Varg
"Wir haben lange unseren Weg gesucht."

Interview

VARG haben mit „Ewige Wacht“ die konsequente Fortsetzung zu „Zeichen“ veröffentlicht. Mit der Neuaufnahme ihres Debüts „Wolfszeit“ und dem darauf folgenden „Zeichen“ wollte die Band einen kleinen Reboot bei sich durchführen und im Bereich des Pagan- und Viking Metals authentischer agieren. Wir klopften bei Bandkopf Freki an, um die Hintergründe des neuen Werkes in Erfahrung zu bringen und haben auch einen Blick in Vergangenheit und Zukunft gewagt.

Hi Freki, wir haben ja schon vor drei Jahren zu „Zeichen“ miteinander gesprochen. Damals war das Reboot der Band großes Thema, wie führt „Ewige Wacht“ den neu eingeschlagenen Weg fort?

„Ewige Wacht“ geht konstant den Pfad, den wir mit „Zeichen“ eingeschlagen haben weiter, aber es geht deutlich mehr in die Tiefe, nicht nur thematisch, sondern auch emotional. Mit der Neuaufnahme von „Wolfszeit“ haben wir das Reboot gestartet und mit „Zeichen“ den roten Faden eingeschlagen, dass wir nur noch Pagan Metal machen und nur noch über dieses Thema singen und die ganze Moderne rauslassen.

Was genau ist denn die ewige Wacht?

Das ist Interpretationssache, wir lassen das für jeden etwas offen. Für mich steht die ewige Wacht dafür, die Flamme des alten Glaubens und unserer Ahnen aufrecht zu halten und sie weiterzugeben, daran zu erinnern und sie zu beschützen.

Also kann man die Songs auf dem neuen Album nicht nur auf die alten Wikinger beziehen?

Richtig, gerade „Ewige Wacht“ handelt von diesem alten Glauben und dem Bewahren der alten Flamme der Ahnen. „Lasst eure Kinder die Ewigkeit sein“ ist eine Zeile im Text, die aussagt, dass diese Dinge von Generation zu Generation weitergetragen werden sollen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Es geht nicht darum, in jedem Song zu erzählen, dass es Thor gibt und, dass es stark blitzt, wenn er mit seinem Hammer haut, das machen viele. Wir machen das nicht, wir versuchen das Positive an der nordischen Mythologie und diesen alten Werten zu vermitteln und in die Neuzeit zu transportieren.

Wir leben nicht im achten oder neunten Jahrhundert, sondern leben jetzt und gewisse Werte wie Ehrlichkeit, Freiheit, Familie, Freundschaft und so weiter sind nicht mehr so präsent, wie sie es sein sollten und das versuchen wir ein bisschen aufrecht zu erhalten.

Ein interessanter Ansatz, vor allem weil du ja selbst auch ein Kind hast.

Mittlerweile sogar zwei. Man reift ja mit der Zeit nicht nur als Musiker, VARG gibt es jetzt seit 18 Jahren und der Philipp vor 18 Jahren ist anders ans Songwriting rangegangen als der, der ich heute bin, weil die Lebenserfahrung eben eine ganz andere ist und weil andere Dinge im Leben wichtig geworden sind.

Warum habt ihr euch für ein Bandfoto als Albumcover entschieden?

Für mich ist das Album sehr authentisch und es gibt zwei Ebenen. Es gibt einmal die Texte für mich, die eine gewisse Emotion und Geschichte rüberbringen, aber genau so macht das auch die Melodie und das Lied selbst. Es sind sehr viele Songs dabei, die tief aus dem Herzen kommen und es fühlte sich gut und ehrlich an, ein Bandfoto als Cover zu nehmen, weil es eben sehr emotionale Songs für mich sind.

Es präsentiert auch ja auch als aktuelle Band, mit Fenrir ist ja ein langjähriger Mitstreiter gegangen.

