Metallica
Raus aus der Komfortzone

Interview

1999 wagten METALLICA ein Experiment. Unter dem Motto „S&M“, also „Symphony and Metallica“, präsentierten sie zahlreiche Hits ihrer Karriere in neuem Gewand, unterstützt durch das San Francisco Symphony Orchestra und Komponist Michael Kamen. Die Konzerte waren ein voller Erfolg und das daraus entstandene Live-Album verkaufte sich nicht nur millionenfach, sondern bescherte der Band auch einen Grammy-Award. 20 Jahre später ließen die Musiker das Konzept als „S&M2“ in Form von zwei Konzerten noch einmal aufleben. Selbstverständlich kommt auch davon ein Mitschnitt in die Läden. Wir klingelten bei Bassist Rob Trujillo durch, der gut gelaunt von der Entstehung dieses Events berichtete.

Hey Rob, 2019 habt ihr zwei Shows gespielt, um das 20. Jubiläum von „S&M“ zu feiern. Wie ist die Idee dazu entstanden? Warum habt ihr die Shows jetzt gespielt und nicht schon beim 15. oder 10. Jubiläum?

Rob: Es war ganz einfach so, dass sich vergangenes Jahr alles perfekt zusammenfügte. In San Francisco gibt es einen neuen Veranstaltungsort, das Chase Center. In erster Linie ist es die Arena für das dortige Basketballteam, die Golden State Warriors. Die Eröffnung war etwas sehr Besonderes und es kam die Idee auf, dass METALLICA die Arena eröffnen sollten. Das passierte Ende unseres Tour-Zyklus. Wir waren für „Hardwired“ knapp anderthalb Jahre unterwegs. Vom Timing her hat das gut gepasst. Es war also nicht so, dass ein oder zwei Jahre im Voraus jemand kam und sagte „Bald ist das Jubiläum von ‚S&M‘, lass uns da mal was machen.“ Es passierte einfach.

Zuerst habt ihr nur eine Show angekündigt, dann eine Zusatzshow. Habt ihr darüber gesprochen, noch mehr Konzerte zu spielen oder sollte es dieses exklusive Event bleiben?

Rob: Es sollte tatsächlich ein exklusives Event sein. Die erste Show war nicht nur für METALLICA-Fans, sondern die San Francisco Symphony stand im Fokus. Die zweite war dann mehr für die METALLICA-Fans, mit einem METALLICA-Publikum. Wir wollten eine zweite Show, um sie für unsere Fans zu geben. Es ist zwar eine große Arena, aber viele Fans hätten die erste Show nicht sehen können und wir wollten ihnen eine weitere Möglichkeit bieten. Beide Shows waren toll, aber man merkt bei den Aufnahmen, dass das Publikum am zweiten Abend noch ein wenig verrückter war. Letztendlich ist es aber auch deshalb bei zwei Shows geblieben, weil wir immer noch mit „Hardwired“ auf Tour waren. Es standen noch rund 20 Konzerte dafür an, die inzwischen wegen Corona abgesagt wurden. Wir hatten also gar keine Zeit für noch mehr „S&M2“-Shows. Der Plan war schon voll.

METALLICA machen keine halben Sachen

Ist das, was wir jetzt auf dem Album bekommen, eine Kombination aus beiden Konzerten?

Rob: Ja, man braucht bei sowas zwei Shows, denn wenn bei der ersten etwas schief gelaufen ist, hat man noch einen zweiten Versuch. So kann man einfach entspannter arbeiten, wenn es hinterher noch ein Live-Album geben soll. Wir haben dann immer die besten Versionen herausgesucht.

Wie war es denn für dich, mit einem Orchester zu spielen? Auch im Vergleich zu einer regulären METALLICA-Show.

