Matt Heafy
Controller-Talk mit dem TRIVIUM-Frontmann

Interview

Matt Heafy von TRIVIUM und KIICHICHAOS ist nicht nur Vollblutmusiker – er ist auch leidenschaftlicher Gamer. Er leitet seit Jahren erfolgreich seinen Twitch-Kanal „matthewkheafy“, auf dem er neben Gitarrentutorials und Musiksessions auch Videospiele streamt. So ist Heafy unter anderem großer Fan des Massively Multiplayer Online (MMO) Games „Remnant 2“ aus dem Hause Gearbox Publishing. Das Spiel hat kürzlich eine erste Erweiterung (DLC) mit dem Titel „The Awakened King“ erhalten. In Zusammenarbeit mit Gearbox Publishing durfte Matt Heafy zwei Songs für die Erweiterung schreiben. Der erste Song „Wielder Of The Plague“ ist kürzlich erschienen – der zweite Song soll demnächst folgen. Im Rahmen der Veröffentlichung konnten wir uns mit Matt zusammensetzen und ein bisschen über seine Leidenschaft zum Gaming und zur Musik sprechen.

Matt, Du hast vor kurzem den Song „Wielder Of The Plague“ für den ersten DLC zu „Remnant 2“ veröffentlicht. Kannst Du uns sagen, wie diese Kollaboration zustande kam?

Durch eine gemeinsame Freundin habe ich Lucy von Gearbox kennengelernt. Wir haben darüber diskutiert, hoffentlich mal zusammen Musik zu machen. Damals war sie noch in mehreren Gaming-Firmen tätig. Als sie bei Gearbox anfing, hat sie angeboten, dass wir für „Remnant 2“ zusammenarbeiten könnten. Das Spiel sieht so “metal” aus, ich spürte förmlich, wie es klingt. Es hat einen tollen Sound, der Komponist hat ganze Arbeit geleistet. Aber wie weit kann das noch gehen? Wo kann es mit Boss-Kämpfen hingehen? Ich wusste ganz genau, wie das klingen sollte. Der Grund, warum ich das weiß: Seit ich fünf Jahre alt bin, sind Videospiele ein großer Teil meines Lebens. Ich habe mich damals in „Final Fantasy II und III“ verliebt, mochte aber auch „Chrono Trigger“, „Super Mario RPG“ und von da aus dann Sachen wie „Golden Eye“, „Call Of Duty: Modern Warfare 1 und 2“, „Final Fantasy VII“ – all diese Dinge, die immer weiter voranschritten. Mein ganzes Leben lang habe ich Videospiele mit toller Musik und tollen Scores geliebt – und wenn ich darüber nachdenke, hat keines der Spiele, die ich zocke, einen schlechten Soundtrack. Die Musik muss zu allem passen auch bei Filmen und Serien, die ich gucke. Wenn ein Soundtrack nicht passt, mag ich ihn nicht.

Und das erinnert mich an die Doku-Serie zu David Beckham [Anm. d. Red.: Matt meint die Dokumentation „Beckham“ auf Netflix]. Der Soundtrack zu dieser Serie hat mich sofort gefesselt. Ich habe die Musik im Hintergrund gehört. Ich interessiere mich nicht für Fußball und kenne auch David Beckham nicht. Ich weiß, wer Posh Spice ist [Anm. d. Red.: Posh Spice ist Beckhams Frau Victoria]. Aber ich habe mich in die Serie verliebt. Die Dokumentation war großartig. Aber vor allem war die Musik fantastisch. Die Serie „Succession“ hat mich in ihren Bann gezogen. Da gibt es diese aufregende [musikalische] Thema, das in immer wieder veränderter Form über die gesamte Serie hinweg genutzt wurde. Ich halte es für notwendig, dass die Musik auch dazu passt.

Als Lucy Gearbox und „Remnant 2“ an mich heranbrachte und sagte, dass ich alles machen könnte, was mich stilistisch inspiriert, hatte ich schon erste Ideen im Kopf. An dem ersten Song – aktuell noch unveröffentlicht – habe ich 40 Stunden gesessen. Die Gitarrenparts waren einfach, aber es ging darum, die richtigen Symphonien und Chöre, orchestralen und Industrial-Sounds zu finden und das alles zusammenzuwerfen.

