Unto Others
"Wir sind nicht mehr diese heiße, frische, neue Band."

Interview

Es ist viel passiert im Hause IDLE HANDS. Major Deal, Umbenennung in UNTO OTHERS und jetzt ist nach über zwei Jahren Wartezeit auch endlich der zweite Longplayer „Strength“ erschienen. Wir schnappten uns daher Sänger, Gitarrist und Mastermind Gabriel Franco und unterhielten uns mit dem sympathischen Metal-Nerd nicht nur über die neue Platte, sondern auch über den Namenswechsel, die Szene in Portland, Oregon, die politische Situation in den USA und Presslufthämmer.

Hi Gabriel. Ich habe gelesen, „Strength“ zu schreiben war ein ziemlicher Kampf und ging nicht so leicht von der Hand, wie man vielleicht vermuten könnte, nach einer so erfolgreichen ersten EP und dem Debüt-Album. Kannst Du uns mehr dazu erzählen? Wurdest Du von der Corona-Pandemie und all ihren Nebeneffekten beeinflusst, oder war es einfach eine klassische Schreibblockade?

Nein, nicht wirklich eine Schreibblockade, eher Apathie, gemischt mit einer leichten Depression, aber hauptsächlich Prokrastination, weil ich so viel Zeit hatte. Ich begann mir zu sagen: „Ach, scheiß drauf, ich kann das auch morgen noch erledigen.“ Und das ist nicht, wie Kunst entsteht. Du musst zuschlagen, wenn die Inspiration stark ist. Also ja, es war ein absoluter Kampf. Obendrauf kam auch noch, dass ich mich wegen des Namenswechsels und allem Drumherum so fühle, als ob ich die Reputation der Band wieder von Null aufbaue, obwohl natürlich unsere alte Musik noch da ist. Ich denke das, was dadurch am meisten Schaden genommen hat, war unser Image. Vielleicht ist das auch alles nur in meinem Kopf, aber ich frage mich selbst, wie ich uns als diesen coolen aufsteigenden Stern etabliere. Beispielsweise gab es viel mehr Aufmerksamkeit, als wir gerade erst gestartet waren, einfach weil sich damals alles so schnell bewegte. Jetzt haben wir uns fast den gleichen Zeitraum lang gar nicht bewegt. Ich glaube, wir befinden uns jetzt fast genau so lange Zeit in der Pandemie, wie zwischen dem Release unserer ersten EP und unserer Tour mit KING DIAMOND vergangen ist. Vielleicht sogar etwas länger. Wir sind nicht mehr diese heiße, frische, neue Band. Es ist also viel anstrengender die Leute dazu zu bewegen, dass sie denken: „Oh mein Gott, diese Jungs machen echt geilen Scheiß.“ Man muss die großen Tourneen bekommen, aber es gibt gerade keine großen Tourneen, an denen man sich beteiligen könnte. Aber trotzdem ist „Strength“ entstanden, es ist fertig und mittlerweile dort draußen.

Welch einen Einfluss hatte denn all der Ärger um die Namensänderung auf Dich und die Band? Ich weiß nicht wie viel Du darüber sagen kannst oder ob Du das überhaupt möchtest, aber ich vermute Du dachtest nicht einfach: „Ach, was soll’s. Es ist nur ein Name.“