Rob: Es war fantastisch. Ich hatte seit der High School nicht mehr mit einem Orchester gespielt. Damals war ich ungefähr 16. In den vergangenen Jahren waren wir viel in Europa und spielten in Stadien vor vielen Leuten und hatten eine großartige Zeit. Kirk [Hammett] und ich haben jeden Abend Songs eines lokalen Künstlers der jeweiligen Stadt gecovert. Vor tausenden Leuten Texte zu singen, die oft nicht in meiner Muttersprache waren, hat mich nervöser gemacht als die Orchester-Shows. „S&M2“ war richtig cool. Es war spannend, etwas zu machen, was ich mit METALLICA noch nicht gemacht hatte. Man konnte richtig spüren, dass alle einfach Spaß hatten. Zwischen den Songs konnte man alle Leute lachen sehen, das war großartig.

Das erste „S&M“-Album und die dazugehörigen Shows waren ein großer kommerzieller Erfolg und bekamen eine Grammy-Auszeichnung. Hat euch das bei der Arbeit an Teil zwei unter Druck gesetzt?

Rob: Nein, denn das erste Mal war sehr kompliziert, weil es für die Band der erste Schritt war. Vor 20 Jahren waren viele Dinge noch anders, unter anderem die Technik. Vieles entstand durch Versuch und Irrtum. Ich war noch nicht dabei, aber die anderen erzählten mir, dass es für sie einfach unbekanntes Terrain war. Heute ist die Technik anders, die Art zu produzieren ebenfalls. Außerdem war es diesmal noch mehr eine Zusammenarbeit mit dem Orchester. Es ging nicht nur um METALLICA, sondern auch darum, das San Francisco Symphony Orchestra zu feiern. Es gab ein stärkeres Gefühl der Zusammenarbeit. „Scythian Suite“ hat das Orchester allein gespielt und wir unterstützen sie bei „The Iron Froundry“. Außerdem hat die Band aus dem ersten Mal etwas gelernt. Vergiss die Grammys und all das. Das ist natürlich schön, aber wir haben das einfach als Herausforderung gesehen, das zu nehmen, was wir vom ersten Mal gelernt haben und eine neue Erfahrung zu erschaffen. Es ging darum, etwas zu lernen und zu wachsen, etwas Neues zu machen, obwohl es im Prinzip das Gleiche war.

Wie jede METALLICA-Show beginnt „S&M2“ mit „The Ecstasy Of Gold“ von Ennio Morricone, der kürzlich verstorben ist. Wie fühlt es sich jetzt für dich an, den Song zu hören?

Rob: An dem Tag gab ich ein Interview und ein Journalist erzählte mir, dass Ennio Morricone gestorben war. So habe ich davon erfahren. Für mich repräsentiert „Ecstasy Of Gold“ den Beginn einer Reise, eines wilden Ritts. Als ich 1993 noch bei SUICIDAL TENDENCIES spielte, supporteten wir METALLICA in Europa. Ich erinnere mich noch genau daran, wie es sich jedes Mal anfühlte, wenn der Song am Konzertabend lief. Abgesehen davon repräsentiert Morricone für mich den Outlaw. Dabei ist es egal ob dieser Outlaw METALLICA, Clint Eastwood oder zuletzt Quentin Tarantino war. Morricone steht für Outlaw-Künstler. Seine Musik ist einzigartig. Er brachte Ecken und Kanten in den Sound der klassischen Musik und die Welt der Filmmusik. Für uns wird „Ecstasy Of Gold“ immer für den Beginn einer Reise stehen. Und das macht es sehr Besonders.

Die Setlist von „S&M2“ beinhaltet einige Stücke des ersten Teils, aber natürlich auch neue Songs aus den vergangenen 20 Jahren, wie zum Beispiel „Confusion“, „The Day That Never Comes“ oder „Moth Into Flame“. Wie habt ihr die Setlist zusammengestellt?

