDMAUL-Shows. Eine gewisse Schnittmenge wird es geben bezüglich der Must-Play-Tracks, aber wir wollen möglichst viele unterschiedliche Lieder spielen.

Liebe Birgit, vielen Dank für Deine Zeit. Das Schlusswort liegt bei Dir.

Ich wünsche allen musikbegeisterten Menschen ein schönes Restjahr 2022 und einen guten Start ins Jahr 2023. Geht weiter zu Konzerten und unterstützt eure Bands. Wir hoffen, dass die Szene, so wie wir sie kennen, weiter Bestand hat und wir alle eine gute Zeit haben können.

Quelle: Interview am 04.12. in der Fabrik, Hamburg
12.01.2023

Ein Leben ohne Musik ist möglich, jedoch sinnlos

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