Nein, ich kann eine ganze Menge dazu sagen. Im Prinzip schlug die Pandemie zu und wir sind von dieser abgebrochenen Tour nach Hause gefahren. Direkt danach arbeiteten wir an unserem Vertrag mit Roadrunner. Wir haben tatsächlich schon im April 2020 unterschrieben, wenn ich mich richtig erinnere. Wir waren also bereits fast ein Jahr dort unter Vertrag, bevor die Öffentlichkeit davon erfuhr. Was also passierte war, dass wir nun Teil eines Major Labels waren und dort muss man nun mal Inhaber seiner eigenen Marke sein. Das waren wir einfach nicht und diejenigen, denen sie gehörte, wollten sie nicht an uns verkaufen. Sie waren ziemlich unhöflich, was diese ganze Sache anging. Also suchten wir uns einen neuen Namen aus. Er sollte denselben mehrdeutigen Sinn dahinter besitzen, wie bereits IDLE HANDS. Das ist etwas, von dem ich möchte, dass die Leute sich ihre eigenen Gedanken dazu machen. Der Name kann als „was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu“ interpretiert werden, also als eine positive Botschaft. Aber auch als aggressive Botschaft: „Füge anderen etwas zu“ bzw. „füge anderen Schaden zu“. Ich denke der Name funktioniert ganz gut, wenn man ihn im Hinterkopf hat und sich dann unsere einzelnen Songs anhört.

Ich bin aber natürlich ein wenig enttäuscht, denn ich finde unser alter Name funktionierte sehr gut mit unseren bisherigen Albumtiteln. Auf „Mana“ hatten wir die Hände ja sogar auf dem Cover, aber außerdem ist das Wort „Mana“ dem spanischen Wort „Manos“ relativ ähnlich, und das bedeutet Hände. Das gleiche gilt für IDLE HANDS und „Don’t Waste Your Time“, wegen des Sprichworts „IDLE HANDS are the devil’s playthings“ (auf Deutsch etwa: „Müßiggang ist aller Laster Anfang“, Anmerk. d. Verf.), was eigentlich sagen will: Verschwende nicht Deine Zeit. Es war also ein interessanter Übergang, da ich versucht habe, den neuen Namen in Einklang mit den Ideen zu bringen, die ich habe. Künftig wird es da also wieder eine stärker zusammenhängende Struktur geben. Natürlich ist es hart das wieder aufzubauen, aber wir hatten keine andere Wahl. Entweder das, oder die Band auflösen. Aber warum sollte ich das tun? Es war einfach eine klassische beschissene Situation. Aber egal, ein Schritt vorwärts nach dem anderen. Und da ergibt sich auch schon der Albumtitel: „Strength“ – Stärke!

Wo wir bei „Strength“ sind – lass uns doch gleich einsteigen, über die Einzelheiten des neuen Albums zu sprechen. „Heroin“ ist der mit weitem Abstand härteste Eurer Songs bislang. Auch einige der anderen Songs, besonders in der ersten Albumhälfte, haben ziemlich metallische Parts, hauptsächlich von der NWOBHM beeinflusst, würde ich sagen. War das etwas, was Du auf „Strength“ stärker einbinden wolltest, oder hat sich das einfach ergeben?

Ich glaube, ich habe „Heroin“ ungefähr vor zwei Jahren geschrieben und hatte ihn seitdem quasi in der Hinterhand. Ich habe den Song dann wieder mal herausgeholt und dachte: „Ja, das ist schon echt cool, aber viel zu heavy für IDLE HANDS.“ Trotzdem zeigte ich ihn meiner Frau und sie flippte total aus. Sie meinte, dass das vermutlich ihr Lieblingssong von allen ist, die ich bislang geschrieben habe. Ich sagte ihr: „Ja, aber ich kann ihn nicht auf die Platte packen.“ Sie antwortete: „Na klar kannst Du. Scheiß drauf – pack ihn auf die Platte!“ Ich muss also meiner Frau hoch anrechnen, dass sie mich überzeugte, den Song mit aufzunehmen. Ich denke er ist ziemlich gut geworden und er bestätigt irgendwie auch meine Theorie, die ich hatte, als ich die Band startete. Ich sagte den Jungs immer, wenn jemand etwas meinte wie „das ist ein eigenartiges Riff“ oder „der Part ist irgendwie komisch“: Es wird alles nach uns klingen, so lange ich dazu auf die gleiche Art und Weise singe. Die Stimme hält alles irgendwie zusammen und das habe ich bei vielen Bands festgestellt. Du hörst Dir total eigenartige JUDAS PRIEST-Songs an, aber Du denkst: „Hey, das ist Rob Halford, das ist immer noch PRIEST.“

Starten mit neuem Namen wieder durch: UNTO OTHERS (Foto: Peter Beste)

Ich stimme Dir zu, ich finde auch, dass der Song ziemlich gut geworden ist. Eine andere Nummer, die für mich hervorsticht ist „Hell Is For Children“. Wie ist er denn entstanden? Für mich ist das purer Classic Rock mit einem starken MIDNIGHT OIL-Vibe – obwohl er sich dann zum Ende in einen typischen UNTO OTHERS-Song entwickelt.