Rob: Das beginnt immer bei Lars. Sein Gehirn fängt bei jeder unserer Shows an zu arbeiten und er legt uns dar, welche Setlist in seinen Augen am besten funktioniert. Dann äußert James seine Meinung und Gedanken dazu und dann natürlich noch der Rest der Band. Es durchläuft immer einen Prozess. Wir wollten eine gute Balance zwischen neuen Kompositionen und den Songs, die Michael Kamen für „S&M“ arrangiert hatte. Wenn ich so darüber nachdenke, passt klassische Musik einfach sehr gut zu den Songs von METALLICA . Die Kompositionen haben sehr viele Texturen und eine große dynamische Bandbreite. Deshalb ist auch Raum für ein mögliches „S&M3“ eines Tages. Es gibt immer noch viele Songs, auf die ein klassisches Gewand passen würde, „Orion“ oder „Suicide & Redemption“ zum Beispiel. Es gibt so viele Möglichkeiten. Ich war sehr froh, dass wir diesmal „The Day That Never Comes“ und „Confusion“ mit aufgenommen haben. Es sind sehr kraftvolle Songs. „The Day That Never Comes“ hat sehr viel Potential bezüglich der Arrangements. Und wie gesagt, es war eine enge Zusammenarbeit. Wir haben „The Iron Foundry“ gespielt und das Orchester unterstützt. Es holte uns aus unserer Komfortzone und war eine Herausforderung. Bei „The Unforgiven III“ war James allein da draußen und ich weiß, dass ihn das sehr nervös gemacht hat. Wenn man so lange dabei ist wie wir, ist es immer schön, neue Herausforderungen zu haben.

Und wie war die Arbeit mit dem Dirigenten Michael Tilson Thomas?

Rob: Es war großartig. Wir nennen ihn übrigens immer nur MTT. Was mich an ihm beeindruckt, ist seine Vita und mit wem er alles schon zusammengearbeitet hat. Ich hatte eine Platte vom MAHAVISHNU ORCHESTRA, an der er mitarbeitet hatte und die er für mich signiert hat. In dem Orchester waren eine Menge toller Musiker, zu denen ich als Jugendlicher aufgeschaut habe. Michael hat mit so vielen unglaublichen Leuten gearbeitet, die mich beeinflusst haben. Er ist sehr enthusiastisch, gut drauf und es war ein großer Spaß mit ihm zu arbeiten. Es war ganz witzig, als wir nach einer Show in Mannheim zurück in die Staaten flogen, habe ich mir ein einstündiges Interview mit ihm angeschaut und das hat mir vor der Arbeit mit ihm einen guten Eindruck von ihm gemacht. Danach hatte ich das Gefühl, dass wir einfach für eine Zusammenarbeit bestimmt waren. Und anschließend starteten die Proben.

Zum Abschluss möchte ich kurz auf die Zukunft von METALLICA zu sprechen kommen. Lars Ulrich deutete jüngst in einem Interview an, dass die durch Corona bedingten Konzertabsagen dazu führen könnten, dass uns eher früher als später ein neues Album erwartet. Kannst du dazu schon etwas sagen?

Rob: Ja, wir haben seit dem Beginn der Pandemie unseren Fokus auf neue Ideen gerichtet. Wir sichten gerade, was wir auf Tour aufgenommen haben und was es an brandneuen Ideen von allen Bandmitgliedern gibt. Zu Hause haben wir alle unser Equipment eingerichtet, damit wir auf diese Art zusammenarbeiten und Songs schreiben können. Der kreative Prozess und das Aufnehmen dauern bei METALLICA immer eine ganze Weile. Wir arbeiten gerade daran, eine Möglichkeit zu finden, uns zu treffen und gemeinsam in einem Raum an Songs zu arbeiten. Es stimmt also, was Lars sagt. Wir arbeiten an einem neuen Album. Und es ist sehr toll, dass in der Band aktuell eine enge Zusammenarbeit vorherrscht. Es wirkt fast so als hätte uns die Pandemie auf eine gewisse Art wieder näher zusammengebracht.

06.08.2020

"Irgendeiner wartet immer."

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