Fenrir ist nicht wirklich gegangen. In 18 Jahren VARG, die wir gemeinsam hatten, sind auch 18 Jahre Freundschaft zwischen uns entstanden und zwar so eine Freundschaft, dass wir teilweise Weihnachten zusammen im Kreise der Familie verbringen. Ich weiß, dass es für ihn schon immer der Lebenstraum war, in die USA auszuwandern. Er hat ein wirklich tolles Jobangebot bei Red Bull / Formel 1 bekommen.

Er ist zwar kein aktives Bandmitglied mehr, aber er ist immer der Fenrir von VARG. Das ist auch sein Wunsch gewesen, dass er das auch immer bleibt. Er ist also nicht mehr dabei, aber er ist auch nicht raus. Er ist im Herzen immer ein Teil des Rudels und das bleibt er auch.

Hat er zum neuen Album noch etwas beigetragen?

Nein, mit den letzten Shows, die er gespielt hat, hat er seine Verabschiedung als aktives Mitglied vollzogen. Er hat die Videos und so vorher gesehen und seine Meinung kundgetan, fand das auch super und so, aber jetzt ist er auf sein neues Leben fokussiert. Und wir wollten auch unserem neuen Schlagzeuger, dem Rohgarr, die Möglichkeit geben sich selbst einzubringen, was er wirklich toll gemacht hat.

Gerade bei den Schlagzeugern ist es ja so, dass jeder ein bisschen seinen eigenen Stil hat. Bei Rohgarr ist es so, dass er selbst Schlagzeuglehrer mit eigener Schule ist. Er ist auch Schlagzeuger bei den APOKALYPTISCHEN REITERn. Er ist ein unfassbar begnadeter Schlagzeuger und Musiker und hat unfassbar viele Spielereien und Ideen mit reingebracht, die ich wirklich toll finde. Er hat stellenweise Beckenspielereien und andere Dinge eingebracht, die sich super in den VARG-Kosmos einfügen. An dieser Stelle nochmal großes Lob an ihn. Er ist echt einer der krassesten Musiker, mit denen ich jemals arbeiten durfte.

Habt ihr das Songwriting zusammen gemacht oder bist du da der Hauptverantwortliche?

Die Texte kommen zum größten Teil von mir und Fylgia zusammen. Sie hat auf dem neuen Album ja auch einen deutlich größeren Part. Es war der Plan, alle Songwriting-Sessions zusammen zu machen. Das hat aber zeitlich nicht so wirklich bei allen hingehauen, weil beispielsweise unser Gitarrist auch Papa geworden ist und jeder außerhalb des Bandkosmos noch ein Leben hat. Zudem wohnen wir recht weit auseinander. Fylgia und ich wohnen in Coburg, wo wir auch die Lieder schreiben und ins Studio gehen, für den Rest sind das immer so drei Stunden Anfahrt.

Wir hatten einige Wochenenden, wo alle zusammen waren, aber gerade in der letzten Songwriting-Phase haben Fylgia und ich uns einige Nächte alleine um die Ohren geschlagen, um Songs wie „Eisenseite“ oder „Fylgia“ den finalen Schliff zu geben. Es hat alles gut funktioniert und diese verschiedenen Konstellationen im Songwriting haben dazu geführt, dass das Album sehr vielseitig geworden ist. Es ist alles homogen, es klingt nicht wie ein Sampler, aber wir zeigen viele Seiten von uns. Auch dadurch, dass Fylgia einen großen Teil im Songwriting und nicht nur den Lyrics beigetragen hat, haben wir auch da die Möglichkeit gehabt, noch ein paar neue Facetten hinzuzufügen und ich finde, das steht uns ganz gut.

Wo wir gerade über Fylgia sprechen: beim nach ihr benannten Song singt am Ende dein Kind, ist das von euch?

Ja, das ist unser Sohn. In dem Song geht es aber nicht um Fylgia persönlich, sondern Fylgien sind Wesen in der nordischen Mythologie, von denen es nicht nur eine gibt. Es sind Schutzgeister, die häufig in Gestalt eines Tieres den Menschen, meist ein Kind, begleiten und beschützen. Deswegen passt die Kinderstimme da auch thematisch.

Dann gibt es auf dem Album noch einen Song, den ich nicht mal aussprechen kann. Was bedeutet der?