Das ist eigentlich ein Cover. Ich hoffe Du fühlst Dich deswegen jetzt nicht schlecht. (lacht) Das ist PAT BENATAR, aber nicht viele kennen diesen Song. Ich bin eigentlich nicht gerade ein großer PAT BENATAR-Fan. Ich mag sie, aber ich höre nicht unbedingt jeden Tag ihre Platten. Ich hatte diesen Song einmal gehört, vielleicht vor sieben oder acht Jahren. Dann kam eines Tages unser Drummer zur Bandprobe, während wir „Strength“ schrieben und sagte: „Hey man, wir sollten das covern.“ Ich hörte ihn mir an und sagte sofort: „Ja, das sollten wir“. Ich dachte mir, dass das wirklich der perfekte Song für ein Cover von uns ist. Aber das ist natürlich, woher der Classic-Rock-Einfluss kommt, denn es ist einfach straighter Classic Rock. (lacht) Aber mach Dir keine Sorgen, Du bist nicht der erste, der das nicht wusste. Fühl Dich also nicht zu schlecht deswegen.

Naja, ich kann ja immer noch sagen, dass ich auch nicht wirklich ein großer PAT BENATAR-Fan bin.

Und das ist vollkommen ok. (lacht)

Vorhin hast Du erwähnt, dass Deine Stimme alles zusammenhält. Stichwort: Vocals. Mir ist aufgefallen, dass Ihr dieses Mal mit deutlich mehr Vocal-Effekten gearbeitet habt. Gab es einen speziellen Grund, warum Du Dich entschieden hast, sie jetzt einzusetzen? Außerdem habt Ihr auf „Strength“ auch eine Menge Samples verwendet (z.B. das Klicken einer Waffe, den Schrei eines Adlers, Donnergrollen, eine startende Rakete, usw.). Deutlich mehr als zuvor. Wie kam es dazu? Einige Leute finden vermutlich, dass Samples nicht zu Metal gehören, Du scheinst sie aber ziemlich zu feiern.

Das war vermutlich das Ergebnis davon, so viel Zeit zu haben. Ich fing damit an zu sagen: „Das wäre hier doch cool, das würde an dieser Stelle super passen.“ Allerdings wurden auch einige der Songs komplett so geschrieben, wie beispielsweise „Summer Lightning“. Ich wollte den Donner ursprünglich ziemlich laut im Hintergrund haben und zwar über die komplette Länge des Songs. Arthur, unser Produzent, meinte aber immer: „Nein, nein, das lässt es total scheiße klingen.“ Ich entgegnete dann: „Nein, mach das so.“ Schlussendlich fanden wir einen Kompromiss. Die Idee hatte ich vom SCORPIONS-Song „Steamrock Fever“. Dort hört man den Presslufthammer während des gesamten Songs. Zweieinhalb Minuten hört der Presslufthammer einfach nicht auf. Was für eine merkwürdige Idee, die aber dem Song nicht schadet. Ich dachte mir also: „OK, das möchte ich auch probieren.“

Was die anderen Sachen angeht: Ich versuche damit die Idee und die Emotionen auszudrücken, die der Song versucht zu transportieren. Beispielsweise das Abfeuern der Waffe in „When Will Gods Work Be Done“ und „No Children Laughing Now“. In „Gods Work“ ist es als chaotisches Massaker in Kriegszeiten gedacht, während es in „No Children“ eher für einen Amoklauf an einer Schule steht. Ich möchte einfach die Punkte nach Hause holen und sicherstellen, dass die Geschichte so verstanden wird, wie ich es beabsichtigt habe. Ich hoffe, dass es jetzt nicht zu einem Overkill an Samples wurde. Wir werden sehen.