Remnant II

Nachdem ich die Übung vom ersten Track hatte, war „Wielder Of The Plague“ so viel einfacher. Ich glaube ich habe den Song in drei bis vier Sitzungen an meinem Computer geschrieben, während ich auf Tour war. Ich denke, ich war in Baton Rouge, Louisiana, in der Umkleide eines Basketballteams – es hat furchtbar gestunken – aber ich habe dort gesessen, mir die Visuals von „Remnant 2“ angesehen und den Track geschrieben. Die beiden Songs wurden von Josh Wilbur, der auch schon viel für TRIVIUM gemacht hat, gemischt. Seitdem habe ich viel übers Mixing gelernt.

Ehrlich gesagt hat mir einer meiner Twitch-Follower während eines Streams viel beigebracht. Es war ein wirklich cooler Prozess, diese verschiedenen Stile zusammenzubiegen und unterschiedliche Sachen auszuprobieren. Ich mag diese Herangehensweise von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, heißt: orchestrale Musik für die Vergangenheit, Metal-Musik für die Gegenwart und für die Zukunft elektronische und Industrial-Sounds. Ich mag es, diese drei Dinge zu verschmelzen und zu sehen, wohin man damit gehen kann.

Und noch eine Sache: Mit 10/11 Jahren habe ich das erste „Doom“ gespielt. Ich habe mir damals gesagt, dass es die Musik ist, die ich machen möchte. Ich weiß nicht genau, wie ich sie definieren soll, aber für Spiele dieser Art muss ich genau solche Musik machen.

Werden die Songs direkt in das Spiel eingebaut oder zusätzlich veröffentlicht?

Ich glaube und hoffe, dass sie noch per Patch in den DLC kommen. Also, Daumen drücken.

Auf Deinem Twitch-Account streamst Du Dich meist selbst als Musiker, der Gitarre spielt, sich neue musikalische Ideen einfallen lässt usw. Hast Du schon einmal darüber nachgedacht, auch lange Gaming-Sessions zu machen, wie es andere Streamer tun?

Ja, am Anfang. Ich habe vor fast 7 Jahren mit dem Streamen angefangen und Spiele auf der Playstation 4 vor vier Leuten gespielt. Zunächst habe ich Spiele wie „Call Of Duty“ gespielt. Weiter ging es mit Sachen wie „Fortnite“ oder „Overwatch“. Danach habe ich die Musik mit eingearbeitet und damit wurde auch der Channel größer. Gestern hatte ich zum Beispiel die Möglichkeit, den DLC „The Awakened King“ zu „Remnant 2“ mit den Jungs von „Two Angry Gamer TV“ zu zocken. Das war großartig. Die Grafik sieht wahnsinnig gut aus, die Musik ist fantastisch, das Spiel fühlt sich super an. Wenn wir auf Tour sind und die Möglichkeit haben, unsere Gaming-Rigs mitzunehmen, spielen wir eine Menge Videogames, normalerweise „Call Of Duty“. Alcatraz ist meine Lieblingsinsel und der Rebirth-Mode ist mein Favorit.

Wenn ich aber zuhause bin, bleib ich vor allem bei der Musik. Ich versuche mich immer für die nächste Tour in Form zu halten. Die findet erst in genau einem Jahr statt. Derzeit arbeite ich an dem nächsten „Deathgasm“„-Film und Jason [Howden, Regisseur des ersten Teils] ist fein damit, dass ich die Musik dazu via Stream kreiere. Ich mache die Musik also live per Stream und die Leute können mit mir abhängen. Und ich habe noch ein paar geheime Projekte … Es gibt also viele Sachen auf meiner Liste, die ich abarbeiten muss, so dass ich gar keine Zeit zum Zocken habe. Dafür hatte ich viel Zeit, um Musik für Spiele zu machen.

Und welches Spiel würdest Du aktuell intensiv spielen – solltest Du die Zeit haben?

Ehrlich gesagt … „Rebirth Island“ kommt wieder zu „Call Of Duty“ zurück. Wenn das der Fall ist, werde ich wieder eine Menge zocken. Als der Modus das erste Mal rauskam, war das meiner Meinung nach einer der coolsten Modes für einen First-Person-Shooter überhaupt. Er war weg, aber jetzt bringen sie ihn wieder zurück, also werde ich mich da reinhängen. Vor einer Weile habe ich es geliebt, „Fortnite“ zu zocken. Ich habe eine Menge zusammen mit „dakotaz“ gespielt. Er ist ein großer Twitch-Streamer, unglaublicher „Fortnite“-Spieler, hat sich mit Ninja und Dr. Lupo gemessen – Twitch-Rivalen-Ding, wo Ninja mich tatsächlich in einem Wettkampf getötet hat. Das war cool. Ich hätte gedacht, du fragst mich, für welches Spiel ich laut Zuschauern einen Soundtrack machen soll – das wäre definitiv „Doom“. Die Macher von „Doom“ haben meine Nummer – ich hoffe, sie rufen mich irgendwann mal an.

