The Devil Wears Prada
"Erzähl' mir doch nicht, dass ich keine Metal-Songs schreiben kann!"

Interview

Seit 20 Jahren sind THE DEVIL WEARS PRADA nun ein Teil der immer noch recht aktiven Metalcore-Szene und haben sich über die Jahre zu einem der wesentlichen Anker musikalischer Qualität gemausert. Zum inzwischen neunten Album „Flowers“ und weshalb ein Teil der Fanbase wohl wieder nach Ausverkauf schreien wird, befragte metal.de Sänger und Gitarrist Jeremy DePoyster, der sich gerade auf deren Gig in Berlin vorbereitete.

Hey Jeremy, wo erwische ich Dich an diesem Dienstagmittag?

Ich bin gerade in Berlin, einige Stunden vor unserem Auftritt heute Abend.

Ich glaube ihr seid gerade zur Hälfte durch die Tour hinweg. Was hast du bisher für Erfahrungen mitnehmen können?

Ja, wir haben noch etwa zwei Wochen und es ist einfach wunderbar. Die Jungs von ICE NINE KILLS sind großartig, CREEPER auch. Die Fans sind unheimlich euphorisch, was unsere neuen Songs angeht – das ist toll.

Dann sind wir ja schon auf dem richtigen Weg, denn über „Flowers“ wollen wir heute etwas sprechen. Ich mochte „Color Decay“ mit seinem harten Ansatz sehr gerne, ihr habt nun wieder einen Schritt mehr Richtung Melancholie und Feinfühligkeit gemacht.

Gewissermaßen ist das schon richtig. Ich finde auf „Color Decay“ sind etwa mit „Trapped“ oder „Cancer“ ein paar Songs drauf, die noch melancholischer sind als die Stücke auf „Flowers“. Für mich hatte die letzte Platte etwas mehr Arthouse-Charakter, wo wir Dinge einfach gemacht haben, während das neue Album deutlich fokussierter ist. Es ist natürlich nicht mehr dieser geradlinige Metalcore, sondern es steckt mehr Energie hinter der Musik, die zu einem anderen Ergebnis führt.

Würdest du sagen, dass „Flowers“ eher in den Mainstream-Charts stattfinden kann?

Ja, das ist ein Nebenprodukt des Ganzen, allerdings denken wir nicht über solche Dinge nach, wenn wir Musik schreiben. Es ist nicht so, dass wenn ich einen Nummer-Eins-Hit schreiben sollte, es dann auch einfach Morgen machen würde. In der Vergangenheit haben wir es häufig als unsere Aufgabe gesehen, gute Refrains in riffy Songs einzubauen, was aber nicht immer Sinn ergeben hat. Diesmal haben wir zuerst einen eingängigen Chorus entwickelt und dann den Song drumherum gebaut. Dadurch wird die Musik schon etwas leichter verdaulich, aber das war nicht unbedingt unser Ziel.

„Erzähl‘ mir doch nicht, dass ich keine Metal-Songs schreiben kann!“

Könntest du nachvollziehen, wenn ein paar Leute aus der Fanbase nun raus sind, weil Ihnen das Material zu soft erscheint?

Ja schon, aber die Leute sagen das nun schon seit 20 Jahren. Wir haben das seit der „Zombie“-EP unzählige Male gehört. Ich sage diesen Menschen immer wieder: Erzähl‘ mir doch nicht, dass ich keine Metal-Songs schreiben kann. Ich habe da aktuell nur keinen Bock drauf. Du musst es dir nicht anhören, wenn du nicht willst“. Derzeit drängen viele junge Bands auf den Markt, die den harten Metalcore-Sound im Portfolio haben und den alten Truppen wie BRING ME THE HORIZON oder ARCHITECTS macht man Vorwürfe, warum man eben nicht mehr so klingt. Es ist nicht so einfach, sich in das Mindset von Zwanzigjährigen zu versetzen und entsprechende Musik zu schreiben. Wenn du so etwas hören willst, dann musst du eben Kids finden, die solche Musik machen. Ehrlicherweise gibt es aktuell viele hervorragende Bands in diesem Bereich.

Also würdest Du sagen, dass sich die Musik von THE DEVIL WEARS PRADA mit dir als Person mitentwickelt hat?

Total. Wenn ich mit unseren Fans darüber kommuniziere, was sie in ihrem Leben bewegt und welche Rolle unsere Releases dabei spielen, dann bestärkt mich das darin, weiter über diese Themen zu schreiben. Wenn die Texte und die Musik jemandem in seinem Leben wirklich helfen können, dann bedeutet das deutlich mehr für mich, als eine ausverkaufte Show am letzten Abend oder sowas.

Ihr habt dieses Video aus den drei Songs „That Same Place“, „Where The Flowers Never Grow“ und „Wave“ gemacht, welches den Prozess einer mentalen Entwicklung beschreibt. Ist das ein Spiegelbild eines Weges, den Du selbst gegangen bist?

Es beginnt eigentlich damit, dass du aufwachst und denkst: „Oh Nein, es passiert schon wieder“ und man gelangt in die dunkelsten Ecken seines Verstandes. Du versinkst in sehr ungesunden Phasen des Selbsthasses und hast einfach die schlechtesten Gedanken über dich selbst als Person, was natürlich auch dein gesamtes Umfeld beeinflusst. Über diese dunkelsten Ecken deiner Gedankenwelt dreht sich „Where The Flowers Never Grow“, in denen man denkt: „Ich bin wertlos, treffe schlechte Entscheidungen und einfach ungeliebt“. Für mich ist das ziemlich bizarr, denn diese Momente treffen dich immer in den besten Zeiten, in denen du unterbewusst denkst, dass du diese gute Zeit nicht verdient hast. In dem Video wird schließlich der Weg zurück in die Realität beschrieben, indem man diese Szenerie verlässt.

„So Low“ beleuchtet eigentlich das, was du gerade im Detail ausgeführt hast.

Das ist im Prinzip das gleiche Thema. Auf uns als Band haben wir über die Jahre so hart gearbeitet um voran zu kommen und unsere Reputation aufrechtzuerhalten. Wir spielen also immer größere Shows und alles funktioniert, aber irgendwie spielt die Psyche da nicht so mit und man verstrickt sich wieder in negativen Gedanken.

Die Geschichte kann man auch ein wenig umdrehen. Ich hatte ein sehr hartes Jahr mit heftigen Schicksalsschlägen und konnte mich gerade in Phasen tiefer seelischer Schmerzen plötzlich viel intensiver über kleine Dinge freuen, die mir in meiner normalen Verfassung ziemlich egal gewesen wären.

Ich verstehe das total. Auch ich habe einige wichtige Personen in meinem Umfeld verloren und kann diesen Gedanken total nachvollziehen. Ich sollte eigentlich traurig sein und bin auch sehr traurig, aber meine Verletzlichkeit ist so offen, dass schöne Momente einkehren können. Im Prinzip geht es auf „Flowers“ im Kern um das Thema, wie gehe ich mit meinen Emotionen als Erwachsener um. Als Jugendlicher spüre ich die Emotionen enorm intensiv und als Erwachsener muss ich plötzlich mit so vielen Verantwortlichkeiten und daraus resultierenden Emotionen umgehen, sodass ein anderer Umgang stattfinden muss.

Galerie mit 34 Bildern: The Devil Wears Prada - Europe Headline Tour 2024 in Berlin

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Quelle: Zoom-Interview mit Jeremy DePoyster
07.12.2025

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