Ich bin nicht sicher, ob es ein Overkill geworden ist oder nicht, aber es erinnerte mich an ein Interview, dass ich vor einer Weile mit einer anderen Band führte. Sie hatten auf ihrem neuen Album das erste Mal auch ein paar Samples benutzt und einige Fans diskutierten darüber, dass Samples im Metal eigentlich überhaupt nichts zu suchen hätten. Ich stimme dem absolut nicht zu. Ich gebe aber zu, dass es auch für mich beim ersten Hören ein wenig merkwürdig klang, nach drei, vier oder fünf Durchläufen gewöhnte ich mich aber daran und es Begann Sinn zu machen.

Naja, Leuten die sagen Du kannst dieses oder jenes nicht machen, sage ich sowieso: „Haut doch einfach ab!“ Das ist nicht, wie man neue Musik erschafft. Es darf einfach keine Regeln geben.

Du hast gerade Euren Produzenten Arthur Rizk erwähnt. Warum wolltet Ihr das neue Album nicht wieder selbst produzieren und warum fiel die Wahl ausgerechnet auf ihn?

Ich hörte irgendwann das erste und zweite Album von POWER TRIP. Vor allem das erste ist vollkommen in Hall ertränkt. Ich dachte mir, dass er der einzige moderne Produzent ist, der solch ein Zeug macht. Jeder andere Produzent, mit dem ich mich unterhielt, jeder Toningenieur mit dem ich gearbeitet habe, sagte mir: „Nein, wir können nicht so viel Hall verwenden, das versaut den kompletten Sound.“ Ich entgegnete immer: „Nein, ich sage Dir doch: Pack MEHR HALL drauf!“ (lacht) Arthur tat mir den Gefallen. Er kümmerte sich wirklich darum und wir hatten eine Menge Spaß, an der Platte zu arbeiten. Ich kontaktierte ihn übrigens zuerst über Instagram, schrieb ihm, dass ich ein Fan seiner Arbeit bin und gerne unser nächstes Album mit ihm aufnehmen würde. Er antwortete: „Klar, lass uns das machen.“ Schließlich spielten wir auf einem Festival in Kanada gemeinsam mit ETERNAL CHAMPION. Arthur und ich trafen uns also dort, quatschten ein wenig und legten uns dann endgültig fest, dass wir das Album zusammen machen wollen. Von Anfang bis Ende, also vom ersten Kontakt zu ihm bis zur Fertigstellung der Platte brauchte es dann zwei Jahre. Es war also ein Prozess. Ein verdammt laaaaaanger Prozess. (lacht)

Ich hatte seinen Namen vorher schon gehört und wusste, dass er bei ETERNAL CHAMPION Gitarre spielt, aber als ich mal checkte, welche Alben er in letzter Zeit produziert hat, war ich ziemlich beeindruckt. Er ist verantwortlich für einige der vermutlich heißesten Platten der letzten Jahre, darunter SMOULDERs „Times Of Obscene Evil And Wild Daring“, UADAs „Cult Of A Dying Sun“ und natürlich das hervorragende „Ravening Iron“ seiner eigenen Band. Er ist offenbar wirklich gerade so was wie der Go-To-Guy, vor allem im Underground.

Ja, und das merkt man sogar, wenn man mit ihm arbeitet. Er ist ein super netter Typ, aber manchmal auch ganz schön einschüchternd, denn er ist einfach 24/7 beschäftigt. Er findet kaum noch Zeit zum Schlafen. Ich sagte ihm: „Wie kannst Du nur so viel Zeit damit verbringen an dem Scheiß zu arbeiten? Das kann nicht gesund sein, Arthur. Du musst nach oben kommen und ein Bier trinken. JETZT!“ (lacht) Aber ehrlich, wir hatten eine super Zeit und sind jetzt gute Freunde. Monate zusammen im Studio zu verbringen half natürlich dabei.

