Anthrax - Persistence Of Time

Review

1990 war der Vorabend des Untergangs für den Thrash Metal. Am 12. August 1991 veröffentlichten METALLICA ihr schwarzes Album, PANTERA und SEPULTURA popularisierten den Groove Metal. Damit waren kommerziell attraktivere Stile entstanden, denen die meisten Achtziger-Bands folgten und daran oft zerbrachen. Desweiteren hat sich der Metal immer weiter extremisiert und diese Seite hat nun ein breiteres Publikum gewonnen, womit die Radikalität des Thrash Metals übertrumpft worden war. Aber in diesem 1990 liefen einige alte Helden noch ein letztes Mal zur Höchstform auf. Neben JUDAS PRIEST sehen auch ANTHRAX ihr damaliges Album „Persistence Of Time“ in dieser Reihe.

Persistence of time

Es erschien in einer schwierigen Zeit für die Band. Mit der Lockerheit und Eingängigkeit von „Spreading The Disease“ und „Among The Living“ haben sie sich in die nächste Liga katapultiert. Das folgende „State Of Euphoria“ konnte das zwar beim TRUST-Cover „Antisocial“ oder „Be All, End All“ bieten, war aber an einigen Stellen redudant und unausgereift, wie es inzwischen auch die Band selbst bemängelt. Trotzdem war der kommerzielle Höhenflug ungebrochen. Schließlich brannte bei der Produktion zum Nachfolger ihr Proberaum nieder. Mit den „Appetite For Destruction“-Toningenieuren Michael Barbiero und Steve Thompson beendeten sie schließlich die Arbeit am Album.

Das Album dauert fast eine Stunde und ist damit noch länger als sein Vorgänger. Der Unterschied ist nun, dass sie sich mehr Zeit dafür genommen haben. Dafür sind nun lange Nummern herausgekommen, die wenig vom Überladenen von „State Of Euphoria“ haben. Der entscheidende Unterschied ist, dass sich ANTHRAX hier mehr ausprobieren und ihre Songs zugleich einen roten Faden haben. Gerade diese Stringenz hebt es vom Vorgänger ab. Direkt beim Opener ‚Time‘ wird klar, dass es hier etwas völlig anderes gibt. Es handelt sich um einen überlangen Thrasher, der sich durch ein monotones Stampfen auszeichnet und eine Komplexität bietet, die man damals eher mit „…And Justice For All“ in Verbindung brachte.

Intro to reality

So einige Sachen haben die New Yorker dieses Mal ausprobiert: Es wurden vermehrt Samples als Einleitung benutzt. Das Uhrenticken, welches ‚Time‘ eröffnet, oder die Spoken-Word-Passage, die zu Beginn von ‚In My World‘ zu hören ist. In ‚Blood‘ experimentieren sie mit Hip-Hop-Rhythmik, wie es im Refrain überdeutlich zutage tritt. ‚Belly Of The Beast‘ orientiert sich stark am klassischen Heavy Metal. Aber es gibt auch in (musikalischer) Hinsicht einige fröhlichere Tracks. In ‚Gridlock‘ schimmert der klassische ANTHRAX-Spirit durch und das Joe-Jackson-Cover ‚Got The Time‘ fällt kurz und schnell aus.

Von dem Album hat es zuletzt aber immer nur ‚Got The Time‘ in die Setlist geschafft, ungeachtet seiner mangelnden Repräsentationskraft. Das liegt daran, dass die Songs für ein klassisches Thrash-Konzert ziemlich ungeeigent sind. Sie sind zu lang, zu vertrackt und oft auch zu langsam. Dafür wurde das Album immerhin nun durch eine Neuauflage gewürdigt. Diese enthält, neben einem neuen Cover, ein überaus gelungenes Remastering von ANTHRAXS-Hausmasterer Paul Logus, der dem Album einen satten Sound verliehen hat. Enthalten sind desweiteren einige Schätze aus Charlie Benantes Privatarchiv: Eine coole-Hip-Hop-Aufnahme von ‚I’m The Man‘ sowie Live- und Demoaufnahmen aus dieser Periode.

In my world

Bei der begleitenden Dokumentation haben sich ANTHRAX als Thema die Support-Tour für IRON MAIDEN ausgesucht. Das ist putzig und passt natürlich auch wieder in das Narrativ der sympathischen, bodenständigen Thrash-Metal-Gruppe, dessen bekanntester Vertreter die New Yorker sind, es ist aber eine vertane Chance. Viel interessanter wäre es gewesen, die komplizierte Albumentstehung aufzuarbeiten. Dazu gibt es dann nur eine knappe Auskunft in den Liner Notes, die Scott Ian verfasst hat. Stattdessen gibt es überraschend gut erhaltene Heimvideos, die vor allem die Auftritte von Charlie Benante mit IRON MAIDEN dokumentieren. Ganz nett, aber nach einmaligen Anschauen bleibt die DVD doch im Schuber.

„Persistence Of Time“ ist ein wichtiges Album in der Geschichte von ANTHRAX. Es läutet die vorläufige Abkehr vom Signature-Sound und der Beginn einer experimentelleren Phase ein. Ein klassisches Umbruch-Album, das auch notwendig war. Die New Yorker zeigen hier eine düstere, ernsthaftere Seite, die man von ihnen nicht kannte. Dabei gelangen ihnen lange, durchdachte Songs, welche die Spötter zum Schweigen brachten. Die Band sollte es gerade auch live öfter berücksichtigen und sich nicht immer nur zum Stimmungs-Dienstleister degradieren lassen.

12.08.2020

Redakteur mit Vorliebe für Hard Rock, Heavy Metal und Thrash Metal

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