Du meinst „Járnsíðasleið“. „Járnsíða“ bedeutet „Eisenseite“, „Járnsíðasleið“ ist sozusagen das Geleit von Eisenseite. Es hat also nichts mit Trauer oder Leid zu tun, es ist wie „Des Königs Geleit“ sozusagen. Der Song führt als Intro auf „Eisenseite“ hin und wird im Video auch als ein Song fungieren.

Auf der Bonus-CD finden sich wieder Songs mit alternativen Vocals von Bands wie ROTTING CHRIST, ALESTORM oder KORPIKLAANI. Worin liegt der Reiz, die eigenen Songs von anderen Musikern interpretieren zu lassen?

Ich persönlich finde Features grundsätzlich extrem interessant, egal in welcher Musikrichtung, insbesondere wenn der Gast eine andere Stimme hat als der Originalsänger. Wenn du einen Song selbst geschrieben hast, dann ist das ja dein Baby, weil du dich sehr lange damit auseinandergesetzt hast, auch wo du mit deinen Worten wie Akzente setzen willst. Wenn dann ein anderer Sänger den gleichen Text und das Instrumental bekommt und den Song in seinem Stil neu interpretiert, ist das sehr spannend.

Als ich einige der Gastsongs zum ersten Mal gehört habe, hatte ich wirklich Gänsehaut, weil das zum Teil unfassbar krass war. Vor allem, weil du ja nicht weißt, was sie machen. Ich habe die fertigen Vocalspuren, ohne sie zu hören direkt an unseren Tontechniker weitergeleitet, der sie dann auf die Songs angepasst und eingesetzt hat. Ich habe es mir erst angehört, als es fertig war und da waren ein paar herausragende Überraschungen dabei. Beispielsweise hat Heri von TÝR die Übersetzung auf Englisch und Färöisch von mir bekommen, aber er meinte, er findet die Phrasierung auf Deutsch besser, ob er es auch auf Deutsch singen kann. Ich meinte natürlich, dass er das tun kann, aber dachte, das wäre ein Einzelfall.

Dann schicke ich das Ganze an Ludvig von FORNDOM und zwei Mails später schreibt er mir auch, die Phrasierung sei auf Deutsch schöner, ob er es auch auf Deutsch singen kann. Und das ist ein Schwede, der eigentlich kein Deutsch spricht. Chris von ALESTORM hat einfach ein Teil von dem Song auf Deutsch gesungen, ohne zu fragen.

Chris hat es auch eher lustig gemacht, Ludvig hat mit Metal ja eigentlich nichts am Hut, der macht ja so Musik im Fahrwasser von WARDRUNA. Der Chor, den er für „Ewige Wacht“ eingesungen hat, hat bei jedem von uns Gänsehaut verursacht. Mir war auch wichtig, dass wir viele verschiedene Sänger nehmen und nicht acht Mal denselben mit anderem Namen. Dass so viele der Gastsänger einen eigenen Stil haben macht den Reiz daran aus.

Das glaube ich. Und KORPIKLAANI haben auf Finnisch gesungen?

Nee, Jonne hat es auf Englisch gesungen. „Siegreiches Heer“ ist von der Phrasierung ein extrem schneller Song und ich glaube, das war eine ganz schöne Herausforderung für ihn, aber er hat das wirklich gut gemeistert.

Ihr seid schon lange bei Napalm Records unter Vertrag, wie erlebt ihr die Zusammenarbeit?

Wir sind total happy mit der Zusammenarbeit, da weiß jeder genau, was er macht. Die machen sich viele Gedanken um Promotion, Interviews, Produktdesign und so weiter. Du kannst dich als Band einfach auf das Musik machen konzentrieren. Das ist auch der größte Vorteil an einem Label. Wenn das Label gut arbeitet, dann hast du als Künstler die Freiheit zu sagen, ich kümmere mich um Musik, Artwork und Videos und den Rest gebe ich ab.

Und dir wird nicht in deine Kreativität reingeredet, das soll bei großen Major Labels ja auch vorgekommen sein.