Ein Statement, das irgendwie in meinem Kopf herum geistert, seitdem ich „Strength“ das erste Mal hörte war: Weniger Gothic, mehr klassischer Heavy Metal, mehr Classic Rock. Würdest Du dem zustimmen?

Ja und nein. Es ist so, dass es auf dieser Platte genau so viele cleane Gitarren gibt, wie auf „Mana“, sie klingen nur nicht so stark nach Gothic. Der größte Unterschied sind für mich die Drums. Der Drumsound auf der ersten Platte klang fast schon elektronisch. Dieses Mal entschieden wir uns eher für einen klassischen Heavy-Metal-Drumsound. Ob uns das helfen oder schaden wird – ich weiß es nicht, es interessiert mich aber auch nicht wirklich. Ich denke, die Songs haben genug Kraft in sich und die Leute kaufen die Platte, wenn sie sie mögen. Wenn nicht, dann gibt es immer noch Album drei und vier. Vielleicht floppt es und das Label schmeißt uns raus. Was auch immer. Wir werden aber, egal was passiert, ein drittes Album herausbringen. Das ist, was ich tue. Ich mache es nicht für den Gehaltsscheck, nicht für Fame oder irgend so einen Scheiß. Ich mache es wirklich, weil ich möchte, dass mich ein Promoter aus Russland anruft und fragt: „Hey, willst Du rüber nach Russland kommen und feiern?“ Das ist meine Hauptmotivation. (lacht)

Hat denn mittlerweile ein Promoter aus Russland angerufen und Dir diese Frage gestellt?

Ja, hat er und wir werden vielleicht nächstes Jahr rüber fliegen. Wir werden sehen.

Das Gitarrenduo Sebastian Silva (links) und Gabriel Franco (rechts) noch unter altem Namen.

Statt über Russland lass uns lieber mal über Eure Heimatstadt Portland, Oregon sprechen. Was tut Ihr da eigentlich ins Wasser? Neben Euch gibt es da UADA, BEWITCHER, SILVER TALON und einige weitere gute Bands – und alle kommen aus einer Stadt im Nordwesten, die jetzt nicht gerade als das Mekka des Rock’n’Roll bekannt ist. Ist denn Eure Szene so gut, habt Ihr so viele tolle Clubs oder was ist Deiner Meinung nach der Grund?

Es ist lustig, dass Du das fragst, denn: Gute Szene? Nein! Tolle Clubs? Nein! Und ganz ehrlich – es sind die Bands, die Du gerade genannt hast und das ist es dann eigentlich auch.

Naja, was ist denn mit RED FANG?

Ja, OK. Es gibt RED FANG und es gibt TOXIC HOLOCAUST, wobei letzterer nur hier lebt und eigentlich aus Delaware kommt. Oh, und wir haben POISON IDEA. Die kommen aber aus den Achtzigern und sind keine neue Band. RED FANG und TOXIC HOLOCAUST sind auch schon seit über einem Jahrzehnt aktiv. Wenn es also um neue, interessante Bands geht, sind da vielleicht UADA, BEWITCHER, SILVER TALON, wir und eine kleinere Band namens LEATHÜRBITCH, wo Sebastian (Silva, Gitarre, Anmerk. d. Verf.) bis vor einiger Zeit spielte. Die sind ziemlich cool, absoluter Over-The-Top-Heavy-Metal. Aber ansonsten ist es echt ein Kampf etwas zu finden, was abgeht. Und natürlich hat die Pandemie die Gründung neuer Bands stark gedämpft. So etwas wie: „Oh, da ist diese coole neue Band in unserem Block“ – das gibt es aktuell einfach nicht. Nur die selben alten Typen, die Versuchen etwas ans Laufen zu bekommen. Eine komische Zeit.