Zu der Frage wollte ich noch kommen.

„Doom“, „Final Fantasy“ – das wären so Sachen und wer weiß, vielleicht „Remnant 3“. Das wäre toll.

„Final Fantasy“ hat ja größtenteils einen symphonischen Soundtrack. Würdest du Dir so etwas auch zutrauen?

Definitiv, ja! Ich lerne gerade eine Menge darüber, wie man symphonische Elemente erschafft. Vor allem, weil „Deathgasm 2“ solche Elemente benötigt. Ich bin ein großer Fan von Danny Elfman und Hans Zimmer. Ich versuche daher, das bestmöglich mit einfließen zu lassen – während ich natürlich auch meinen eigenen Style finde. Ich will keine direkte Kopie sein. Aber ich habe so viel von dem gelernt, was die beiden können. Ich habe schon mein ganzes Leben lang klassische Musik gehört, aber ich habe nie die Theorie dahinter verstanden. Aber darin liegt ja der Spaß. Genauso mit Metal. Ich kann Dir nicht sagen, welche Noten ich da genau spiele oder was für ein Schlüssel das ist. Aber ich weiß, wie es klingen muss. Das wäre also großartig.

Das andere große Ding, das „Final Fantasy“ ausmacht, ist, die Metal-Musik bei den Kampfszenen. Das geht bis zu „Final Fantasy IV“ zurück. [Matt summt an dieser Stelle die Kampfmusik aus „Final Fantasy IV“]. Das ist sehr Metal! Aber wenn man an „Final Fantasy VII“ denkt [Matt summt jetzt die Kampfmusik aus „Final Fantasy VII“], klingt das sogar sehr nach RAINBOW mit der Hammondorgel im Hintergrund. Das klang total nach Metal. Ich habe das gehört, bevor ich sowas wie DIO, RAINBOW, IRON MAIDEN kannte und ich dachte, daher kommt das also. All das verkörpert Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft – Symphonie, Metal und elektronische Elemente. Das ist so eine Grundessenz der Videospiele, die ich früher geliebt habe. Das sind die Dinge, in die ich mich einarbeiten möchte.

In welchem Maße hat Dich das Spielen beim Schreiben deiner Songs – vor allem für TRIVIUM – beeinflusst?

The Calamity“ bezieht sich zum Beispiel auf „Jenova“ von „Final Fantasy VII“. Wir haben einen Song namens „Strife“, der eine unterschwellige Anspielung auf „Cloud Strife“ von „Final Fantasy VII“ ist, aber nicht explizit von ihm handelt. Ich mag es, mich von verschiedenen Sachen aus klassischer Literatur – griechischer Mythologie, japanischen Geschichten – inspirieren zu lassen. „Into The Mouth Of Hell“ haben wir an die Graphic Novel „300“ angelehnt. Es gab immer Dinge, die mich inspiriert haben. TV-Serien, Filme, Videospiele …

Ich wurde massiv von Hiroyuki Sawano, der den Soundtrack zu „Attack On Titan“ gemacht hat, beeinflusst. Anime-Musik hatte auch eine riesige Wirkung auf mich – dort findet man ja ebenfalls diesen Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft-Moment. Du kannst niemals zu viel hören, Du kannst niemals zu viel lernen und Du kannst nie zu viel üben – also Songs für solche Projekte zu schreiben. Ob nun für TRIVIUM oder INARAKI – ich kann nie vorab sagen, für was ich schreibe.  Das scheitert dann meistens. Jedoch bei Videospielen, wenn ich weiß, wie es aussieht, kann ich hören, wie es zu klingen hat und es sofort umsetzen. Das ist diese wechselseitige Beziehung der Kreativität. Der visuelle Künstler übergibt mir etwas, sodass ich etwas daraus erschaffen und den Ball wieder zurückgeben kann.

Wie hoch stehen die Chancen, dass ein Song von Dir – vor allem von TRIVIUM – in dem Soundtrack des kommenden „Grand Theft Auto VI“ erscheinen wird?