Nein, das passiert bei Napalm nicht. Wir haben völlige Freiheit in dem, was wir machen wollen und sollen. Bis zur „Guten Tag“ waren wir ja bei NoiseArt Records, da kam dann zu dem Album die Ansage, als es ums Cover und die Fotos ging, wir sollen das wie in „Gangs Of New York“ machen. Ich wollte das Album auch „Blut und Feuer“ nennen damals, dann war es weiß und hieß „Guten Tag“. Das Album wäre dasselbe gewesen, an der Musik hat keiner was geändert, aber es wurde von den Fans als Deutschrockalbum aufgenommen, auch immer noch. Ich bin der Meinung, wenn das damals „Blut und Feuer“ gehießen hätte und ein schwarzes Cover gehabt hätte, dann hätte keiner gemeckert.

Das stimmt, ich habe bei „Guten Tag“ auch erst mit einem BÖHSE-ONKELZ-Coversong gerechnet.

Ja, das ist alles damals ziemlich modern geworden, auch mit „Das Ende aller Lügen“. Das Album hat auch seine Daseinsberechtigung und hat starke Songs, aber es fühlt sich sehr richtig an, dass wir vor diesem Weg, den wir mit „Zeichen“ eingeschlagen haben nochmal zum Ursprung zurückgekehrt sind mit „Wolfszeit II“. Von hier starten wir mit rotem Faden neu. Wir haben lange unseren Weg gesucht und den nun auch gefunden, den behalten wir jetzt auch bei.

Wenn du jetzt mit rotem Faden in die Zukunft blickst, wo siehst du VARG in zehn bis fünfzehn Jahren?

Ich sehe uns weiter auf diesem Pfad, den wir eingeschlagen haben. Ich bin selbst gespannt, wo uns diese Reise hinführt. Auch wenn wir thematisch dem Heidentum treu geblieben sind, ist von „Zeichen“ zu „Ewige Wacht“ auch was Musik und Melodieführung angeht noch ein großer Schritt passiert. Wir alle werden mit dem, was wir erleben reifen. Also bin ich musikalisch sehr gespannt, auch mit der neuen Besetzung und weil Fylgia sich mehr und mehr einbringt ins Songwriting. Ich bin auch gespannt, wo textlich die Reise hingeht, weil auch ich mehr und mehr Lebenserfahrung sammle und mich wandle und sich die Wichtigkeiten im Leben für mich konstant verschieben. Das fließt eben auch in die Texte ein.

Es ist immer noch so, dass wenn ich einen Song vom „Blutaar“-Album nehme wie „Zeichen der Zeit“, dann weiß ich genau wie ich mich gefühlt habe, als ich den Song geschrieben habe. Das ist wie ein Fenster in die Vergangenheit, aber ich bin auch sehr gespannt, was die Zukunft bringt.

Abschließend vielleicht noch eine Frage, die ich dir beim letzten Mal schon gestellt habe: Wo habt ihr die Wölfe auf dem Album versteckt?

Wir tragen die Wolfsrune auf unseren Outfits auf dem Cover. Ich würde sagen, die Wölfe sind wir. Ich will nicht ausschließen, dass wir auf dem nächsten Album wieder Songs mit „Wolf“ im Titel haben. Ich schreibe meine Texte immer dann, wenn der Song instrumental steht. Manchmal brauche ich ein paar Wochen dazu, um zu wissen, welcher Text für den Song passt. Es steht bei uns kein Konzept dahinter, dass wir als Opener sowas wie „Wir sind die Wölfe“ brauchen. Ob irgendwo in einem Song dann „Wolf“ im Titel ist hat weniger mit der Planung selbst zu tun, sondern ob es zum Song passt.

Wir wollen uns auch nicht zu sehr wiederholen und haben auch schon viele Songs mit Wölfen. Unser Name VARG bedeutet „Wolf“, das reicht aus.

Dann danke ich dir für deine Zeit und bis zum nächsten Album dann!

Danke, würde mich auch freuen, wenn wir uns zum nächsten Album wiedersehen.

Quelle: Interview mit Freki / Varg
13.10.2023

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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