Unsere Stadt hat sich außerdem auch drastisch verändert. Letztes Jahr hatten wir über 100 Tage Krawalle und Unruhen. Bis zum heutigen Tag ist vieles anders. Das Wohnungslosen-Problem greift völlig ungezügelt um sich. Die Immobilienpreise gehen durch die Decke. Dies ist wirklich keine besonders schöne Stadt in diesen Tagen. Natürlich gibt es immer noch schöne Ecken, keine Frage. Aber eben auch eine Menge geschlossener Geschäfte mit vernagelten Fenstern – es ist einfach gerade eine sehr unsichere Zeit in den USA. Speziell Portland ist natürlich stark im Fokus, weil wir bekannt sind als Heimat der Linken und der sogenannten „Antifa-Bewegung“, wo wir vorher eher als etwas eigenartig galten. Jetzt ist unser Image eher: Feindseliger Anarchisten-Hotspot. Das könnte zwar eigentlich kaum weiter von der Wahrheit entfernt sein, aber Politik ist zur Zeit einfach super radikalisiert. Man sieht so viele Menschen, die sich nicht einmal mehr mit Familienmitgliedern unterhalten, weil sie unterschiedliche politische Ansichten haben. Da hat das Corona-Virus natürlich nochmal ordentlich Öl ins Feuer gegossen, zusammen mit der ganzen Sache um Donald Trump. Es ist wirklich verrückt.

Aber wie auch immer – zurück zu den Bands. (lacht) Ich denke das ist auch der Grund, warum es gerade schwer ist, gute Musik zu finden. Die Menschen sehen das im Moment einfach nicht als allzu wichtig an, obwohl es verdammt wichtig ist. Musik bringt Menschen zusammen. Musik schafft eine Umgebung, in der ein eher rechtsgerichteter Typ und ein eher linksgerichteter Typ sich treffen können und zueinander sagen: „Ich mag zwar Deine Ansichten nicht, aber wir beide lieben einfach diese Band.“ Das nicht zu haben schadet sowohl der nationalen als auch der lokalen Community.

Das hast Du sehr gut ausgedrückt. Lass uns entsprechend auch ein wenig zur Musik zurück kommen. Es scheint fast so, als hättet Ihr Gothic Rock ein wenig die Coolness zurück gegeben – besonders natürlich dadurch, dass ihr ihn mit Heavy Metal kombiniert habt. Es sieht so aus, als würden aktuell ein paar andere Bands auf der Bildfläche erscheinen, die ein paar Gemeinsamkeiten mit UNTO OTHERS haben, obwohl sie vielleicht in eine etwas andere Richtung gehen. Übernimmst Du dafür gerne die Verantwortung, oder denkst Du, dass es jetzt mehr Bands gibt, die Gothic-Elemente in ihre Musik einbauen ist eher so ein Label-Ding, weil sie heiß darauf sind die nächsten UNTO OTHERS im Portfolio zu haben?

Ich denke Labels sehen so etwas natürlich und es könnte daher ein von Labels verstärkter Trend sein. Ich habe auch ein paar Bands gesehen, die einige Ähnlichkeiten mit uns haben. Da gibt es zum Beispiel POLTERGEIST aus Kanada. Das ist nur ein Typ, er heißt Kalen Baker und er macht einen echt guten Job, seine eigene Rock’n’Roll-Band aufzubauen. Das klingt auf jeden Fall ziemlich cool. Ansonsten, was den Beginn einer Szene oder einer Bewegung angeht: Das wäre natürlich die Hoffnung. Nachdem MUNICIPAL WASTE im Jahr 2000 an den Start gingen, konnte man plötzlich wieder eine große Zahl neuer Thrash Bands entdecken. Sogar WARBRINGER und all diese Bands würde ich in weiten Teilen MUNICIPAL WASTE zuschreiben, die den Stil wieder cool gemacht haben. Und das taten sie, weil sie einfach Spaß machten. Ich hoffe also, dass das auch unsere Musik ausmacht. Dass es einfach Spaß macht uns zuzusehen, dass die Leute eine gute Zeit auf unseren Konzerten haben. Das kann aber nur die Zeit beantworten. Wenn wir wirklich erfolgreich sein werden, mit dem was wir tun, dann wird man auch andere Bands sehen, die versuchen so zu sein wie wir. Das schafft man aber nur mit engagierten Hardcore-Fans.