Das müssen die [Anm. d. Red.: Rockstar Games] entscheiden. Für TRIVIUM sehe ich da wenig Chancen. Sie haben ja die Freiheit, buchstäbliche jede Band zu nehmen. Aber sollten sie uns haben wollen: Ja, unbedingt. Wenn Ihr Originalmusik wollt, ruft mich an, ich mache Euch einen guten Score.

Die Gerüchteküche sagt, dass „Grand Theft Auto VI“ ja wieder in Vice City spielen, was im Grunde genommen Florida und damit TRIVIUMS Heimat ist.

Oh wirklich? Wow. Dann sollten sie uns absolut berücksichtigen. Sie sollten auch OBITUARY oder CANNIBAL CORPSE in Betracht ziehen. Das wäre großartig.

Wie stark ist der Einfluss von Metal-Musik auf die Gaming-Industrie Deiner Einschätzung nach?

Ich glaube, beide sind massiv miteinander verbunden. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich eine Gesellschaft mit Gaming und eine mit Metal gefunden habe, Gaming in dem Genre, das mich interessiert. Das wären RPGs mit mittelalterlichen Elementen, First-Person-Shooter oder Sci-Fi-Zeug. Diese Welt und Metal sind sich sehr ähnlich. Die gleichen Leute, die die gleichen Geschichten mögen. So etwas wie „Der Herr der Ringe“, das zum Beispiel den Bandnamen von AMON AMARTH beeinflusst hat, aber auch die Optik von „The Elder Scrolls“ bestimmte. Da ist eine starke Metal-Komponente.

Als ich in die Gaming-Welt vor sechs/sieben Jahren durch das Twitch-Streaming eintauchte, habe ich einige professionelle Gamer getroffen und mit ihnen zusammen gespielt. Sie wussten aber nicht wirklich, was Metal ist. Sie dachten, es wäre nur Rumgeschreie. Na gut, ich schreie ausnahmslos in dem Song. Aber sie dachten, es wäre eine einseitige Sache. Als ich das erste Mal „dakotaz“ getroffen habe, meinte er, er hätte vorher nie wirklich Metal-Musik gehört, er verstehe sie aber durch TRIVIUM. Und das ist im Grunde meine Mission: die Musik einfließen zu lassen, die meiner Meinung nach mit dazugehört. Natürlich kann „Remnant 2“ nicht immerzu Metal ballern lassen. Es braucht auch ruhige Momente, es braucht die symphonischen Elemente, es braucht die gewisse Spannung, die nur klassische Musik erzeugen kann. Es ist aber auch wichtig, die Elemente einzubringen, die ich dafür gerne haben möchte.

Meinst Du, dass Games mehr mit Elementen von Metal hantieren sollten, so wie z.B. bei „Brütal Legend“?

100 Prozent. Vor allem bei Spielen wie „Call Of Duty“. Ich meine, „Fortnite“ macht es mit dem Pop-Kram richtig, aber sie sollten auch etwas Metal hinzufügen. Ich denke, das ist wichtig. „Doom“ natürlich – wenn „Doom“ nicht Metal wäre, würde es keinen Sinn machen. Es war schon so von Anfang an. „E1M1“ ist im Grunde genommen „Master Of Puppets“ und ich glaube, das ist wirklich eine coole Sache.

Würdest Du jemals einen Charakter in einem Videospiel übernehmen und für welches kommende Spiel?

Sehr gerne! Jeder, der mich dafür haben will – Ich mache es. Ein „Final Fantasy“-Charakter, der auf mir basiert oder ein Skin bei „Call Of Duty“, Synchronsprecher – ich bin für alles offen. Vor allem jetzt, wo wir für 12 bis 15 Monate nicht auf Tour sind, wäre genau die Zeit, dort einzutauchen und eine großartige Zeit damit zu haben.

Interessierst du Dich mehr für Online-Games oder für Story-beladene Spiele?

Im Moment bevorzuge ich es, gegen andere Leute anzutreten – wie bei PvP-Sachen. Ich mag es wirklich gegen andere Leute in First-Person-Shootern zu kämpfen. Deswegen liebe ich „Rebirth Island“, da es schneller ist als ein langer Battle Royal. Mein ideales Spiel in diesem Moment ist einzig und allein „Call Of Duty: Rebirth Island“.

Das wäre es dann auch von meiner Seite. Danke Matt Heafy für Deine Zeit!

Großartig. [Auf Deutsch:] Dankeschön!

Quelle: Interview mit Matt Heafy
22.12.2023
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