Wie auch immer, jetzt im Moment sehe ich uns noch keinen neuen Trend begründen. Klar, ich bekomme viele Komplimente, aber niemand sagt: „Hey, ich starte auch eine Band wie Eure.“ Und ich würde ihnen sogar raten, das nicht zu tun. Ich würde ihnen raten, eine Band zu gründen, von der sie denken, dass sie am besten zu ihnen passt.

Ja, vielleicht ist es genau das. Wenn die Leute sehen, dass eine Band wie UNTO OTHERS beispielsweise auch auf einem Festival wie dem KEEP IT TRUE funktionieren kann, obwohl es eigentlich auf puren Trve Metal ausgerichtet ist, könnte es sie darin bestätigen mit ihrem eigenen Kram weiterzumachen. Übrigens wurde mir Eure Band aus völlig unterschiedlichen Ecken empfohlen, zum Beispiel sowohl von einem Typen der hauptsächlich Prog hört, als auch von einem Black-Metal-Fan.

Naja, wenn Du schon den True- und den Black-Metal-Typen erwähnst: Wir sind in Europa mit GAAHLS WYRD, TRIBULATION und UADA getourt und direkt danach gingen wir auf die Heavy-Metal-Tour bei der wir auf den ganzen Festivals gespielt haben. Beides machte Sinn. Mir fiel auch auf, dass uns das Black-Metal-Publikum durchaus zu akzeptieren schien. Ich dachte also: „Warum nicht, bucht uns mehr Black-Metal-Shows.“ Das einzige Publikum, was unsere Musik nicht so zu mögen scheint, ist das „Tough-Guy-Publikum“. Ich meine damit z.B. LAMB OF GOD-Fans. Das ist etwas schwieriger, die mitzunehmen, da sie in erster Linie straighten, beinharten Metal wollen, was natürlich vollkommen OK ist. Ich würde glauben wollen, dass wir eine Band des „intelligenten Mannes“ sind, aber zugänglich für Jedermann.

Natürlich stehen nach wie vor alle Live-Pläne aktuell noch unter dem Einfluss der Pandemie. Eure Tour zusammen mit BEHEMOTH, ARCH ENEMY und CARCASS wurde gerade wieder verschoben. Wie sehen also Deine Gedanken zum Thema Touren zur Zeit aus?

Einerseits denke ich mir manchmal: „Scheiß auf alles.“ Aber andererseits gebe ich natürlich nicht einfach auf. Wir haben aktuell für November eine Nordamerika-Tour geplant. Wenn es irgendwie möglich sein wird, dann ziehen wir sie durch. Wir kommen dann zwischen März und April 2022 zurück nach Europa, danach folgt eine weitere große Tour in den Staaten. Im Herbst geht es dann wieder zurück nach Europa, auf die Tour mit BEHEMOTH. Wenn Covid es zulässt, werden wir nächstes Jahr mindestens 100 Tage auf Tour sein, hoffentlich noch mehr. Außerdem werden wir ein weiteres Album herausbringen, hoffentlich zum Ende nächsten Jahres. Das ist zumindest der Plan.

Ich möchte 2022 richtig durchstarten, Promo für das aktuelle Album machen, Promo für das nächste Album machen und dann 2023 auf all den großen Festivals spielen. Da werden wir auf dem absoluten Gipfel unserer Leistungsfähigkeit sein. Und danach geht es dann nur noch bergab. Das ist der Plan. (lacht)

Vielen Dank für Deine Zeit und das coole Gespräch, Gabriel.

Hat wirklich Spaß gemacht mit Dir zu quatschen, Mirko.

Quelle: Interview mit Gabriel Franco / Unto Others
26.09.2021

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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